Leave It on the Floor

Eine Filmkritik von Lida Bach

Wenn Justin anruft...

„Justin´s gonna call.“ Welcher Justin? Der Justin, der einzige Justin, Justin Timberlake. Wie oft bietet sich schon die Gelegenheit, das eigene Musik-Video von einer Adeligen choreografieren zu lassen? Darum wiederholt es Princess, einmal und immer wieder, bis der Beat verklungen ist und alle Umstehenden, die gerade eben noch willkommenes Publikum und Statisten in einem waren, wieder an ihren Plätzen sitzen, als wäre nichts gewesen. Dann klingelt das Handy, aber Justin ist es nicht. Anscheinend hat er die musikalischen Avancen nicht gehört, aber das wird er wohl noch.
Nachdem zuletzt die Remakes von Footloose und Fame dem krankenden Genre des Kino-Musicals mit Neuauflagen von Filmerfolgen zu neuem Erfolg verhelfen sollten, oder, im Falle von Chers Auftritt in Burlesque, ehemalige Filmstars vergeblich ein Comeback zu schaffen versuchten, gelingt dies Sheldon Larry im doppelten Sinne mit tänzerischer Leichtigkeit. Das in Los Angeles spielende Leinwanddebüt des TV-Regisseurs setzt thematisch dort an, wo vor über zwei Jahrzehnten Paris is Burning in der Subkultur von New York aufhörte. Im Zeitalter von AIDS und Homophobie stieß Jennie Livingstons Kult-Dokumentation die Tür zu einer Subkultur auf, die immer noch nicht den verdienten respektierten Platz im öffentlichen Bewusstsein gefunden zu haben scheint. Leave It on the Floor stürzt sich in diese großteils schwarze Ballroom-Szene voller Exzentriker, Außenseiter und schräger Typen.

„We celebrate everyone“, verkündet ein Schriftzug zu Beginn des überbordenden Musicals das Motto des furiosen Wirbels aus Kostümen, Tanzeinlagen und humorvollem Exhibitionismus. Die schillernde Darsteller-Riege aus Newcomern und Underground-Stars versteht es, ihm in jeder Hinsicht gerecht zu werden, ganz ohne Mainstream-Stars, opulente Kulissen und technische Kunststückchen. Als ein hofiertes Mitglied dieses Szene-Adels, das auf regelmäßig abgehaltenen Hofbällen neue Anwärter in seinen vornehmen Kreis wählt, betrachtet sich Princess (Phillip Evelyn). Nicht nur im metaphorischen Sinne, sondern ganz praktisch. Selbstbeschau ist eine ihrer Vorlieben, was jedoch nicht heißt, dass sie keine Augen für anderes hat. Besonders, wenn es so angenehm anzusehen ist wie Brad. Sein Name sei nur einer mehr, den man auf der Verlierer-Liste abhaken könne, glaubt der gutaussehende Hauptcharakter (Ephraim Sykes), der nicht nur die Aufmerksamkeit der Kamera fesselt, sondern auch die von Princess und ihrem Hofstaat.

Über diese Alternativfamilie regiert liebevoll die ebenso imposante wie mütterliche Queen Latina (Miss Barbie-Q), die dem Szene-Neuling trotz drohender Eifersucht zwischen Princess und dem empfindsamen Carter (Andre Myers) zur Seite steht. Nur eine dramaturgische Ironie entgeht dem so geschickt mit Identitätsbildern und Rollenklischees jonglierenden Film und seinem Ensemble. Ungeachtet all der femininen Anreden, Accessoires und Affektionen bleibt die filmische Welt ein Männerkosmos. Die einzige weibliche Figur ist darin die mit Abstand negativste: ein äußerliches und emotionales Gegenstück zu Queen Latina und ihrer Crew, denen es in Selbstinszenierung und Exaltation kaum nachsteht. Die Überbetonung weiblicher Attribute, welche die gesellschaftlichen Außenseiter in Prinzessinnen und Königinnen verwandelt, macht eine gesellschaftlich Normkonforme zur Karikatur.

Die scheinbare Negativdarstellung ist bei näherer Betrachtung jedoch keine des weiblichen, sondern des konservativen Familienideals, dessen destruktive und beschränkende Eigenschaften die Geschichte aufzeigt. Dass Drehbuchautor Glenn Gaylord beim Verfassen des Plots nicht annähernd soviel Witz und Temperament beweist wie bei den Songtexten und Dialogen, ist umso bedauerlicher angesichts des talentierten Ensembles, das schauspielerisch ebenso zu überzeugen vermag wie sängerisch. Dabei sind es besonders die für das beschwingte Genre eher untypisch düsteren Momente, die das dramatische Potential ahnen lassen, dass Leave It on the Floor nicht als erstes Musical ungenutzt lässt.

Sheldon Larry sollte trotz der angesichts des mitreißenden Show-Reigens verzeihlichen Mängel besser sein Handy parat legen. Man kann nie wissen, wer dran sein könnte.

Leave It on the Floor

„Justin´s gonna call.“ Welcher Justin? Der Justin, der einzige Justin, Justin Timberlake. Wie oft bietet sich schon die Gelegenheit, das eigene Musik-Video von einer Adeligen choreografieren zu lassen? Darum wiederholt es Princess, einmal und immer wieder, bis der Beat verklungen ist und alle Umstehenden, die gerade eben noch willkommenes Publikum und Statisten in einem waren, wieder an ihren Plätzen sitzen, als wäre nichts gewesen.
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