Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen (2016)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Aus dem Vergessen treten

Im Jahr 2017 sollte man eigentlich erwarten, dass die klassische Hollywood-Formel für Biopics irgendwie erneuert, gebrochen, unterlaufen wird. Zu Recht wird bei Filmen, die dies nicht tun, immer öfter angemahnt, dass ihre Form, Ästhetik und vor allem ihre Art zu erzählen ein bisschen altbacken wirkt. Doch Hidden Figures — Unerkannte Heldinnen ist da ganz anders. Hier ist eine Geschichte, die so lange darauf warten musste, erzählt zu werden, dass es geradezu ein Verdienst ist, endlich die klassische Hollywoodbehandlung zu erhalten, in der nicht nur die Zeichen der Zeit (ob die von damals oder von heute) mitschwingen, sondern auch eine retroaktive Wiedergutmachung dafür, dass die Geschichte der drei afroamerikanischen Programmiererinnen Katherine Johnson (Taraji P. Henson), Dorothy Vaughn (Octavia Spencer) und Mary Jackson (Janelle Monáe) so lange ignoriert wurde.

Bedenkt man, dass die Geschichte erst im Jahr 2016 durch ein Sachbuch von Margot Lee Shetterley und diesen Film an die Öffentlichkeit geriet, so ist dieser Fakt allein schon eine Aussage über Auswirkungen weißer Geschichtsschreibung in den USA. An dem Weltraumwettrennen der zwei Großmächte Sowjetunion und Vereinigte Staaten von Amerika, so schien es bisher, war nur eine Gruppe von Menschen beteiligt: weiße Männer. Doch im Hintergrund arbeiteten nicht nur viele Frauen als Mathematiker- und Programmiererinnen, die komplexe mathematische Formeln per Hand berechneten, sondern eben auch eine kleine Gruppe Afroamerikanerinnen. Doch diese blieben stets verborgen, nicht nur in der Geschichtsschreibung, sondern auch vor Ort, wo die NASA sie in ein eigenes Haus verwies, das weit ab von allen anderen lag. Die Existenz dieser Frauen wurde so an den Rand gedrängt, dass selbst die Schauspielerinnen, die sie spielten, anfänglich dachten, es handle sich hier um eine Fiktion, nicht um einen Tatsachenbericht. Doch Tatsache ist: Es gab sie – und ohne sie wären die Amerikaner nie auf dem Mond gelandet.

Jeden Morgen fahren Catherine, Dorothy und Mary zusammen in Dorothys altem Auto zur Arbeit. Die drei Frauen sind Freundinnen und helfen sich gemeinsam durch den Alltag eines noch immer segregierten Landes, in dem sie so gut wie keine Rechte haben. Dorothy ist eine brillante Programmiererin und die inoffizielle Gruppenleiterin der afroamerikanischen Programmiererinnen. Offiziell anerkennen möchte man ihre Position nicht, denn dazu müsste man ihr Gehalt aufstocken. Und es scheint, als würden die Jobs aller afroamerikanischen Programmiererinnen eh auf der Kippe stehen, denn der neue IBM-Computer macht sie wohl bald obsolet. Doch nicht mit Dorothy. Irgendjemand muss das Gerät ja bedienen und so stiehlt sie ein Buch, mit dem sie die Computersprache FORTRAN lernen kann, aus der segregierten Bücherei. Freiwillig wollte man es ihr nicht geben, denn es ist nur für Weiße ausleihbar.

Katherine ist die beste Mathematikerin der Gruppe und ein Genie, das jedoch nie die Möglichkeit erhält, sein Wissen unter Beweis zu stellen. Bis sie zähneknirschend von Al Harrison (Kevin Costner) zur seiner ansonsten komplett weißen und männlichen Task Force bestellt wird. Diese ist gerade dabei, den Wettlauf mit den Russen zu verlieren, und muss dringend das Apollo-Programm vorantreiben. Doch es scheitert immer wieder an falschen Berechnungen. Als Katherine nun endlich in die Hauptzentrale darf, muss sie feststellen, dass ihr niemand etwas zutraut, sie von allen abschätzig behandelt, ja sogar mit der Putzfrau verwechselt wird, und es für sie dort keine Infrastruktur gibt. Die Toiletten für „Farbige“ sind zwei Kilometer entfernt, den Kaffeepott der anderen darf sie nicht benutzen, weil sie schwarz ist. Mary Jackson wiederum arbeitet mit dem jüdischen Emigranten Kazimierz Czarnecki an einem Überschalltunnel zusammen. Dieser ermutigt sie, zu versuchen, Ingenieurin zu werden; eine Ausbildung, die ihr aufgrund ihrer Hautfarbe eigentlich verwehrt ist, da sie dazu in eine Abendschule gehen müsste, die keine AfroamerikanerInnen aufnimmt. Und so muss Mary vor Gericht gehen, um die Erlaubnis zu bekommen.

Aber auch in der eigenen Community müssen die Frauen um Anerkennung kämpfen, denn Anfang der 1960er Jahre ist es nicht nur ihre Hautfarbe, sondern auch ihr Geschlecht, das ihnen viele Wege versperrt. So ist Marys Ehemann nicht begeistert davon, dass sie so viel arbeitet. Katherine muss ihre Kinder allein großziehen und als sie bei einem Barbecue einen schmucken Veteranen kennenlernt, der sich auch für sie interessiert, muss sie erleben, wie dieser mit erstauntem Lachen reagiert, als sie ihm sagt, dass sie Mathematikerin ist.

Die Umgebung, in der sich die drei Frauen bewegen, könnte nicht aggressiver und einschränkender sein. Der Film macht sehr schnell klar, wie klein die Marge ist, in der sie sich bewegen können, und wie stark die Restriktionen der Gesellschaft für sie sind. Immer wieder sieht man Katherine ausgeschlossen von den anderen. Türen werden vor ihrer Nase geschlossen, während alle anderen Kollegen diese durchschreiten können. Das Leben dieser Frauen ist ein ständiges, zermalmendes in Wände und gegen Türen laufen.

Hidden Figures — Unerkannte Heldinnen ist ein sehr klarer, geradliniger Film. Er hat keine großen Ambitionen, er will einfach nur seine Geschichte endlich erzählen. Dabei ist der Ton hier von großer Bedeutung. Man hätte diese Geschichte in viel Drama und Gefühlen ersaufen lassen können, doch Dorothys, Katherines und Marys Geschichte ist viel weniger die eines Dramas, sondern die dreier Frauen, die sich trotzdem durchsetzen – mit viel Mut, Gefühl und Intelligenz. Und so ist auch der Film einer, der nie über die enormen Einschränkungen, die Demütigungen, die Gefahren hinwegspielt, sondern sie zeigt, wie sie sind. Aber er überkommt sie mit einem subtilen, warmen Humor, der den Protagonistinnen in jeder Lage ihre Würde und Menschlichkeit bewahrt.

Regisseur Theodore Melfi vermag hier ganz nah an seinen Protagonistinnen zu bleiben und sie weder zu Symbolen zu stilisieren noch als emotionale Klischees zu vereinnahmen. Die Liebe und Vorsicht, mit der ihre Geschichten hier erzählt werden, sind das, was Hidden Figures — Unerkannte Heldinnen zu einem herausragenden Film macht, der hier zufällig zur richtigen Zeit ins Kino kommt: Sein Umgang mit der Vergangenheit, der rassistischen Politik der USA, aber auch seine warme Menschlichkeit und sein Respekt, den er auf alle ProtagonistInnen erstreckt, sind das komplette Gegenbeispiel zum derzeitigen politischen Umgang mit Menschen in den USA. Und so ist seine klassische Form, die auf das amerikanische Kino seit den 1950er Jahren rekurriert, in gewisser Hinsicht ein genialer Schachzug in einer Erinnerungspolitik, die eine Geschichte vom Anfang der 1960er Jahren im Jahr 2017 erzählt – einer Zeit, in der man dringend erinnern muss, welchen Horror die Geschichte schon geschrieben hat, aber auch welche Humanität man schon wieder zu verlieren im Begriff ist.
 

Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen (2016)

Im Jahr 2017 sollte man eigentlich erwarten, dass die klassische Hollywood-Formel für Biopics irgendwie erneuert, gebrochen, unterlaufen wird. Zu Recht wird bei Filmen, die dies nicht tun, immer öfter angemahnt, dass ihre Form, Ästhetik und vor allem ihre Art zu erzählen ein bisschen altbacken wirkt. Doch „Hidden Figures — Unerkannte Heldinnen“ ist da ganz anders.

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Meinungen

wignanek-hp · 30.07.2017

Ich kann diese positive Bewertung nicht teilen. Mich hat der Film teilweise ärgerlich gemacht. Ein Film ist noch lange nicht gut, nur weil er eine Geschichte erzählt, die man lange Jahre ignoriert hat und die nun endlich erzählt wird. Die drei Frauen wirken überaus sympathisch und dass die Heldin ihr Glück noch findet, ist auch ganz schön, aber alles ist so fürchterlich bieder erzählt. Man wusste schon, bevor die Szene kam, dass sie mit der Putzfrau verwechselt wird oder dass sie aus dem gemeinsamen Kaffeebereiter dann nicht mehr trinken darf. Das ist zwar alles wahr, aber es sind auch furchtbare Klischees, die hier benutzt werden. Und dann der heldenhafte Chef, der das Schild, das verhindert, dass schwarze Frauen auf die Toilette für Weiße gehen, eigenhändig herunterhaut. In Wirklichkeit hat er sicherlich einen Handwerker gerufen. Aber das macht sich ja nicht so gut. Insgesamt war mir das ein bisschen zuviel Pathos und ich wurde die ganze Zeit das Gefühl nicht los, dass hier die Geschichte dieser bemerkenswerten Frauen benutzt wurde, um das „heldenhafte“ Bemühen der Amerikaner, den Russen im Weltraum den Rang abzulaufen, zu glorifizieren. Es ist doch bezeichnend, dass der Gang zur Toilette zum Politikum hochstilisiert wird. Da könnte ich auf Anhieb noch ein paar andere Problemfelder nennen, die dem Film gut zu Gesicht gestanden hätten. Irgendwie schien mir die Regie auch lustlos, als sei aus einem vielleicht kritischeren Drehbuch dann doch noch ein harmloser Film gemacht worden, der im Nachhinein keinem weh tut.

Ursula Epstein · 09.02.2017

Hier die Korrektur

Wir waren am Sonntag zu viert im Kino und sind ganz begeistert von dem Film . Wir bekommen einen Einblick überdie furchtbare Apartheid Politik in der USA in den 50-60 Jahren. (Die leider noch nicht überwunden ist) , Aber auch um den Kampf der Frauen in Allgemeinen . Gleichzeitig ist er mit viel Humor und Charme gemacht, so daß es auch ein Film für die Gefühle ist. WUNDERBAR!!

Marguerite Arets · 03.02.2017

Endlich mal wieder ein Film mit Tiefe.
Hoffentlich kommt er bald nach Erding.