Ghostbusters (2016)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Das Gespenst des Patriarchats

Popkultur ist, wie jede Form von kultureller Produktion, nichts ohne ihren Kontext; nur dass bei ihr womöglich die Bezüge unmittelbarer, auch kurzfristiger sein mögen, stärker auf die Gegenwart bezogen oder wenigstens auf die Themen einer Generation, einer Lebenszeit. Sie ist prägend, auch stilbildend, und Revivals, die Nostalgie zurück in die 80er, 90er und die besten Hits aller Zeiten haben viel mit persönlicher Erinnerung zu tun, mit Kindheits- und Jugenderfahrungen. Und zugleich verankert sie sich in dem, was eben einer bestimmten Zeit innewohnt: Weder Beyoncé noch M.I.A., sogar nicht Taylor Swift sind denkbar ohne die politischen Dimensionen ihrer, unserer Gegenwart – das eine wird zum tragenden Element des anderen.

Und so ist, das ist ein wenig bizarr und ein wenig folgerichtig, Ghostbusters von Paul Feig für jene, die in der hegemonialen Popkultur der Gegenwart zu Hause sind – wesentlich bezogen auf die USA, wesentlich im Netz basiert – für immer mit einer Kette von Ereignissen verbunden, die man sich für ein schlechtes Drehbuch kaum skandalöser, dümmer, peinlicher, kindischer und reaktionärer vorstellen könnte. For the blissfully ignorant sei das noch einmal kurz zusammengefasst: Kaum dass bekannt geworden war, dass Feig den Film Ghostbusters von 1984 mit einer Gruppe von vier Hauptdarstellerinnen drehen würde, brach eine Welle von Beschimpfungen und Hasstiraden über ihn und das Projekt hinein.

Es sei ein Sakrileg, diesen Film neu zu verfilmen und vor allem: ihn mit Frauen neu zu verfilmen. Weinerlich wurde verkündet, der neue Film zerstöre die Kindheit der „Kritiker“. Nur wer noch nie erlebt hat, wie sich der anti-feministische Mob im Netz formieren kann – „Gamergate“ war dafür nur das letzte Beispiel –, wurde davon so richtig überrascht. Und es half übrigens nicht, dass die noch lebenden Hauptdarsteller von Ivan Reitmans Original dem neuen Film nicht nur ihren Segen gaben, sondern zum Teil auch in kleinen Cameos zu sehen sind.

Es gibt nun in Feigs Film eine Szene, in der die Geisterjägerinnen einander Kommentare vorlesen, die unter einem ihrer YouTube-Videos gemacht wurden – und sinngemäß zu der Schlussfolgerung kommen: Mit solchen Kommentatoren solle man sich gar nicht erst beschäftigen; die Szene wurde wohl nachträglich eingefügt, um auf die Kampagne gegen den Film zu reagieren. Diese beruhigte sich jedoch auch zum Filmstart in den USA keineswegs; stattdessen wurde die einzige Schwarze unter den Hauptdarstellerinnen, Leslie Jones, nun auf Twitter auch noch so massiv rassistisch beschimpft, bis sie sich von der Plattform zurückzog. Es ist eben doch nicht so leicht, dieses Ausmaß an Hass im realen Leben zu ignorieren.

Freilich kann Ghostbusters in seiner neuen Form – das ist nun klar, da man auch endlich den Film selbst betrachten und bewerten kann – auch als fröhlicher Frontalangriff gegen den „wütenden weißen Mann“ betrachtet werden, der immerzu der Meinung ist, gerade er sei zu kurz gekommen. Das Leben von Rowan North (Neil Casey) hat nicht den Weg genommen, den er sich vorgestellt hatte, und was liegt da näher als sich an den Lebenden zu rächen, indem er mal eben ein Loch in die Realität reißt und in Kompaniestärke Geister ins New York der Gegenwart entlässt?

Wie es der Zufall will, haben da gerade die Geisterjägerinnen ihre Arbeit aufgenommen. Erin Gilbert (Kirsten Wiig) will ja eigentlich eine Professur für Physik an der renommierten Columbia University antreten, aber gerade als es um ihre Berufung geht, taucht eine Jugendsünde wieder auf: Ein Buch über Geistererscheinungen, das sie zusammen mit ihrer Schulfreundin Abby Yates (Melissa McCarthy) geschrieben hat. Und so wird Gilbert mit Yates und ihrer Technikerin Jillian Holtzmann (Kate McKinnon) in die Geisterjagd hineingezogen – unterstützt schließlich noch von Patty Tolan (Jones), die New York und seine Geschichte kennt wie kaum jemand sonst.

Wiig, McCarthy, McKinnon und Jones sind in den USA alle vier als Komikerinnen bekannt, nicht zuletzt durch ihre Mitwirkung in der Show Saturday Night Live, und auch als Solokünstlerinnen erfolgreich. Wiig und McCarthy haben beide schon mit Paul Feig zusammengearbeitet, gemeinsam in Brautalarm, McCarthy zuletzt in den Komödien Taffe Mädels und Spy — Susan Cooper Undercover. Das ist also ein Team aus lauter Profis, die alle ihre eigenen Momente im Filme bekommen – und das Ensemble dieser vier ist auch die entscheidende Stärke des Films, hier stimmt die Chemie und das Zusammenspiel – nur wird man zugleich das Gefühl nicht ganz los, alle hielten sich ein wenig zurück.

McCarthy ist hier wesentlich weniger präsent und weniger physisch als z.B. in Spy – sie bekommt im Ensemble am wenigsten Raum, ihre Qualitäten auszuspielen. Wiig ist in der Rolle als leicht (auch sexuell) verklemmte Wissenschaftlerin ein wenig zu beschränkt, und Jones’ Rolle gerät leider zu sehr zum jenem Stereotyp der lebensklugen, lauten New Yorker Schwarzen, das man aus schon zu vielen Filmen kennt. Die größten Szenen hat deshalb McKinnon, die ihre Holtzmann als so genial wie leicht wahnsinnig präsentiert – sie bekommt einige der schönsten Actionmomente des Films und gibt Ghostbusters den swagger, den man in der leider etwas unbeholfenen Dramaturgie zuweilen vergeblich sucht.

Denn Paul Feig hat oft viel zu viel Respekt vor Reitmans Ghostbusters; es genügen ihm nicht die freundlichen (und fast zu zahlreichen) Anspielungen auf das Original, er traut sich auch nicht recht, eine ganz neue Erzählstruktur zu etablieren. Dabei ist er – das merkt man in der ersten halben Stunde – immer dann am besten, wenn er sich vom Original gezielt löst und sein ganz eigenes Ding macht. Am Ende, zum Finale hin, will Feig dann zu sehr Actionfilm sein – da ist dann vieles recht beliebig, wie man es auch aus anderen Filmen kennt, da schwimmt die Dramaturgie, da wird der Erzählfluss bemüht und recht egal.

Ein paar schöne Szenen gibt es dann noch mit Chris Hemsworth, der im Film sehr dezidiert die Rolle als eye candy hat – was Schönes zum Anschauen. Sein Kevin ist ein sehr tumber Tor, der bei den Geisterjägerinnen als Sekretär und Rezeptionist angestellt ist, aber schon zu doof ist, einfach nur das Telefon zu bedienen. Gilbert will ihn aber unbedingt dahaben, weil er so schön anzusehen ist… Das funktioniert natürlich als völlig unsubtile Kritik am üblichen Klischee einer sonst weiblichen Figur, die keine wirkliche Funktion für die Handlung hat, sondern nur gut aussehen soll – und das leistet Hemsworth wirklich exzellent.

Man kann es gerne nochmal wiederholen: Die Männer kommen hier nicht allzu gut weg. Dem Bürgermeister (Andy Garcia) ist sein Ruf so wichtig, dass er alle wichtigen Dinge von seiner Sprecherin (Cecily Strong) kommunizieren lässt und selbst fast kaum ein Wort sagt. Und dann ist da eben der Bösewicht North, dem am Schluss die Geisterjägerinnen ihre Laserstrahlen dorthin jagen, wo es Männern besonders wehtut.

Ghostbusters hätte schon ohne die Idioten im Internet ein politisches Statement enthalten. Nun ist dieses gewissermaßen eine Reflexion über Reaktionen, die ihm selbst vorauseilten – aber leider nur in Form einer gerade einmal halbwegs gelungenen Komödie. Leichte Unterhaltung für den Sommer mit politisch-kultureller Halskrause. McCarthy, Wiig, Jones und vor allem McKinnon sind mir aber immer noch hunderttausend Mal sympathischer als die armseligen Figuren, die dafür sorgen, dass der Film den – nach der Hauptfigur aus Mad Max: Fury Road benannten – Furiosa-Test mit wehenden Fahnen besteht: „The movie pissed off manbabies on the internet.“

Ghostbusters (2016)

Popkultur ist, wie jede Form von kultureller Produktion, nichts ohne ihren Kontext; nur dass bei ihr womöglich die Bezüge unmittelbarer, auch kurzfristiger sein mögen, stärker auf die Gegenwart bezogen oder wenigstens auf die Themen einer Generation, einer Lebenszeit. Sie ist prägend, auch stilbildend, und Revivals, die Nostalgie zurück in die 80er, 90er und die besten Hits aller Zeiten haben viel mit persönlicher Erinnerung zu tun, mit Kindheits- und Jugenderfahrungen.

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