Imaginary Heroes

Eine Filmkritik von Gesine Grassel

Eine ganz normale Familie

Passender kann ein klassisches Familiendrama der amerikanischen Neuzeit nicht starten: Matt, erfolgreicher Schwimmstar und langjährige Legende seiner Highschool, nimmt sich das Leben. Per Kopfschuss. Sein Bruder wird den Anblick später als Kraterlandschaft beschreiben. Die Familie droht auseinanderzubrechen. Vater Ben (Jeff Daniels) verknüpfte mehr als bloßen Ehrgeiz mit der Karriere seines Sohnes. Bei der Beerdigung wird deutlich, wie wenig er von seinem jüngeren Sohn Tim (Emile Hirsch) hält. Ben wird lethargisch, wirkt ständig abwesend und taucht irgendwann nicht mehr im Büro auf, obwohl er jeden Morgen ordnungsgemäß das Haus verlässt. Mutter Sandy (Sigourney Weaver) versucht über den Verlust hinwegzukommen, indem sie sich an ihrem Kleinkrieg mit der Nachbarin aufreibt und mit den Drogen ihrer Kinder betäubt. Tochter Penny (Michelle Williams) stürzt sich in Partyexzesse und ist froh, als sie nach den Ferien zurück aufs College und ihrer verrückten Familie entfliehen kann. Beim Abendessen wird wie selbstverständlich für den toten Matt gekocht und aufgetafelt; als Sandy mit Verschwendung und Rückkehr zur Normalität argumentiert, rastet der depressive Ben fast aus. Die Familie lebt weiter, aber komplett aneinander vorbei.

Erst ein Autounfall reißt sie aus der Trance. Nach einer illegalen Party sind Tim und Nachbarssohn Kyle vor der Polizei betrunken ins Auto gesprungen. Gleich das erste Auto kommt ihnen in die Quere und so liegen die beiden wenig später im Krankenhaus. Bei der Untersuchung entdecken die Ärzte Tims mit Blessuren übersäten Körper, die aus einer Zeit vor dem Unfall stammen müssen. Mutter Sandy steht ein großes Fragezeichen ins Gesicht geschrieben und sie versucht die Nähe zu ihrem Sohn wiederherzustellen. Derweil entfremdet sich Ben stetig. Auf einer Weihnachtsparty eskaliert die Situation. Timm hasst seinen Vater, flieht auf eine Party und landet unter Drogeneinfluss mit seinem Kumpel Kyle im Bett, der ihm wenig später die Freundschaft kündigt. Sandy wird verhaftet, als sie Marihuana kaufen will. Ben sitzt tagelang apathisch auf einer Bank an einer Bushaltestelle. Kurzum: Das Chaos ist perfekt.

An dieser Stelle des Films entfalten sie sich vorsichtig, aber stetig die Originalität und Kunst der Geschichte. Auf dem Tiefpunkt angelangt zieht Regisseur Dan Harris die Charaktere seines Debütfilms mit aller Macht zurück an die Oberfläche. Mutter, Vater, Söhne, Tochter – sie alle sind ungemein stereotyp, aber Harris gelingt mit Witz und Charme die Flucht vor Klischees. Der ungeschönte Blick hinter die Fassade einer typisch amerikanischen Mittelstandsfamilie thematisiert viel und weicht einigen Antworten aus, statt sie halbherzig zu erklären. Die Balance zwischen Erwartung und Überraschung gelingt. Alle wollen ausbrechen und verhalten sich genau so, wie man es erwartet. Was den Film umso authentischer macht, denn das Leben besteht nicht nur aus großen Taten und Katastrophen. Gerade die kleinen und alltäglichen Konflikte, die auch das eigene Leben bestimmen, reiben auf. In Imaginary Heroes verpackt der Regisseur die Banalität und Alltäglichkeit in eine visuell starke Bildsprache und lässt das großartige Ensemble der Darsteller echt wirken. Das kommt an, denn es ist ehrlich.
 

Imaginary Heroes

Passender kann ein klassisches Familiendrama der amerikanischen Neuzeit nicht starten: Matt, erfolgreicher Schwimmstar und langjährige Legende seiner Highschool, nimmt sich das Leben. Per Kopfschuss.

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Meinungen

· 15.02.2006

Dieser Film wirkt durch die Geschichte, den Schauspielern, der Musik und den Bildern. Ein Film der auch zum Nach- und Umdenken anregt. Sehr empfehlenswert.