Kalte Karibik

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Posse mit Grimm

Deutschland verfügt über zahlreiche Landschaften mit großer Ausdrucksstärke. Die dunklen Wälder des Harzes, des Sauerlands oder des Schwarzwalds strahlen eine mystische Energie aus, die sich mühelos zum Nutzen faszinierender Geschichten verwenden lässt. Das Rheintal wirkt gleichermaßen romantisch wie kraftvoll-wuchtig und die Nordseeküste mit ihren Inseln entfaltet bei entsprechender Kameraarbeit einen rauen Charme, mit dem sich die Emotionen einer Erzählung spiegeln sowie erweitern lassen. Insofern ist es erfreulich, wenn deutsche Filmemacher auch einmal die Landschaft für sich entdecken, ein Potenzial, das im deutschen Film viel zu selten genutzt wird.
Denn die fiktive Nordseeinsel Meerscheid – gedreht wurde auf Föhr – ist mit ihren schafbeweideten, grünen Deichen, der einsamen Weite zwischen Land und Meer und der karg-herben Natur ein zentraler Teil in der Krimiposse Kalte Karibik. Hier gibt es seit Jahren keine Verbrechen, sodass der Bürgermeister (Helmut Rühl) den Job des Polizisten Ludger (Peter Silbereisen) abschaffen will. Gemeinsam mit seinem Freund Olaf (Frank Brunet) inszeniert Ludger jedoch einen Vandalismusfall, der ihn vor einer Kündigung schützen soll. Doch bei der Aktion löst sich ein Schuss aus Ludgers Dienstwaffe und plötzlich liegt ein Jugendlicher Tod im Gras. Das Opfer gehört zu einer Gruppe von vier Freunden, die unter Führung des herrschsüchtigen Max (Ralph Kretschmar) ihre eigene Entführung fingieren, um ein hohes Lösegeld zu kassieren. Als nach der Explosion einer Yacht auch noch eine zweite Leiche auftaucht, bittet der Bürgermeister den Polizisten Ludger, die Ermittlungen schnell voranzutreiben. Doch wen soll der Ordnungshüter als Täter präsentieren?

Regisseur Wolf Wolff, der auch am Drehbuch mitgearbeitet hat, entwickelt zaghafte Inszenierungsstärken, wenn er die unbebauten Landschaftsflächen für seine Betrachtung der Inselrealität nutzt. Ludger wirkt mit seinem Fahrrad auf dem Deich wie eine verlorene Gestalt ohne Aufgabe. Eine tragische Figur, die etwas bewacht, was gar nicht in Gefahr ist. Während er sich vor Ruhe nicht retten kann, verbreitet der Bürgermeister im Vorbeifahren eine absurde Betriebsamkeit, indem er nur „Keine Zeit, keine Zeit“ ruft. Später wird klar, dass sich der Gemeindechef wie immer zu spät auf den Weg zur Kirche gemacht hat, die eine zentrale Funktion für die örtliche Gesellschaft besitzt. Aus Ödnis, Hektik und der friedlichen Landschaft entwickelt Wolff in solchen Momenten kontrastreich-humorvolle Bestandsaufnahmen einer Gemeinschaft, in der es darum geht, seine jeweilige Rolle möglichst glaubhaft zu verkörpern, auch wenn die Aufgaben nicht so drängend sind. Weil Ludger das nicht hinbekommt, steht er im Abseits. Er stellt seine Tragik mit verzweifeltem Gesicht aus und macht sich angreifbar.

Die Momente, in denen sich Natur und Menschen zu einer einheitlichen, humorvollen Hommage an die Provinz zusammenfügen, sind jedoch zu selten, um den Film auf ein gutes Niveau zu heben. Die Posse um das Dorfleben und die echte Kriminalgeschichte – hier geht es tatsächlich um Mord, Geldgier und Verrat – gehen einfach keine Einheit ein. Wolff gelingt es nicht, aus der fingierten Erpressung mit ihren gewalttätigen Auswüchsen Aspekte herauszuarbeiten, die etwas über das Sozialleben der Insel oder die beteiligten Menschen aussagen. Das wäre angesichts der schlichten Konstruktion mit vorhersehbarer Dynamik in der Jugendlichengruppe aber nötig gewesen. Hier bleibt Wolff in der simplen Zuspitzung stecken, dass der Anführer Max immer mehr durchdreht.

Dabei arbeitet Wolff ohne Not die unglaubwürdigen Aspekte ihres ganzen Verhaltens heraus. Dass sich die jungen Menschen auch nur ansatzweise noch vertragen können, wenn einem von ihnen mit voller Absicht ein Finger abgehackt wird, ist mehr als absonderlich. Wolff stellt solche Dinge in den Fokus, um Humor mit Grimmigkeit zu kreuzen. Er vergisst aber, dass ein Mindestmaß an Nachvollziehbarkeit gegeben sein muss, wenn etwas – wie hier die fingierte Entführung – Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist. Und so scheitert er, weil weite Teile des Films zu banal und zu unplausibel sind.

Kalte Karibik

Deutschland verfügt über zahlreiche Landschaften mit großer Ausdrucksstärke. Die dunklen Wälder des Harzes, des Sauerlands oder des Schwarzwalds strahlen eine mystische Energie aus, die sich mühelos zum Nutzen faszinierender Geschichten verwenden lässt. Das Rheintal wirkt gleichermaßen romantisch wie kraftvoll-wuchtig und die Nordseeküste mit ihren Inseln entfaltet bei entsprechender Kameraarbeit einen rauen Charme, mit dem sich die Emotionen einer Erzählung spiegeln sowie erweitern lassen. Insofern ist es erfreulich, wenn deutsche Filmemacher auch einmal die Landschaft für sich entdecken, ein Potenzial, das im deutschen Film viel zu selten genutzt wird.
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