John Rambo (2008)

Eine Filmkritik von Renatus Töpke

Fortsetzung Nummer vier des blutigen Rachefeldzugs eines Vietnam-Heimkehrers, ist im besten Sinne Autorenkino. Niemand kennt die Ikone des amerikanischen Actionkinos so gut, wie ihr „Gesichtsverleiher“ Sylvester Stallone. Was viele nicht wissen ist, dass Stallone nicht nur ein ziemlicher Muskelprotz mit schiefem Grinsen ist. Stallone schrieb auch immer öfter an den Drehbüchern zu seinen Filmen mit bzw. überarbeitete die vorgelegten Scripte mit der erfolgerprobten Stallone-Formel. Irgendwann kam noch die Regie dazu. Bei John Rambo schrieb und inszenierte Stallone und muss sich dafür keineswegs verstecken. Und wie es bei 1980er und 1990er Megastars wie Schwarzenegger oder Bruce Willis üblich ist (oder war), trägt man eine Marke, ein Gesicht, ein Versprechen zu Markte: Spielt etwa ein Stallone mit, weiß man, was man bekommt. Versucht man was anderes, enttäuscht man das Stammpublikum. So funktionierte für Stallone nie der Schritt ins Komödienfach. Humoristischer Unterton, wie in Demolition Man, wurde zwar akzeptiert, aber bitte im Rahmen! Ironie ist das Zauberwort, nicht Veränderung.

Doch Anfang der 1990er ging dem bierernsten Actionkino der Saft aus: Auch ein Rambo III blieb hinter den Erwartungen zurück. War das knallharte Metzelkino in Rambo 2 (die Schreibweise lautet hier tatsächlich ‚2‘ und wurde für Rambo III in Armeeschreibe vermartialisiert). Doch heutzutage ist Stallone älter geworden, das Botox wirkt nicht mehr so, alle Nervenenden sind ausgefranzt… Comicgewalt funktioniert da nicht mehr. Und sowieso sind die Kinogänger der ganzen digitalen unechten Matrix-Action überdrüssig. Übersättigung macht sich breit. Was liegt da näher, als den Weg weiter zu gehen, den Das Bourne Ultimatum eingeschlagen hat? Physische, reale, schmutzige und brutale Gewalt. Ohne CGI, ohne Renderei, ohne wire stunts… Stirb langsam 4.0 ging den selben Weg. Nun ja, in einigen Szenen. Autos können nun mal keine Hubschrauber vom Himmel holen, Düsenjäger keinen Bruce Willis auffangen – Spaß machts trotzdem. Comicgewalt ick hör dir trapsen.

Und was macht nun Stallone? Er macht das, was keiner erwartet hat, niemand wollte und alle zum Kopfschütteln brachte: Stallone reaktiviert die zwei Ikonen des Kinos, die ihn zur Ikone gemacht haben. Erst Rocky Balboa, dann John Rambo. Diesmal keine 2, keine 3 oder V hinterm Titel. Back to the Roots und doch kein Rückschritt. Die Ikone wird auf sich selbst zurückgeworfen und kämpft ums Überleben. Und während Rocky Balboa zurück ins Rampenlicht drängt, will Rambo, John J. im Grunde nur seine Ruhe. Zig Szenenbilder sprechen förmlich aus, was Rambo mittlerweile ist. Sei es, dass der Hühne, der Koloss, der Tötungsapperat Teil der Natur geworden ist oder lebensmüde, weil er Cobras mit bloßer Hand fängt. Frieden trägt er keinen in sich, wie es noch zu Beginn von Rambo III der Fall war. Eine Grundanspannung liegt in jeder Bewegung, in jedem geknurrten Wort („Scheiss auf die Welt.“). Hier flieht noch immer jemand vor seiner Vergangenheit als Mordmaschine – nur um später zu erkennen, dass er nichts anderes wirklich gut kann – außer töten. Und er wird zeigen, dass er nichts verlernt hat. „Du weißt wer du bist. Töten liegt dir im Blut.“, wird er während seiner Katharsis zu sich selbst sagen.

Die Missionare, die ins Bürgerkrieg erschütterte Birma wollen, um zu helfen, wissen nicht, worauf sie sich einlassen. Rambo weiß es, gibt ihnen immer wieder zu verstehen, dass sie nichts tun können, um das Morden aufzuhalten. Immer wieder „Geht nicht.“, doch sie gehen. Und als Wochen später ein Pfarrer auftaucht, um zu berichten, dass die Missionare seit zehn Tagen überfällig sind, weiß Rambo, dass es an ihm ist, etwas zu tun. „Lebe für nichts oder sterbe für etwas.“ Rambo erklärt sich bereit, einen Söldnertrupp nach Birma zu bringen. Die Arroganz dieser großmäuligen Männer schlägt schnell in Respekt um, als Rambo sein wahres Gesicht zeigt. Der schweigsame Bootsmann packt Pfeil und Bogen aus. Der Hass und die Wut, die Stallone mit seiner ungemein dichten und – zugegeben – meinungsmachenden Inszenierung aufgebaut hat (die „Bösen“ vergewaltigen Kinder und Frauen, schlachten ganze Dörfer ab und jagen Gefangene durch Mienenfelder), entlädt sich in einer regnerischen Nacht, in der die Söldner, angeführt von Rambo, die Hölle auf Erden entfesseln.

Und hier ist dann wieder die physische Gewalt: Rambo reißt einem Vergewaltiger den Kehlkopf mit bloßer Hand aus dem Hals. Hatte man in Rambo III noch dank der comicartigen Gewalt „Spaß“, ist diese Gewalt zugegebenermaßen menschenverachtend, roh und radikal. Und das macht John Rambo zu einem so großartigen Film. John Rambo nimmt sich ernst. Hier wird jemand von seinem Gewissen dazu gezwungen, die zu retten, die nicht auf ihn gehört haben. Immer wieder „Geht nicht.“ Immer wieder „Lasst es sein.“ — Pustekuchen. Die Gutmenschen wollen doch nur helfen. Dann, am Ende, nachdem viele gestorben sind und auch der Pazifist dem Blutrausch erlegen ist, werden sich Blicke treffen. Derer, die gewarnt wurden, und derer, die gewarnt haben… Plötzlich liegt die Wahrheit in der Luft… Man hört es förmlich von Rambos zitternden Lippen perlen. „Hab ich es euch nicht gesagt?“ Und in den Blicken der Überlebenden sehen wir die Antwort. „Warum haben wir nicht gehört?“ Ja, hättet ihr nur… Das wenigstens der Titelheld beim Abspann nach Hause findet, ist ein versöhnlicher Abschluss – wenigstens für ihn.

John Rambo dauert kaum 80 Minuten. Doch diese 80 Minuten sind bloßes, verdichtetes Kriegskino. Und man kann den Kritikern nur recht geben, dass John Rambo menschenverachtend ist, blutrünstig, brutal etc pp. Aber eins sicher nicht, nämlich gewaltgeil oder selbige verherrlichend. John Rambo ist physisches Kriegskino, schmutzig und unbarmherzig. Und melancholisch. Wer es nicht ertragen kann, soll eben nicht hinsehen. Alle anderen erleben einen der besten Kriegsfilme der letzten Jahre. Ein Film wie Rockmusik – grundehrlich.
 

John Rambo (2008)

Fortsetzung Nummer vier des blutigen Rachefeldzugs eines Vietnam-Heimkehrers, ist im besten Sinne Autorenkino. Niemand kennt die Ikone des amerikanischen Actionkinos so gut, wie ihr „Gesichtsverleiher“ Sylvester Stallone.

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