Inferno (2016)

Eine Filmkritik von Olga Galicka

Nach allen Regeln der Kunst

Der berühmte Symbologie-Professor Robert Langdon (Tom Hanks) ist wieder da. Diesmal wacht er schon zu Anfang des Films in einem Krankenhaus in Florenz auf, ohne jegliche Erinnerung daran, wie er dort hingekommen ist. Nur wenige Minuten später beginnt die erste Schießerei und Langdons Flucht. So eine Spannungskurve ab der ersten Minute ist gerade nach dem doch recht langatmigen und zähen Vorgänger Sakrileg eine willkommene Überraschung. Man meint, den Geist der guten alten 1980er- und 1990er-Actionthriller zu spüren. Man hat noch nicht richtig verstanden, worum es geht und schon fallen die ersten Schüsse und eine Verfolgungsjagd durch das nächtliche Florenz. So können Actionthriller durchaus Spaß machen. Leider kam es in den vorigen Jahren immer seltener vor, dass ein Actionfilm von Anfang bis Ende die komplette Aufmerksamkeit des Zuschauers beanspruchen konnte. Umso überraschender ist es, dass Ron Howard mit Inferno genau das zu erreichen vermag.

Natürlich gibt auch die Vorlage des gleichnamigen Buches und das daraus resultierende Drehbuch einen wesentlich spannenderen Stoff her als Sakrileg. Kommen dort doch maximal Fans von absolut weit hergeholten Verschwörungstheorien auf ihren Kosten, während die restlichen Zuschauer spätestens, wenn sich Audrey Tautou als ein direkter Nachfahre von Jesus und mit magischen Kräften ausgestattet herausstellt, entnervt die Augen verdrehen müssen. Auch Inferno bietet ein Rätsel, das zwar nicht allzu sehr zum Knobeln einlädt, jedoch einen mit einigem Wissen um Dantes Inferno bereichert. Und um den Plot realistischer zu machen, handelt es sich diesmal nicht um von Dante selbst versteckte Hinweise, sondern um das Werk eines modernen Bösewichts. Es ist ein Rätsel, das vom Milliardär Bertrand Zobrist (Ben Foster) designt wurde, der die Welt vor Überpopulation und den daraus schlimmen ökologischen Folgen bewahren will, indem er eine die Weltbevölkerung dezimierende Plage auslöst. Das von ihm vor seinem Tod hinterlassene Rätsel führt zum gut versteckten Erreger.

Hilfe bekommt Langdon von der Ärztin Sienna Brooks (Felicity Jones), die ihm bei der Flucht aus dem Krankenhaus hilft sowie schließlich von der WHO. Bis zum Ende bleibt unklar, wer nun auf wessen Seite steht und warum Langdon in die Geschichte um den Erreger verstrickt ist. Die mehrfachen Plottwists sind teils so unerwartet, dass es schade wäre, sie an dieser Stelle zu erwähnen. Doch der Film macht Spaß, eine für den Hollywoodfilm in letzter Zeit recht seltene Erfahrung. Die gut getimten und schnellen Schnitte, wunderschöne Aufnahmen von Europas schönsten Landschaften und eine Geschichte, die gerade noch genug Sinn ergibt und Überraschungsmomente hat, machen den Film zu einem wahren Kinoerlebnis. Es lohnt sich, den Film im Kino zu sehen, denn mit bassbeladener Musik und scharf aufgelösten Bildern machen Verfolgungsjagden und malerische Landschaften nun mal am meisten Spaß.

Selbst in Fragen von klischeehaften Frauen- und Männerdarstellungen bleibt der Film unantastbar. Im Vergleich zu vielen seiner Zeitgenossen schafft es Inferno, mit starken und passionierten Charakteren aufzuwarten und zwar auf weiblicher wie männlicher Seite. Bedenkt man, dass sich heute selbst vermeintliche Arthousefilme wie ganz aktuell Piotr Lewandowskis Jonathan oder auch Woody Allens Café Society nicht aus den Fängen von klischeebeladenen Darstellungen befreien können, so ist Infernos Beispiel eine erfreuliche Wendung. Ähnliches war schon bei Star Wars: The Force Awakens mit einer differenzierten Besetzung und einem weiblichen Jedi zu beobachten. Zwar wurde dem Film hinterher vorgeworfen, man hätte sich mehr um Political Correctness als um die Action gekümmert, aber natürlich weiß man als gebildeter Zuschauer, dass das eine das andere nicht ausschließen muss.

Zwar hat der Film auch inhaltliche Schwächen und die eine oder andere Handlungslinie, die ohne weitere Erklärung im Sand verläuft. Doch Inferno gibt einem etwas, das die meisten aktuellen Actionfilme einem leider nicht mehr zu geben vermögen: Eine ordentliche Spannungskurve und ein paar Rätsel, auf deren Lösung man selbst als erfahrener Zuschauer nicht unbedingt gekommen wäre. Auch der Plot um den Ökoterrorismus ist zwar keineswegs neu, schafft es aber, dem Verschwörungspathos um Dan Brown einige Glaubwürdigkeit zu verleihen. Man muss als Zuschauer nicht die Augen über wahnwitzige Wendungen verdrehen, sondern kann die Handlung nicht nur akzeptieren, sondern gar genießen. Eine in den letzten Jahren eher selten gewordene Actionfilmerfahrung.
 

Inferno (2016)

Der berühmte Symbologie-Professor Robert Langdon (Tom Hanks) ist wieder da. Diesmal wacht er schon zu Anfang des Films in einem Krankenhaus in Florenz auf, ohne jegliche Erinnerung daran, wie er dort hingekommen ist. Nur wenige Minuten später beginnt die erste Schießerei und Langdons Flucht. So eine Spannungskurve ab der ersten Minute ist gerade nach dem doch recht langatmigen und zähen Vorgänger „Sakrileg“ eine willkommene Überraschung.

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