Joe - Die Rache ist sein (2013)

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Hey Joe, where you goin' with that gun in your hand?

Es ist gerade mal ein Jahr her, da inszenierte David Gordon Green schon einmal eine Geschichte im texanischen Wald und zeigte in Prince Avalanche wie Paul Rudd und Emile Hirsch Fahrbahnmarkierungen malten und auf durchaus unterhaltsame Art und Weise ihre Männlichkeit verhandelten. Nun ist David Gordon Green zurück. Joeist jedoch ist weder unterhaltsam noch sonnig, sondern ziemlich düster.

Der Film erzählt die Geschichte eines Mannes, dem es nicht gelingt, den Pfad der Gesetzestreue einzuschlagen. Titelheld Joe (Nicolas Cage) ist — und das wissen wir im Grunde von der ersten Filmminute an — dazu verurteilt, in der Abwärtsspirale aus Gewalt und Gegengewalt immer tiefer zu sinken. Die Vorhersehbarkeit der Ereignisse ergibt sich aus der Tatsache, dass wir Geschichten wie diese schon zigfach auf der Leinwand gesehen haben: Ein Mann ringt damit, ein besseres Leben zu führen, nimmt sich dann aber dem Schicksal einer schwächeren Person an, die zu verteidigen letztlich doch wieder zu neuen Gewalttaten führt. Die schutzbedürftige Person ist in dieser Geschichte der 15-jährige Gary (Tye Sheridan). Sein Vater säuft und misshandelt die Familie, die Schwester spricht schon seit Jahren kein Wort mehr. Joe gibt Gary zunächst nur widerwillig einen Job in seiner Arbeiterkolonne im Wald, doch nach und nach entwickelt er Sympathie für den Jungen und wird schließlich — auch das wenig überraschend — zu einer Vaterfigur.

Basierend auf dem Roman von Larry Brown spielt sich diese Geschichte im texanischen Hinterland ab. Das Milieu ist die weiße Unterschicht, eine im Hollywoodkino sonst eher unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppe. Das Prekariat hat im amerikanischen Mainstream ja gerne einen Migrationshintergrund. Hier jedoch sind es ausschließlich kaukasische Amerikaner, so der politisch korrekte Begriff, die für Unruhe sorgen. Dies ist umso offensichtlicher, als dass es sich bei Joes Arbeitern bis auf den kleinen Gary ausschließlich um Afroamerikaner handelt, die — wenn auch offenbar am Boden der Gesellschaft — arbeitsam, diszipliniert und moralisch integer auftreten, während die „weiße“ Bevölkerung durch Trinker, Prostituierte, Asoziale und Kriminelle vertreten wird. In gewisser Weise hat Joes Arbeit auch eine symbolische Bedeutung: Um Platz für hochwertige Pinien zu schaffen, vergiften er und seine Angestellten „nutzlose“ Bäume. Dabei scheinen eben diese Bäume für die Menschen zu stehen, denen wir im Laufe der Handlung begegnen. Auch sie haben längst keine „Funktion“ mehr für das Gemeinschaftsleben, außer vielleicht jene, sich gegenseitig zu dezimieren.

Greens Inszenierung der texanischen Einöde entwickelt insbesondere durch die Charaktere große Authentizität. Der Slang ist so breit, dass das beste Schulenglisch nicht ausreicht, um den verbalen Ausführungen der Figuren auf der Leinwand zu folgen. Die Menschen sind ungebildet, verschroben und derb, bei all dem aber auf ihre ganz eigene Art und Weise zuweilen auch liebenswert. Nicolas Cage sticht aufgrund seines Bekanntheitsgrades unangenehm hervor und transportiert das Heldenimage der Figur durch seine bloße Anwesenheit. Joe stärker über seine Handlungen zu charakterisieren wäre vielleicht interessanter gewesen, dennoch ist die Hauptfigur die mit Abstand interessanteste. Auch wenn wir niemals an Joes guten Absichten zweifeln, so ist er doch in gewisser Weise unberechenbar. Wir wissen nie, wann er seine Aggressionen kontrollieren können wird und wann sie ausbrechen, was er sich tatenlos mitansehen und wann er einschreiten wird. Mit diesem ambivalenten Helden kann uns David Gordon Green eine Weile fesseln, dann aber fällt die Vorhersehbarkeit der Geschichte doch ins Gewicht und setzt das Interesse der Zuschauer aufs Spiel. Das Drama ist zu absehbar, zu unausweichlich, um uns wirklich zu berühren. Im Grunde warten wir nur auf den Moment, an dem der langsame Abwärtstrend der Geschichte sich in einen unaufhaltsamen Strudel verwandelt. Optimistische Szenen können wir daher kaum als solche begreifen, sondern sehen hierin nur eine Steigerung des nahenden Absturzes.

Anhaltend pessimistisch und von Aggression durchzogen, ist Joe ein schwerer Film geworden, dessen Unterhaltungspotential gegen null geht. Nicht nur weil Momente der Leichtigkeit und Hoffnung fehlen, die wir als Kinopublikum genießen könnten, sondern auch, weil der Held zu direkt auf seinen Untergang zusteuert, um der Geschichte Spannung zu verleihen.

Immerhin wechselt Gary schließlich die Profession und geht vom Töten zum Pflanzen von Bäumen über. Gewalt und Destruktion ist also keine Lösung. Doch so wie die kleinen Pinien auch nur durch den Tod unzähliger „nutzloser“ Bäume wachsen können, so hat auch Garys Neustart Opfer gefordert. Auch das ist eine Art Gewaltspirale, die der Film bedauerlicherweise vollkommen unkommentiert lässt.
 

Joe - Die Rache ist sein (2013)

Es ist gerade mal ein Jahr her, da inszenierte David Gordon Green schon einmal eine Geschichte im texanischen Wald und zeigte in „Prince Avalanche“ wie Paul Rudd und Emile Hirsch Fahrbahnmarkierungen malten und auf durchaus unterhaltsame Art und Weise ihre Männlichkeit verhandelten. Nun ist David Gordon Green zurück. „Joe“ ist jedoch ist weder unterhaltsam noch sonnig, sondern ziemlich düster.

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