Hacker

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Im Kaleidoskop der Datenpiraten

Aus der Ikonographie moderner Spionage- und Actionthriller sind sie kaum mehr wegzudenken. Irgendwo zwischen Robin Hood und „mad scientist“, zwischen Nerd und smartem Cyberflaneur, „Datenterrorist“ und digitalem Widerstandskämpfer angesiedelt, ist mit dem Einzug des Internet in unsere Lebenswelt auch der Hacker ein wichtiger Bestandteil des kinematographischen Figurenrepertoires unserer Tage geworden. Ob in Christopher Nolans Inception oder wesentlich konkreter in der Matrix-Trilogie der Gebrüder Wachowski, ob als Drama, das sich deutlich an eine reale Biographie anlehnt wie Hans Christian Schmids 23 – Nichts ist so wie es scheint oder als klassisches Hollywood-Produkt wie Hackers (Ian Softley, USA 1995) oder Strange Days (Kathryn Bigelow, 1995) – die Datenpiraten haben sich im Kino längst etabliert. Umgekehrt ist es um die realen Vorbilder der zumeist ambivalent gezeichneten Filmhelden erstaunlich ruhig geblieben. In seinem Dokumentarfilm Hacker leistet der Regisseur Alexander Biedermann nun gewissermaßen Pionierarbeit, indem er mittels seiner fünf Protagonisten drei Hacker-Generationen und deren Motive zumindest ansatzweise nachzeichnet. Es ist ein erster Schritt zur Aufarbeitung eines Phänomens und lässt mindestens genauso viele Fragen offen wie beantwortet werden.
Reinhard Schrutzki ist einer der Pioniere der Hackerszene, was dann besonders augenfällig wird, wenn er die vergiblte Tastatur eine Commodore 64 aus der Computersteinzeit aus einem Pappkarton zieht und mit liebevoller Wehmut darüber streichelt. Dabei reichen die Wurzeln des Hacking noch viel weiter zurück als in die Frühzeit des Internet: Die ersten Hacker waren Funkamateure, die ihre Gerätschaften mit technischer Finesse aufpeppten und leistungsfähiger machten. Von all diesen Frühformen und der sich dahinter verbergenden Philosophie weiß Alexander Biedermanns Film erstaunlich wenig zu berichten. Um den Ausführungen von Schrutzki und Steffen Wernéry (einst Sprecher des Chaos Computer Club) und deren Erzählungen aus den Frühzeiten des Internet zu folgen, muss man sich schon in der Geschichte der Entwicklung des WWW gut auskennen und um technologiehistorische Hintergründe wissen.

Während Schrutzki und Wernéry für die Anfänge der deutschen Hackerszene und für eine teilweise durchaus auch politisch geprägte Haltung stehen, verkörpert Marko Rogge einen anderen Typus. Längst hat der frühere Hacker aus seiner Leidenschaft ein einträgliches Business gemacht. Sein Beratungsunternehmen zeigt Konzernen und Firmen deren Sicherheitslecks und berät beim Aufbau einer (weitgehend) sicheren IT- Infrastruktur, der Gründer selbst ist ein viel gefragter Experte und Autor zu Themen rund um das Thema Datensicherheit.

Wiederum ganz anders stellt sich die junge Generation der Hacker dar, die durch Paul Ziegler und Marcell Dietl verkörpert wird. Ersterer ist gerade nach Japan gezogen und lebt dort nach seinem ganz eigenen Rhythmus, seine wesentliche Motivation kleidet der sehr selbstbewusste Abiturient in die simplen Worte „Ich werde es euch zeigen.“ Dietl hingegen, den wir im Auto auf der Suche nach ungesicherten Netzwerken sehen, hat sich mittlerweile wie Marko Rooge darauf verlegt, mit seinen Programmen und Viren vor allem Schwachstellen für Unternehmen aufzudecken und so echte „Malware“ verhindern zu können.

In seinen knapp gehaltenen fünf Porträts von Hackern operiert Alexander Biedermann immer wieder mit visuellen Gegensätzen: Nächtliche Aufnahmen des Straßenverkehrs in einer Metropole, die natürlich an den Datenstrom erinnern, wechseln ab mit mit alten TV-Berichten und einem Besuch bei Steffen Wernéry, der sich ausgerechnet einen echten Bunker als Wirkungsstätte ausgesucht hat. Leider sind nicht alle der Kontraste beabsichtigte Stilmittel, sondern offenbaren bisweilen auch handwerkliche Unsauberkeiten und Mängel. Was besonders deutlich bei einigen Interviews zu sehen ist, wo durch den Schnitt immer wieder deutlich sichtbare Sprünge auftreten. Ein weiterer Schwachpunkt sind die manchmal kaum verständlichen Fragen des Interviewers aus dem Off.

Wenig erfahren wir auch über die persönlichen Hintergründe, vor allem der jungen Hacker, was teilweise vor allem der knappen Zeit geschuldet sein dürfte, die der Film jedem der fünf Protagonisten zumisst. Da sich der Film zwischendurch immer wieder Zeit lässt für Abschweifungen und Metaphern, die die komplexe Welt der Hacker in schlüssige Bilder fassen sollen, deren Sinn sich aber nicht immer erschließt, wäre eine Beschränkung auf maximal drei Protagonisten vermutlich eine bessere Wahl gewesen, um deren Charaktere und Motivationen besser auszuleuchten.

So aber ist Hacker vor allem ein Film für Hacker geworden, die kaleidoskopartige Selbstbespiegelung einer Szene, die man nun allenfalls ein bisschen besser kennt. Aber vielleicht ist es ja gut, dass nicht jedes Geheimnis gelüftet wurde – wie sonst ließe sich die ambivalente Faszination der Datenpiraten aufrecht erhalten, von denen man auch weiterhin im Kino einiges sehen dürfte. Manchmal ist die Fiktion eben doch verführerischer als der nüchterne Blick auf die Realität.

Hacker

Aus der Ikonographie moderner Spionage- und Actionthriller sind sie kaum mehr wegzudenken. Irgendwo zwischen Robin Hood und „mad scientist“, zwischen Nerd und smartem Cyberflaneur, „Datenterrorist“ und digitalem Widerstandskämpfer angesiedelt, ist mit dem Einzug des Internet in unsere Lebenswelt auch der Hacker ein wichtiger Bestandteil des kinematographischen Figurenrepertoires unserer Tage geworden.
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