Hyde Park am Hudson

Eine Filmkritik von Silvia Bahl

Der Präsident hat angerufen

In das Rennen um die alljährliche Award-Phase gehen dieses Jahr gleich zwei amerikanische Präsidenten: Neben Daniel Day-Lewis in Spielbergs Biopic Lincoln gibt Bill Murray eine humorvolle Performance von Franklin D. Roosevelt, auf dessen Sommersitz Hyde Park am Hudson sich allerlei politische wie private Affären ereignen. Notting Hill Regisseur Roger Michell inszeniert gediegenes Hochglanz-Arthouse-Kino mit einer Portion chauvinistischer Frivolität.
Macht macht sexy. Anders kann man sich einige Eskapaden von Staatsmännern, die nicht gerade durch ungeheure Sympathie oder Attraktivität hervorstechen, nicht erklären. Auch der durch Kinderlähmung an den Rollstuhl gefesselte und in die Jahre gekommene Franklin D. Roosevelt übt auf die Damenwelt eine unerhörte Anziehungskraft aus, insbesondere auf seine entfernte Cousine Margaret, genannt Daisy, durch deren Augen wir einen Blick auf die Geschehnisse werfen. Es ist der Sommer 1939 und die Wirtschaftskrise ist in ihren Folgen noch spürbar, der zweite Weltkrieg steht kurz bevor. Die etwas devote Erzählerin, gelungen verkörpert durch die wie immer großartige Laura Linney, lebt mit ihrer pflegebedürftigen Tante zusammen und vom Reichtum früherer Tage ist nicht viel übrig.

Umso strahlender erscheint das Gesuch ihres entfernten Verwandten, ihm auf dem nahe gelegenen Sommersitz Hyde Park am Hudson die Zeit zu vertreiben. Eingeschüchtert von der exquisiten Gesellschaft beobachtet sie das aparte Treiben rund um den frustrierten Roosevelt, der ihr schon bald nicht nur seine Briefmarkensammlung zeigt, sondern sie auf Spazierfahrten ins Kornfeld zu anderen Aktivitäten mitnimmt.

Das heitere Treiben wird von einer ungewöhnlichen Besuchsankündigung unterbrochen: Der britische König George „Bertie“ VI. kündigt zusammen mit seiner Frau Königin Elisabeth den ersten britischen Staatsbesuch auf amerikanischem Boden überhaupt an, um sich für die kommenden militärischen Konflikte abzusichern. Dies führt zu einem amüsanten Zusammenprall der Kulturen, denn die Royals kommen als Bittsteller und müssen sich wohl oder übel mit den merkwürdigen Sitten der Amerikaner und ihren Hot Dogs anfreunden.

Im Grunde verbindet Roger Michell damit zwei sehr unterschiedliche Handlungsstränge, die sich jedoch nicht so recht ineinander fügen wollen und auch seltsam unverbunden verbleiben. Dass der stotternde König komisches Potential hat, ist uns allen seit The King´s Speech klar, darauf verlässt sich der Film und er funktioniert auch in diesen Episoden. Die angewiderten und hilflos versnobten Royals sorgen für gute Unterhaltung und einige komische Seitenhiebe sowohl auf die prüde Aristokratie wie auch die Cowboy-Mentalität der Amerikaner.

So werden wir Zeuge, wie die Geschicke der Welt bei einem nächtlichen Glas Bourbon und der Lästerei über nervige Ehefrauen ausgehandelt werden, was allerdings zum Hauptproblem des Films führt: Ob sich diese Affäre nun so abgespielt haben mag oder nicht, es fällt aus weiblicher Perspektive etwas schwer, diese kindliche Verehrung Daisys für den umtriebigen Präsidenten zu ertragen. Im Laufe des Films stellt sich natürlich heraus, dass sie nicht die einzige Mätresse des Staatsmannes ist, was sie schließlich jedoch in einer Weise akzeptiert, die auch noch als fortschrittlich verkauft wird.

Allerdings ist es dann doch etwas deprimierend zu sehen, wie sich mehrere Frauen einen gefühllosen Krüppel teilen, dem selbst Bill Murray nur begrenzt Charme verleihen kann. So bleibt trotz des gut inszenierten kulturellen Schlagabtausches ein schaler Nachgeschmack beim Verlassen des Kinos zurück, der sich verdächtig wie Altherrenkino anfühlt.

Hyde Park am Hudson

In das Rennen um die alljährliche Award-Phase gehen dieses Jahr gleich zwei amerikanische Präsidenten: Neben Daniel Day-Lewis in Spielbergs Biopic „Lincoln“ gibt Bill Murray eine humorvolle Performance von Franklin D. Roosevelt, auf dessen Sommersitz Hyde Park am Hudson sich allerlei politische wie private Affären ereignen. „Notting Hill“ Regisseur Roger Michell inszeniert gediegenes Hochglanz-Arthouse-Kino mit einer Portion chauvinistischer Frivolität.
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Meinungen

birgit Langbein · 28.02.2013

Liebe Frau Bahl, Ihre Rezension finde ich sehr kurzweilig und gut geschrieben; ich finde allerdings, dass Sie Menschen, die im Rollstuhl sitzen - warum auch immer - nicht so lapidar als Krüppel bezeichnen sollten. Dadurch verliert Ihr Artikel an Gewicht. Treten Sie nicht in die Fußstapfen Per Seinbrücks, - so intelligent er auch sein mag. Es fehlt ihm das Gespür. Dieses nur für Sie als Anregung - nicht zur Veröffentlichung gedacht.
Viele Grüße Birgit Langbein

Kurti · 07.02.2013

Schade, wer eine Komödie erwartet, wird enttäuscht. Nur ein Kostümdrama.