Hüter der Erinnerung - The Giver

Eine Filmkritik von Falk Straub

Der Preis der Freiheit

Lois Lowrys Jugendbuch Hüter der Erinnerung hat schon 21 Jahre auf dem Buckel. Zur Hochphase kindgerechter Dystopien kommt die Verfilmung des Jugendromans nun auf die große Leinwand – mit vergleichsweise geringem Budget.
Auf den ersten Blick ist der Neubeginn vielversprechend. Nach dem Untergang der uns bekannten Zivilisation haben die letzten Überlebenden auf einem Plateau Schutz gefunden. Dort wächst der 16-jährige Jonas (Brenton Thwaites) in einer Gesellschaft auf, die weder Gewalt noch Armut kennt. Ein zweiter Blick offenbart den Preis dafür. In Jonas‘ Welt ist alles nicht nur im übertragenen, sondern im Wortsinn einheitsgrau. Die Menschen kennen keine Farben mehr. Rasse, Geschlecht und Individualität spielen keine Rolle. Konformität ist das neue Ideal. Es gibt weder Kunst noch Musik. Die Sprache ist gesäubert. Ein unfehlbarer Ältestenrat unter Vorsitz einer stets freundlichen, aber resoluten Chefin (Meryl Streep) kontrolliert seine Bürger von der Wiege bis zur Bahre. Eine tägliche Dosis Medizin unterdrückt Emotionen. Jegliche Spuren der Vergangenheit sind beseitigt. Einzig der Hüter der Erinnerung (Jeff Bridges) hat Einblick in die Menschheitsgeschichte. In einer riesigen Bibliothek am Rande des Plateaus verwaltet er das kulturelle Gedächtnis. Dank seiner telepathischen Fähigkeiten kann er vergangene Ereignisse durchleben und diese an andere weitergeben. Als Jonas vom Ältestenrat zum nächsten Hüter bestimmt wird, begehrt er auf und beschließt, seinen Mitmenschen ihre Erinnerungen zurückzugeben.

Seit seinem Erscheinen im Jahr 1993 hat sich Lois Lowrys Roman über zehn Millionen Mal verkauft. Inzwischen steht er in vielen englischsprachigen Ländern im Schulunterricht auf der Lektüreliste. Das weckt Begehrlichkeiten. Jeff Bridges stand bereits in den 1990ern als treibende Kraft hinter dem Projekt. Gern hätte er eine Adaption des Romans mit seinem Vater Lloyd als scheidendem Hüter auf die Leinwand gebracht. Doch die Finanzierung scheiterte und die Filmrechte wechselten, bevor sie schließlich bei der Weinstein Company und Walden Media landeten. Viel Zeit, in der andere Autorinnen wie etwa Suzanne Collins (Die Tribute von Panem) oder Veronica Roth (Die Bestimmung) Lois Lowrys Formel kindgerechter Dystopien nicht nur kopierten, die literarischen Nachfolger wurden dank schneller Adaptionen auch zu filmischen Vorgängern. Hüter der Erinnerung – The Giver muss sich letztlich auch mit diesen messen. Nicht nur angesichts des mit geschätzten 25 Millionen US-Dollar vergleichsweise geringen Budgets ein schwieriges Unterfangen.

Zumindest gelingt es Hüter der Erinnerung, der Konformität einen passablen Look zu verpassen. Ein Detail aus der Vorlage bringt Abwechslung in die Sehgewohnheiten. Die Abwesenheit von Farbe als Sinnbild einer durch und durch gleichen Gesellschaft setzt Kameramann Ross Emery auch im Film in die Tat um. So beginnt die Handlung zunächst in Schwarz-Weiß und wird erst im Verlauf von Jonas‘ Ausbildung bunter. Nachdem Jonas aus der Gemeinschaft geflohen ist, kehrt der Film konsequenterweise zum Schwarz-Weiß zurück.

Dennoch scheitert Hüter der Erinnerung. Das liegt zum einen an den Schauspielern, die allesamt hinter ihrem Potenzial zurückbleiben, zum anderen an der Erzählung. Während Jeff Bridges und Meryl Streep routiniert agieren, fristen die Rollen von Alexander Skarsgård und Katie Holmes als Jonas‘ Eltern ein Dasein am Rande der Belanglosigkeit. Hauptdarsteller Brenton Thwaites sowie Odeya Rush und Cameron Monaghan, die Jonas‘ beste Freunde spielen, liefern für ihre noch jungen Karrieren solide Leistungen, sind allerdings völlig austauschbar. Aus dem Überangebot konformer Teenie-Darsteller stechen sie durch keine Eigenschaft heraus. Charisma? Fehlanzeige. Mit der Wahl des Hauptdarstellers bedient der Film gerade jenen Konformismus, den er kritisiert.

Schwerer wiegt jedoch die unausgewogene Erzählung. Regisseur Phillip Noyce ist bekannt für gelungenes Polit- oder kompromissloses Actionkino. Mit Hüter der Erinnerung gelingt ihm keines von beiden. Die Action im zweiten Teil des Films ist weder sehenswert noch spannend. Die spannenden philosophischen Fragestellungen der Vorlage kommen im Film zu kurz. Schließlich geht es nicht nur darum, welchen Preis eine Gesellschaft für Frieden und Wohlstand zu zahlen bereit ist. Wie in Platons Höhlengleichnis sind die Menschen in Hüter der Erinnerung in einem System gefangen, das sie nicht von außen betrachten können. Da sie nicht wissen, dass sie unterdrückt werden, sind sie damit zufrieden. Verschärft wird diese Konstellation im Gegensatz zu anderen Dystopien dadurch, dass der Ältestenrat zur Kontrolle der Gesellschaft keine Gewalt anwenden muss. Da keiner weiß, was er ohne Emotionen und ohne Erinnerungen aufgibt, begehrt auch keiner auf.

Und so muss die Befreiung in letzter Konsequenz auch deus ex machina erfolgen, indem Jonas ein Portal überschreitet und auf einen Schlag allen Menschen ihre Erinnerungen und Emotionen zurückgibt. Nur mit Argumenten hätte er sie nicht überzeugen können. Eine Hilfskonstruktion, die bereits im Roman nicht überzeugte. Schließlich setzt sich Jonas dadurch mit der Unfehlbarkeit des Ältestenrats gleich. Und genau hier, bei der Frage, ob und wann sich ein Einzelner zum Wohle aller über die Gemeinschaft hinwegsetzen darf, hätte der Film einsetzen können. Stattdessen lässt er das (jugendliche) Publikum damit zurück.

Hüter der Erinnerung - The Giver

Lois Lowrys Jugendbuch „Hüter der Erinnerung“ hat schon 21 Jahre auf dem Buckel. Zur Hochphase kindgerechter Dystopien kommt die Verfilmung des Jugendromans nun auf die große Leinwand – mit vergleichsweise geringem Budget.
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Meinungen

Regina · 11.02.2023

Farblos und öde

Sayli · 07.07.2022

The Movie was ok. Jonas is to old and not that good. The CGI was ok but the movie is old. We dont know what happend in the end, but its in the book to. But i like the actor from the giver, he is the perfect actor for the giver. The book doesnt have a big plot twist. In my opinion is the book 100000 better