Inside WikiLeaks - Die fünfte Gewalt

Eine Filmkritik von Paul Kollmar

Vertraue niemandem!

Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Enthüllungen das Ausmaß staatlicher und geheimdienstlicher Totalüberwachung bekannt werden. Auch wenn WikiLeaks mit den jüngsten Fällen nichts mehr zu tun hat, passt Bill Condons Drama über die Anfänge der Enthüllungsplattform also haargenau in diese Zeit und ist brandaktuell. Vor kurzem erst bewies der Oscar-Preisträger Alex Gibney mit We Steal Secrets: Die Geschichte von WikiLeaks, dass in dem Stoff selbst bei einer dokumentarischen Behandlung ein ungeheures dramatisches Potenzial liegt, dass nun in dem Spielfilm ebenfalls für eine Menge Drive sorgt.
Im Jahre 2007 lernen sich der Hacktivist Daniel Domscheit-Berg (Daniel Brühl) und Julian Assange (Benedict Cumbercatch) bei einem Treffen der Chaos Computer Clubs kennen – es ist der Beginn einer schwierigen Freundschaft. Der Deutsche ist anfangs fasziniert von dem weißhaarigen Australier, bewundert sein Auftreten, sein Charisma, seine Ideen. Gemeinsam bauen die beiden die Enthüllungsplattform WikiLeaks auf, kommen Korruptionsfällen, Kreditschwindeleien und den Hintergründen der Finanzkrise auf die Spur und sehen sich schließlich mit den Videos und Unterlagen Bradley Mannings zum Vorgehen der US-Truppen in Afghanistan und dem Irak konfrontiert – der größten Herausforderung ihrer Organisation, an der die Freundschaft schließlich zerbricht.

Visuell teilweise beeindruckend umgesetzt (besonders dann, wenn die eher technischen Aspekte der Geschichte in Bilder gefasst werden), krankt Inside WikiLeaks — Die fünfte Gewalt ein wenig an der überwiegend chronologischen Umsetzung der Geschichte, die recht konventionell geraten ist. Episode reiht sich an Episode, wird fein säuberlich und mit allen Zutaten eines Agententhrillers aneinander gehängt, abgearbeitet und mit einer (recht unnötigen) Liebesgeschichte aufgepeppt. Das ist alles zwar durchaus ansprechend und in vielen Momenten regelecht atemlos umgesetzt, wirkt aber trotz des enormen Tempos insgesamt zu brav, um wirklich emotional zu bewegen. Zumal wesentliche Aspekte der Geschichte (wie etwa das Schicksal des bedauernswerten Bradley Manning) geradezu sträflich vernachlässigt werden.

In den USA und Großbritannien ist der Film bereits spektakulär gefloppt, was wahrscheinlich auch an der anderen Sichtweise der beiden Staaten auf die Enthüllungen liegt. Dort sind Edward Snowden und andere Whistleblower in erster Linie Verräter, während in Resteuropa und zunehmend auch in Deutschland die Schnüffelei der NSA und der britischen Geheimdienste vermehrt kritisch gesehen wird. Ob sich das allerdings auch an den Kinokassen niederschlägt, steht auf einem anderem Blatt.

„Not amused“ ist übrigens nicht nur das Publikum, sondern auch Julian Assange selbst. Der Australier, der bereits versucht hatte, Alex Gibneys We Steal Secrets zu diskreditieren, ließ in einem Interview verlauten, der Film basiere auf den beiden schlechtesten Büchern, die es zum Thema WikiLeaks gebe (eines davon stammt bezeichnenderweise von Domscheit-Berg selbst). Diese Aussage wirft ein bezeichnendes Licht — vor allem auf Assange selbst, der verzweifelt versucht, Herr der eigenen Geschichte zu bleiben und die Deutungshoheit über WikiLeaks zu behalten. Hinzu kommt, dass Assange in Inside WikiLeaks nicht allzu gut wegkommt – die Sympathien des Films liegen eindeutig auf der Person Daniel Domscheit-Bergs. Julian Assange wird sich damit abfinden müssen, dass der Verlust der Macht am eigenen Ich, an der eigenen Geschichte anscheinend der Preis ist, den man für den Ruhm bezahlen muss.

Inside WikiLeaks - Die fünfte Gewalt

Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Enthüllungen das Ausmaß staatlicher und geheimdienstlicher Totalüberwachung bekannt werden. Auch wenn Wikileaks mit den jüngsten Fällen nichts mehr zu tun hat, passt Bill Condons Drama über die Anfänge der Enthüllungsplattform also haargenau in diese Zeit und ist brandaktuell.
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