Les apaches

Eine Filmkritik von Wolfgang Nierlin

Verhängnisvolle Dynamik

Von den Rändern her und zu ihnen hin, dabei in losen Details um ein ausgehöhltes, in Auflösung begriffenes Zentrum gruppiert, bewegt sich das Erzählen in Thierry de Perettis Film Les apaches. In seiner flächigen, parataktischen Anordnung und seinem scheinbar absichtslosen, elliptischen Umherschweifen erinnert das Erstlingswerk des korsischen Regisseurs an den Stil der Berliner Schule. Im Nacheinander der vergleichsweise unspektakulären Ereignisse wird das schreckliche Drama entkernt und in die aufgefächerten Teile der Handlung verlagert. Derart entdramatisiert und auf ebenso realistische wie banale Alltagsvorgänge reduziert, erscheint die Mordtat an einer der vielen Bruchstellen von Les apaches umso monströser.
Nach einem rauschhaften Disco-Besuch brechen Aziz und seine Freunde übermütig in eine abgelegene Villa in der Nähe von Porto Vecchio ein. Die Jugendlichen baden ausgelassen im Pool, betrinken sich und hören laut Musik. Dabei entladen sich zunehmend Spannungen und destruktive Energien. Einer der jungen Männer begeht einen Diebstahl, der in der Folge eine verhängnisvolle Dynamik entwickelt. Weil sich Aziz, dessen Vater als Hausmeister des Villenbesitzers arbeitet, verantwortlich fühlt, kommt es zu Spannungen unter den Jugendlichen, die sich plötzlich in einem Geflecht aus Schuld und der Angst vor Verrat verrennen.

Die diffusen Gefühle unerfahrener, naiver und dabei stark traditionell geprägter Jugendlicher, ihre übersteigerten Befürchtungen, vor allem aber ihr soziales Bewusstsein bestimmen den Fortgang der Handlung. Gedreht im fast quadratischen Academy-Format, das die Protagonisten auch bildlich in die beengten sozialen Verhältnisse einschließt, akzentuiert Thierry de Peretti immer wieder ein Wohlstandsgefälle, das die Einheimischen von den fremden Urlaubern (aus Frankreich) trennt. Zwar wirken die Milieus durchlässig, doch tatsächlich werden sie von sprachlichen und kulturellen Unterschieden bestimmt, was besonders an Mentalitäten und Geschlechtsrollenbildern ablesbar ist. Immer wieder markieren Glasscheiben eine unsichtbare Grenze, an der Illusion und Realität aufeinanderprallen. Bis sich am Schluss des Films die Blicke jugendlicher Partygäste, die eigentlich einem auf fremdes Terrain eingedrungenen, aber ausgegrenzten Einheimischen gelten, zugleich auf den Kinozuschauer richten.

Les apaches

Von den Rändern her und zu ihnen hin, dabei in losen Details um ein ausgehöhltes, in Auflösung begriffenes Zentrum gruppiert, bewegt sich das Erzählen in Thierry de Perettis Film „Les apaches“. In seiner flächigen, parataktischen Anordnung und seinem scheinbar absichtslosen, elliptischen Umherschweifen erinnert das Erstlingswerk des korsischen Regisseurs an den Stil der Berliner Schule.
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