Leonera

Eine Filmkritik von Red.

Drastisches Knastdrama um eine junge Mutter

Pablo Traperos Wettbewerbsbeitrag – einer von zwei argentinischen Filmen im Rennen um die Goldene Palme an der Croisette – ist harter Tobak: Die seit kurzem schwangere Studentin Julia (Martina Gusman) erwacht eines Morgens in ihrer Wohnung neben zwei blutüberströmten Männern, der eine – ihr Liebhaber Nahuel – ist tot, der andere schwer verletzt. Die Frau hat keine Ahnung, wie es zu diesem Drama gekommen ist, sie kann sich an nichts mehr erinnern. Was beginnt wie ein klassischer Thriller im Stile des Film noir, wandelt sich dann zu einer realistischen und dementsprechend düster-pessimistischen Studie über das Leben im Knast; die Frage, wer wen ermordet hat – sie spielt fortan keine Rolle mehr. Vielmehr zeigt Trapero, dessen Film Familia Rodante / Argentinisch Reisen breits in den deutschen Kinos zu sehen war das Leben im Knast und vor allem, was es bedeutet, in solch einer Umgebung ein Kind zu gebären und aufzuziehen. Denn Julia ist schwanger, und als sie den kleinen Tomas zur Welt bringt, ist er ein wichtiger Halt für seine Mutter.
Im österreichischen Kurier bezeichnet Veronika Franz den Film als „ersten Höhepunkt“ des (freilich noch recht jungen) Wettbewerbs und als „rührendes Realismuskino“. Andreas Borcholte von Spiegel Online lobt vor allem die junge Hauptdarstellerin: „Mit frappierender Ähnlichkeit zu Angelina Jolie (deren „Durchgeknallt“-Charakter sie teilweise kopiert), spielt sie die chancenlose, zu Unrecht angeklagte Mutter mit stummer Leidensmiene, in der ein ganzes Spektrum widerstreitender Emotionen liegen: Ekel, Hass, Verzweiflung, Furor, aber auch Liebe, Hoffnung — und eine grenzenlose Einsamkeit.“

Daniel Kothenschulte von der Frankfurter Rundschau verweist vor allem auf die nicht aufgelöste Schuldfrage und stellt diesbezüglich fest: „Sie hat in seinem humanistischen Kino nichts verloren, wie ihr auch bei Ari Folman bestenfalls eine Nebenrolle zukommt.“

Christina Nord von der taz findet den Film „stellenweise subtil und nüchtern inszeniert“, stellt aber fest: „Zwischendurch lässt er sich dann doch mitreißen, was angesichts der hohen Emotionalität des Sujets nicht verwundert, den Film aber eine Spur konventioneller macht, als er sein müsste.“

Jay Weissberg von Variety stellt fest, dass sich der Film zu häufig auf vertrautem Gebiete bewege, doch immerhin mache der Stil des Films und Martina Gusmans bemerkenswerte Darstellung das Ganze empfehlenswert. Deborah Young vom Hollywood Reporter findet Filme über Frauen im Gefängnis wenig spannend, doch sie verweist darauf, dass nur wenige Minuten nötig seien um zu zeigen, dass dieser Film doch erheblich von den Standard des Genres abweiche.

Ob und wann der Film auch in den deutschen Kinos zu sehen sein wird, steht bislang noch nicht fest.

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Pablo Traperos Wettbewerbsbeitrag – einer von zwei argentinischen Filmen im Rennen um die Goldene Palme an der Croisette – ist harter Tobak:
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