Greatest Showman (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Menschen, Tiere, Sensationen

Es ist ein Anfang, wie man ihn sich wünscht, für ein Filmmusical: Ein Stimmenchor erklingt aus dem Off, langsam schält sich aus dem Schwarz der Leinwand eine Zuschauertribüne von hinten, man sieht nur die Schatten der Beine, die sich rhythmisch zu der Musik bewegen. Dann kommt ein Mann, der Zampano, der Showmaster, der von The Greatest Show singt und in eine Manege läuft, in der Tiere und Menschen Tricks vorführen, weiterhin im fast martialischen Rhythmus der Musik, unterbrochen von einem melodischen Refrain. Tatsächlich ist alles eine Schau – aber zu diesem Zeitpunkt noch die Fantasie eines Jungen, der vor dem Schaufenster eines Kleidungsladens steht und sich selbst in der Reflexion in einem Anzug sieht. Noch ist P.T. Barnum (als Kind Ellis Rubin; später Hugh Jackman) nur der Sohn eines Schneiders, der vor seiner wohlhabenden Kundschaft katzbuckeln muss. Aber P.T. ist ein Träumer – und damit gewinnt er auch das Herz von Charity (als Kind Skylar Dunn, später Michelle Williams), der Tochter einer wohlhabenden Familie. Obwohl ihre Eltern versuchen, sie von P.T. fernzuhalten, übersteht die Zuneigung die Jahre, die Armut von P.T., Charitys Zeit im Internat – alles zusammengefasst in einer Montage – und schließlich heiraten sie. P.T. versucht als Buchhalter seiner bald entstehenden Familie das Überleben zu sichern, aber erst seine Tochter erinnert ihn wieder an die Träume, die er einst hatte. Und so erschwindelt er sich einen Kredit und beginnt mit den Planungen zu der großartigen Show, von der er als Kind geträumt hat.

Greatest Showman erzählt die Geschichte von P.T. Barnum, der im Jahr 1841 das American Museum in New York übernahm und es zu einem Unterhaltungsspektakel machte – erst versuchte er sich laut Film an bloßen Ausstellungen, aber als die Zuschauer ausblieben, ließ er „Freaks“ auftreten, also Menschen, die aufgrund ihrer Größe, ihres Körperumfangs, ihrer Körperbehaarung oder auch aufgrund ihrer Hautfarbe nicht der Norm entsprachen. Dazu gehörten die berühmten „Attraktionen“: der kleinwüchsige Charles Stratton alias General Tom Thumb, die bärtige Frau Josephine Clofullia, siamesische Zwillinge und der angeblich schwerste Mann der Welt. Dabei übertreibt und schwindelt Barnum, Superlative und Betrügereien sind wesentlicher Teil seines Erfolgs. Dahinter steckt natürlich immer noch der Träumer, aber eben auch ein Mann, der Erfolg um jeden Preis will – wenngleich sich Michael Graceys Film bemüht, diesen Teil der Persönlichkeit in den Hintergrund zu stellen. Allerdings lässt sich auch damit nicht erklären, woher bei manchen seiner „Attraktionen“ die Einschätzung kommt, sie seien „Freaks“. Bei dem Artistengeschwisterpaar Anne (Zendaya) und W.D. Wheeler (Yahya Abdul-Mateen II) lässt sich die „Besonderheit“ noch darauf zurückführen, dass sie schwarz und damit selten auf Bühnen vertreten sind. Außerdem wird die hübsche Anne auch gebraucht, um als love interest von Barnums späterem Partner Philip Carlyle (Zac Efron) zu fungieren. Aber bei anderen Schaustellern drängt sich zunehmend die Vermutung auf, sie sind in erster Linie Tänzer, die für die vielen Tanznummern auch dringend gebraucht werden. Dadurch entsteht bisweilen ein wenigstens schaler Beigeschmack, wenn beispielsweise eine schwarze Tänzerin aufgrund ihrer Glatze schon als „Freak“ gelten soll — und hier wird auch die Gelegenheit vertan, die Rolle zu beleuchten, die die Bedienung von Vorurteilen und Rassismus für Barnum gespielt hat.

Vielmehr ist Greatest Showman vor allem an der Show gelegen. Deshalb wird viel gesungen und getanzt, alle Widersprüche hinsichtlich des Erfolgs des historischen Barnums werden aber ausgespart. Sogar seine vom Film anfangs behauptete Einstellung, dass alle Menschen eine Familie seien, unterläuft der Film-Barnum, als er Erfolge hat und um Anerkennung in der New Yorker Gesellschaft buhlt. Diese Anerkennung wird hier – sehr Familienkino-gemäß – zum Anlass der Entfremdung von seiner Familie, die hier generisch mit den typischen Stationen und vorhersehbaren Entwicklungen abgehandelt wird. Leider wird hier ein sehr interessanter Aspekt weitgehend ignoriert: Barnum und seine Frau entstammen zwei völlig verschiedenen Familien und ökonomischen sowie sozialen Schichten. Jenny Lind (Rebecca Ferguson), eine Sängerin, mit der Barnum auf Tour gehen wird, fasst es einmal zusammen, dass Menschen, die nicht in Armut aufgewachsen sind, niemals den Hunger nach Anerkennung verstehen werden, der tief in einem brennt. Und damit weist sie auf ein oftmals wenig behandeltes Thema im Kino hin: den Einfluss von Klasse auf Entscheidungen, Überzeugungen und Verhalten. Doch einem Film, der den 49-jährigen Hugh Jackman und die 37-jährige Michelle Williams als explizit gleichaltriges Ehepaar besetzt, liegt vielleicht nicht allzu viel an diesen Fragen.

Die verbindenden Handlungselemente sind demnach der schwache Punkt bei Greatest Showman, aber eines macht dieser Film auch: Spaß. Die Musicalnummern schwanken zwischen mitreißendem Bombast und gefühligen Songs und bleiben auf sicheren Pop-Pfaden. Alle Schauspieler_innen können singen und tanzen. Deshalb erfindet dieser Film das Musical alles andere als neu, aber die eingängigen Lieder reißen über weite Strecke des Films mit und setzen sich unweigerlich im Ohr fest.
 

Greatest Showman (2017)

Es ist ein Anfang, wie man ihn sich wünscht, für ein Filmmusical: Ein Stimmenchor erklingt aus dem Off, langsam schält sich aus dem Schwarz der Leinwand eine Zuschauertribüne von hinten, man sieht nur die Schatten der Beine, die sich rhythmisch zu der Musik bewegen. Dann kommt ein Mann, der Zampano, der Showmaster, der von „The Greatest Show“ singt und in eine Manege läuft, in der Tiere und Menschen Tricks vorführen, weiterhin im fast martialischen Rhythmus der Musik, unterbrochen von einem melodischen Refrain.

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