Izmena (Betrayal)

Eine Filmkritik von Festivalkritik Venedig 2012 von Beatrice Behn

Sie, er und die Sache mit der Liebe

Der erste Beitrag des komplett neu gestalteten Wettbewerbs in Venedig bot sogleich ein Stück harte Filmkost. Aber so soll es sein, in Venedig wird nicht rumgespielt, hier geht es vor allem um die ernste, große Kinokunst. Und so beginnt das Festival mit Izmena / Betrayal irgendwo in Russland; Ort und Zeit sind unbekannt, ja geradzu irrelevant, denn der Film will allgemeingültig sein.
Geschichten um Liebe und Betrug gibt es viele und fast alle halten sich an einem bestimmten Schicksal bestimmter Menschen fest. Doch Izmena nimmt dem Thema das Individuelle und bietet einen Rohschnitt, in dem sich jeder Zuschauer wieder erkennen soll. „Sie“ (Franziska Petri) trifft „ihn“ (Dejan Lilic) beim Routine Check-up im Krankenhaus. Sie ist Ärztin und hat ihn soeben verkabelt, um seine Herztöne abzuhören, als sie ihm die „frohe Botschaft“ überbringt, dass ihr Mann eine Affäre hat — und zwar mit seiner Frau. Das Ergebnis dieser Enthüllung erscheint fein säuberlich ausgedruckt: einmal auf Papier und einmal im entsetzten Gesicht des Mannes. Eines ist schnell klar: „Sie“ ist nicht nur einsam und betrogen, vielmehr ist „sie“ Fleisch gewordener Schmerz schlechthin, ein Leiden, das so groß ist, dass es in unendliche Kälte umschlägt.

Kirill Serebrennikovs Werk lebt von dieser heiß–kalten Seele, die Franziska Petri meisterhaft interpretiert (es wird schon vom Preis für die beste Schauspielerin gemunkelt und das, obwohl das Festival gerade erst begonnen hat), die im Mittelpunkt des Filmes steht und souverän, ja geradezu meisterhaft unterkühlt durch desen Welt geleitet. Ihre Isolation und Leere spiegelt sich auch in ihrer Umgebung wieder. Es wiederholen sich Bilder, in denen die grazile erdbeerblonde Frau durch riesige, sozialistische Betonbauten huscht, allein und immer ein wenig gehetzt. Ihr gegenüber ist die Welt von „ihm“ recht klein und verhältnismäßig warm. Die Kamera filmt sein Spiegelbild in der blitzblank geputzten Holzzfurniertür seiner Anbauwand. Die kleine Familienidylle scheint perfekt, bis „sie“ diese mit der Wahrheit tötet und ihm ihrer Welt zuführt.

Der erste Teil des Filmes verkleidet sich als leise, durchkalkulierte Hitchcock-Inszenierung- ein klassisches Drama zwischen Betrügern und Betrogenen, zwischen Passion und Rache. Das Innenleben der Protagonisten spiegelt sich nach außen, doch nur in kalkulierbarer, auf Oberflächen fixierter Manier. Doch dann gibt es eine starke und verstörende Zäsur und einen zweiten Teil, die nochmals eindeutig machen, dass Kirill Serebrennikov hier einen Metafilm zu schaffen sucht, der nichts mit der Eindeutigkeit einer Geschichte zu tun haben will.

Der Film bleibt sich bis zum Ende treu und liefert ein starkes und erfrischendes Werk mit exzellenter Ästhetik, wohl überlegten Kamerafahrten und einem überzeugenden Gesamtkonzept, dass sogar die etwas zu lange Inszenierung am Ende nach Hause trägt und den Zuschauer mit einem intensiven Gefühl zurück lässt, in diesem Stellvertreterkino doch einige persönliche Dinge entdeckt zu haben. Vom üblichen Erzählen dieser Art von Geschichten unterscheidet sich Izmena deutlich. Doch der Film ist nicht nur in Abgrenzung zu anderen seiner Art individuell – er steht für sich allein und es darf vermutet werden, dass sowohl das Werk als auch der Regisseur noch weit kommen werden.

(Festivalkritik Venedig 2012 von Beatrice Behn)

Izmena (Betrayal)

Der erste Beitrag des komplett neu gestalteten Wettbewerbs in Venedig bot sogleich ein Stück harte Filmkost. Aber so soll es sein, in Venedig wird nicht rumgespielt, hier geht es vor allem um die ernste, große Kinokunst. Und so beginnt das Festival mit „Izmena“ / „Betrayal“ irgendwo in Russland; Ort und Zeit sind unbekannt, ja geradzu irrelevant, denn der Film will allgemeingültig sein.
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