Lauf Junge lauf (2014)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Drei Jahre auf der Flucht vor dem Holocaust

Der achtjährige Srulik (Andrzej und Kamil Tkacz) hat Angst im Dunkeln, unter den Bäumen, aber ein kleiner Junge beruhigt ihn: „Der Wald beschützt uns!“ Es ist der Sommer 1942 in Polen. Srulik hat sich nach seiner Flucht aus dem Warschauer Ghetto in den Wäldern einer Gruppe von Kindern mit dem gleichen Schicksal angeschlossen. Bei ihnen lernt er, wie man in der Wildnis überlebt, Feuer macht, ein geklautes Huhn gart. Aber als die Kinder vor Soldaten in alle Richtungen davonrennen, wird er von den anderen getrennt und ist fortan auf sich allein gestellt. Erst im Winter, kurz vor dem Erfrieren, kommt er für eine Weile bei der Bäuerin Magda (Elisabeth Duda) unter. Die gläubige Katholikin rettet nicht nur sein Leben, sondern übt mit dem Jungen auch eine nicht-jüdische Identität ein, die ihm auf seiner Odyssee weitere Türen öffnen soll. So wird er der polnische Waisenjunge Jurek, dessen Eltern einen militärischen Angriff nicht überlebten. Er betet oft, Magdas Kette mit Kreuzanhänger um den Hals.

Jurek springt dem Tod oft nur knapp von der Schippe. Am Schluss des Films steht der 80-jährige Yoram Fridman im Kreis seiner Familie am Meeresstrand in Israel: Es ist die Geschichte seines Lebens, die Pepe Danquarts Drama Lauf Junge lauf erzählt. Der Spielfilm basiert auf dem gleichnamigem Jugendroman von Uri Orlev. So wie Jurek den Rat beherzigt, zur eigenen Sicherheit nie lange an einem Ort zu bleiben, ist auch die Atmosphäre des Films immer im Fluss. Jede Station auf diesem Weg, ob schlimm oder gut, muss überwunden, zurückgelassen werden. Dieser Vorwärtsdrang reiht die unterschiedlichsten Prüfungen, die Jurek besteht, die starken Emotionen, mit denen er allein ist, auf eine gemeinsame Kette. Und er hilft ihm dabei, in all den Wirren die geistige Orientierung nicht zu verlieren.

Die beiden Zwillingsbrüder, die Jurek spielen, drücken seine Gefühle weitgehend ohne Worte aus, bewegend und ohne Übertreibung. Jurek muss immer wieder Menschen vertrauen, sehnt sich sogar danach. Aber wenn er an die Tür eines Bauernhauses klopft, weiß er nie, was ihm blüht. In den drei Jahren seiner Flucht vor den Nazis findet er Leute, die ihm ein warmes Essen geben, im allergrößten Glücksfall sogar Familien, die ihn für länger aufnehmen. Oft aber wird er verjagt, einmal sogar für eine Belohnung an die Gestapo ausgeliefert. Er entwischt deutschen Soldaten, die ihn bis in den Sumpf mit Hunden verfolgen. So mutig und stark Jurek auch ist, über sein Schicksal entscheidet oft die individuelle Gesinnung anderer. Die Episode, in der ihm ein Arm amputiert wird, zeigt das besonders eindringlich am Beispiel zweier Ärzte.

Die Wälder, die Fluss- und Graslandschaften im Wandel der Jahreszeiten bilden ein friedliches Rückzugsgebiet, das in schmerzlichem Gegensatz zur Todesgefahr in den Dörfern steht. Diese traurige Schönheit der Natur spiegelt auch die Gefühlslage des Jungen zwischen Freiheit und Einsamkeit. Die lineare Narration wird manchmal unterbrochen von Rückblenden, erzählerischen Klammern oder von Träumen und Erinnerungen, in denen sich die Stationen von Jureks Leben zu einem wilden Tanz der Bilder und Stimmen vereinen. Als der Krieg dann zu Ende ist, erwartet ihn eine weitere schwere Prüfung. Wer ist er inzwischen für sich selbst, wer will er künftig sein: Jurek oder Srulik? Indem der Film auch hier den schnellen Pinselstrich vermeidet, bleibt er seiner Titelfigur bis zuletzt nahe, lotet mit ihr die ganze emotionale Tiefe dieser unglaublichen, epischen Geschichte aus.
 

Lauf Junge lauf (2014)

Der achtjährige Srulik (Andrzej und Kamil Tkacz) hat Angst im Dunkeln, unter den Bäumen, aber ein kleiner Junge beruhigt ihn: „Der Wald beschützt uns!“ Es ist der Sommer 1942 in Polen. Srulik hat sich nach seiner Flucht aus dem Warschauer Ghetto in den Wäldern einer Gruppe von Kindern mit dem gleichen Schicksal angeschlossen. Bei ihnen lernt er, wie man in der Wildnis überlebt, Feuer macht, ein geklautes Huhn gart.

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