Les salauds - Dreckskerle

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Keine Erlösung, nirgends

Keine Erlösung, nirgends. Nicht in den dunkeln Bildern von irritirender Schönheit, nicht in der verschachtelten Erzählung über Missbrauch, Rache und der vergeblichen Suche nach Gerechtigkeit, nicht in der harten und kantigen Musik, die immer wieder erklingt in diesem Film, nicht in den Charakteren, die allesamt ihrem Schicksal ausgeliefert sind und die sich abstrampeln, um einen Ausweg zu finden und doch immer wieder scheitern.
Claire Denis neuer Film Les salauds trägt nicht nur einen furchterregenden Titel, er ist es auch. Doch es ist jene Art von Terror, bei der man trotz allen Grauens, das man zu sehen bekommt, doch nicht anders kann als hinzuschauen. Und womöglich liegt gerade darin ein Teil der Ambivalenz, in die einen dieser Film hineinschleudert und aus der er einen auch nach dem bizarr-verfremdeten Ende mit den Bildern einer Überwachungskamera nicht entlässt. Begleitet werden diese Bilder von der Stimme von Stuart Staples, dem Sänger der Tindersticks, die seit Nenette et Boni die Filme von Claire Denis musikalisch begleiten. Selten aber fügte sich die düster-dunkle Stimme des Sängers, die zwischen Resignation und purer Verzweiflung alle Schattierungen von Moll beherrscht, so schlüssig in die Grundstimmung eines Filmes ein wie hier.

Der Film beginnt mit einer Montage von Impressionen, an deren Ende ein Mann Selbstmord begeht: Jacques, so erfahren wir nach und nach, war der Vater von Justine (Lola Créton) und der Ehemann von Sandra (Julie Bataille) — und Schuld an seinem Tod ist ein Industrieller namens Edouard Laporte (Michel Subor), der Justine ein Unrecht zugefügt haben muss, für das es aber keinerlei Beweise gibt, von dem die Familie nun aber zerschmettert wurde wie der Leib des Vaters, der auf dem Pflaster liegt. Nun kommt Sandras Bruder Marco (Vincent Lindon) ins Spiel, der sonst als Kapitän eines Schiffes vorwiegend unterwegs und der seinen Job an den Nagel hängt, um Rache zu nehmen für das, was seiner Nichte widerfahren ist. Zu diesem Zweck mietet sich der geschiedene Vater zweier Töchter eine Wohnung, die sich im gleichen Haus wie die von Laportes Geliebter Raphaëlle (Chiara Mastroianni) befindet. Und tatsächlich scheint Marcos Plan aufzugehen, er gewinnt das Vertrauen der Frau und ihres Sohnes Joseph und wird später Raphaëlles Liebhaber. Doch eigentlich verfolgt er ganz andere Ziele, er will Rache für die Vergewaltigung und den Missbrauch Justines.

So gesehen ist die Geschichte von Les salauds eigentlich recht übersichtlich, doch Claire Denis hält mit ihrer verschachtelten, fragmentarisierten und desorientierenden Erzählweise den Zuschauer bewusst lange Zeit auf Abstand zu der Wahrheit, deren ganzen Umfang man erst am Ende des Films erfährt. Die Ellipsen und wilden Sprünge in der Erzählung, die fast nach Belieben vor in die Zukunft und zurück in die Vergangenheit springen, erschaffen eine fast schon (alp)traumhafte, überwiegend nächtliche Atmosphäre, die das Gefühl der Ausweglosigkeit und Verstörung von den traumatisierten Protagonisten mühelos und sukzessive auf den Zuschauer überträgt. Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, dass man hier gerade ein neues Werk von David Lynch zu Gesicht bekommen hat. Für Claire Denis markiert dieser Film jedenfalls (nicht nur wegen des erstmaligen Drehs mit digitalem Equipment) eine radikale Neuerfindung, die man erst einmal verdauen muss. Ein nachtschwarzes Gemälde voller Schrecken und ohne jede Hoffnung, ein Alptraum.

Les salauds - Dreckskerle

Keine Erlösung, nirgends. Nicht in den dunkeln Bildern von irritirender Schönheit, nicht in der verschachtelten Erzählung über Missbrauch, Rache und der vergeblichen Suche nach Gerechtigkeit, nicht in der harten und kantigen Musik, die immer wieder erklingt in diesem Film, nicht in den Charakteren, die allesamt ihrem Schicksal ausgeliefert sind und die sich abstrampeln, um einen Ausweg zu finden und doch immer wieder scheitern.
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