It Might Get Loud

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Generationenkonflikt mit Gitarre

Nun ja, der Filmtitel hat wirklich das Prädikat Untertreibung verdient. Mit Blick auf den sichtlich in die Jahre gekommenen „elder statesmen“ des gepflegten Gitarrensolos Jimmy Page ist man eventuell sogar geneigt, britisches Understatement als Grund für die augenzwinkernde Dezenz des Titels anzunehmen. Nichtsdestotrotz gibt es hier für Gitarren-Afficinados ein ordentliches Brett auf die Ohren.
Äußerlicher Anlass für den Film war die Begegnung von Jimmy Page (Led Zeppelin), David Howell Evans alias The Edge von U2 und Jack White von The White Stripes, der nebenbei noch bei verschiedenen anderen Bands wie The Raconteurs oder Electric Six mitwirkt. Die drei in Erfahrung, Können und Reputation höchst unterschiedlichen Gitarristen trafen sich zu einer gemeinsamen Session am 23. Januar 2008, die der Regisseur Davis Guggenheim (Eine unbequeme Wahrheit / An Incovenient Truth) durch Einschübe auflockert und mit den Biographien der Musiker verbindet. Dabei geht es um die ersten musikalischen Erfahrungen und um Erweckungserlebnisse, um die Mysterien der Inspiration, um Vorbilder und um eigene musikalische Ziele. Und Material und Anekdoten haben diese drei Musiker und ihre Bands wahrlich zu bieten. Am schönsten aber sind – natürlich – die Momente, in denen die Musik spielt. Wenn Jimmy Page die erste Töne von Whole Lotta Love anspielt, dann spürt man, dass es hier nicht um Konkurrenz geht, sondern um ehrlichen Respekt voreinander. Und um die gemeinsame Liebe zu einem Instrument.

Die Auswahl der drei Musiker erweist sich als echter Glücksfall. Denn es ist nicht nur das Alter, das die drei Gitarristen voneinander unterscheidet, sondern auch ihr Umgang mit dem Instrument, ihre Art zu spielen. Der Senior Jimmy Page ist zweifelsohne der Virtuose, ein Magier, der gerne auch mal im Stile der Siebziger ellenlange Soli aus seiner Gitarre zaubert. Kaum zu glauben, dass das der gleiche Musiker ist, den alte Aufnahmen als zwölfjährigen Skiffle-Interpreten mit recht schlichten Akkorden zeigen. Pages Exkurs in die Vergangenheit führt unter anderem nach Headley Grange, jenem magischen Ort, wo das berühmte Album mit dem schlichten Titel IV entstand.

Auch The Edge ist ein Gitarrist von hohen Gnaden – und doch ein ganz anderer Typ als Page. Während jener sich vor allem auf die eigene Technik verlässt, ist The Edge ein Soundtüftler, der mit einer Vielzahl von Effektgeräten die typischen Sounds von U2 generiert. Selbst aus einfachsten Tonfolgen werden so wahre Klanglandschaften, Soli hingegen kommen in der musikalischen Sprache des Gitarristen von U2 so gut wie gar nicht vor.

Der heimliche Held aber ist der Dandy Jack White (mit bürgerlichem Namen John Anthony Gillis). Die unvergleichliche Mischung aus Blues-Riffs und der Aggressivität des Punk, die sein Spiel auszeichnet, mag zwar nicht die Virtuosität eines Jimmy Page oder die Effektverliebtheit von The Edge aufweisen. Doch gerade in seiner Beschränkung auf das Einfache und das Wesentliche des Gitarrenspiels zeigt sich viel vom rebellischen Geist des Delta-Blues der Zwanziger und Dreißiger und des Punk. Wenn er aus einfachsten Materialien eine rudimentäre Gitarre zusammenbaut oder den minimalistischen Sound von Son House lobt, dann ist das ein Loblied auf das Improvisierte und Rohe des Rock und des Blues, eine Reminiszenz an den DIY-Geist des Punks, der allemal sympathischer ist als die Larmoyanz eines Jimmy Page, der sich an einer Stelle des Films darüber beklagt, die Kritiker hätten Led Zeppelin niemals wirklich verstanden. Und gewürdigt sowieso nicht. Zudem sind es vor allem Pages Statements, die ein ums andere Mal sämtliche Klischees bedienen, die man jemals über Gitarristen hatte. Beispielsweise jenes, dass jede Gitarre wie eine Frau sei, die gestreichelt werden wolle. Ja, schon klar… Am Ende stellt sich auch noch heraus, dass er nicht singen kann. Aber wozu gibt es schließlich Gitarren?

Trotz solcher kleinen Ausrutscher ist It Might Get Loud eine furiose Reise durch die Welt der E-Gitarre und eine sehenswerte Dokumentation über drei ungewöhnliche Musiker. Und für E- und Luftgitarristen ist dieser Film sowieso die allererste Wahl. Let there be Rock!

It Might Get Loud

Nun ja, der Filmtitel hat wirklich das Prädikat Untertreibung verdient. Mit Blick auf den sichtlich in die Jahre gekommenen „elder statesmen“ des gepflegten Gitarrensolos Jimmy Page ist man eventuell sogar geneigt, britisches Understatement als Grund für die augenzwinkernde Dezenz des Titels anzunehmen. Nichtsdestotrotz gibt es hier für Gitarren-Afficinados ein ordentliches Brett auf die Ohren.
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Meinungen

It was loud... · 06.09.2009

Schade, dass der Kritiker Herr Kurz offensichtlich nicht Gitarre spielt, sonst würde er wissen, was Mr. Page mit dem Frauenvergleich meinte. Ein absoluter Klasse-Film, für jeden Musikfan nur zu empfehlen.

igittgitarre! · 02.09.2009

Page ist nicht larmoyant, sondern sagt nur, wie es war: LZ hat nie gute Kritiken oder auch nur ein Minimum an Wohlwollen von den Medien bekommen. Unter Kollegen gibt es allerdings eine faire gegenseitige Achtung! Beispiel nehmen, Journalisten!!!

U2girl · 12.08.2009

also wenn das mal kein geiler Film wird. Kann's nach dem geilen U2-Konzert in Berlin kaum erwarten, dass er endlich in die Kinos kommt ... wenn man nur wüsste, in welche Kinos?
Na egal, ich werd schon eins auftreiben ;-)

PC · 10.07.2009

Dreht die Lautsprecherboxen auf

Mike · 10.07.2009

Freu mich schon auf den Film, White Stripes rocken