I Am Not a Serial Killer (Mediabook)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Menschliche Monster

Dass es sich lohnen kann, selbst über Jahre an einem Projekt festzuhalten, beweist der Ire Billy O’Brien (Isolation) mit seinem jüngsten Werk. I Am Not a Serial Killer nach dem gleichnamigen Roman des Amerikaners Dan Wells ist eine ganz erstaunliche cineastische Mischung, irgendwo zwischen Coming of Age, Thriller und Monsterfilm.
Regisseur und Drehbuchautor Billy O’Brien kennt die Diskrepanz zwischen künstlerischer Vision und ernüchternder Produktion nur allzu gut. In einem der Interviews des Bonusmaterials spricht er über die Filme, die er im Kopf hat, und über die, die er dann tatsächlich dreht, über die Kompromisse, die er eingeht, um seine Familie zu ernähren, und darüber, dass dabei auch Filme herauskommen können, die der Kritik missfallen. I Am Not a Serial Killer zählt nicht dazu. Zum einen, weil O’Brien über Jahre hinweg recht kompromisslos an seiner Vision festhielt. Zum anderen, weil er aus seinem bescheidenen Budget von knapp einer Million US-Dollar das Optimum herausholt.

O’Brien hat seine Vision größtenteils in Minnesota realisiert. Im Heimatstaat der Coen-Brüder spielen ähnlich wie in deren Fargo (1996) die Landschaft und das Wetter eine tragende Rolle. Wenn der Schüler John Wayne Cleaver (Max Records) auf seinem BMX durch die Straßen radelt, steigt der Dampf aus den Gullydeckeln und kündigt den eisigen Winter an. Das örtliche Kraftwerk rumort beständig im Hintergrund, steht für Johns innere Verfassung ebenso sinnbildlich wie für die kommenden Schrecken. John treibt eine Faszination für den Tod um. Nach der Schule hilft er im familiären Bestattungsunternehmen aus oder schreibt Essays über Serienmörder, die den Rektor (James Gaulke) seiner Schule auf den Plan rufen. Aus Angst, selbst ein Killer zu werden — immerhin fällt es John schwer, die Empfindungen seiner Mitmenschen richtig zu interpretieren, empfindet er doch selbst nichts -, ist er bei einem Psychologen (Karl Geary) in Therapie. Als eine Mordserie das Städtchen erschüttert, hat Max schnell eine Ahnung, wer der Täter sein könnte: sein greiser Nachbar Crowley (Christopher Lloyd).

Wie lange dieser Film von der ersten Idee bis zu seiner Premiere im März 2016 beim South by Southwest Festival im texanischen Austin gebraucht hat, zeigt ein weiterer Blick ins Bonusmaterial. Es enthält auch einen Kurzfilm, den O’Brien 2011 mit dem damals dreizehnjährigen Max Records drehte, um Geldgeber für sein Projekt zu gewinnen. Bereits hier setzte O’Brien auf einen entsättigten, grobkörnigen Look, in dem Elemente wie Neonreklamen oder das kräftige Rosa der Einbalsamierungsflüssigkeit farbliche Akzente setzen. Gepaart mit der frostigen Winterlandschaft und einer Handlung, die das wahre Monster nicht zu früh enthüllt und in der nie ganz klar ist, in welche Richtung der Protagonist als nächstes steuert, vertrömt I Am Not a Serial Killer seinen ganz eigenen, skurril-morbiden Charme.

Die Verzögerung bis zum tatsächlichen Dreh war im Nachhinein vielleicht sogar ein Segen. Max Records‘ Spiel im fortgeschrittenen Alter ist viel variantenreicher als noch in seinen ersten filmischen Gehversuchen von Wo die wilden Kerle wohnen (2009) bis Bad Sitter (2011). Records‘ Leistung ist mitreißend, gelingt es ihm doch, den verunsicherten Teenager ebenso liebenswert wie gruselig zu verkörpern. Und Christopher Lloyd als Max‘ Nachbar darf endlich einmal eine ausgefallene Rolle spielen, die seinen Fähigkeiten gerecht wird, anstatt lediglich die Marotten seines Charakters Doc Brown aus der Zurück-in-die-Zukunft-Trilogie (1985-1990) zu variieren.

Was Billy O’Briens Mischung aus Teenagerdrama, Horror- und Kriminalfilm von anderen Filmen über Serienmörder abhebt, ist letztlich die Menschlichkeit seiner Monster. Max und Crowley sind zwar Außenseiter, aber keine Einzelgänger; vor allem aber sind sie glaubwürdig. Wer mehr über sie erfahren möchte, findet im Mediabook neben einer DVD und einer Blu-ray des Films etwas ungelenk übersetzte Angaben über Schriftsteller Dan Wells, einen sprachlich durchwachsenen Essay, Auszüge aus den Storyboards und eine Leseprobe der Romantrilogie. Angesichts der langen Produktionszeit wird es aber wohl keine weiteren Teile von Billy O’Brien geben.

I Am Not a Serial Killer (Mediabook)

Dass es sich lohnen kann, selbst über Jahre an einem Projekt festzuhalten, beweist der Ire Billy O’Brien („Isolation“) mit seinem jüngsten Werk. „I Am Not a Serial Killer“ nach dem gleichnamigen Roman des Amerikaners Dan Wells ist eine ganz erstaunliche cineastische Mischung, irgendwo zwischen Coming-of-Age, Thriller und Monsterfilm.
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