Ghost in the Shell (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Wenig Ghost, viel Shell

Mit amerikanischen Remakes bekannter internationaler Titel ist es ja oft eine zweischneidige Sache. Einerseits sind sie Hommage und Anerkennung, andererseits werden hier oft einzigartige Geschichten und Erzählformen auf die Hollywood-Formel heruntergebrochen und systematisiert. Ein Mechanismus, der oft die zuvor bewunderte Einzigartigkeit zerstört. Doch das soll nicht heißen, dass amerikanische Remakes per se schlechter sind. Ihre Andersartigkeit erlaubt interessante Analysen, sowohl des einzelnen Remakes als auch in Abgrenzung zum Original. Und bei Rupert Sanders’ Ghost in the Shell, einem Remake des gleichnamigen japanischen Mangas und Anime-Klassikers ist diese doppelte Betrachtung besonders fruchtbar.

Die neue Version von Masamune Shirows und Mamoru Oshiis Klassiker ist durch und durch eine klassische Hollywood-Studioproduktion geworden. Erzählt wird die Geschichte von Major (Scarlett Johansson), einer jungen Frau, die nach einem schweren Unfall ihren Körper verliert. Nur ihr Hirn hat überlebt und wird nun von der Firma Hanka Robotics und der Wissenschaftlerin Dr. Ouélet (Juliette Binoche) in einen vollständig kybernetischen Körper verpflanzt, der außergewöhnliche Kräfte besitzt. Nach einem Jahr Gewöhnung an ihre neue Hülle wird Major zur Sektion 9 versetzt, einer Sondereinheit, die Cyberkriminalität bekämpft. Dort arbeitet sie unter Chief Daisuke Aramaki (Takeshi Kitano) zusammen mit ihrem Partner Batou (Pilou Asbæk). Dabei muss sich Major gleich mit zwei Problemen herumschlagen. Zum einen gibt es einen neuen Feind, der mehrere Wissenschaftlerinnen von Hanka umgebracht hat, zum anderen muss Major damit klarkommen, dass sie der erste vollständig kybernetische Mensch ist und nur noch ihren Ghost, also ihr Hirn mitsamt ihrem Gefühl von Einzigartigkeit und Seele zur Verfügung hat. Da der Ghost keine Erinnerung an ihr Leben vor dem Unfall hat, ist dies umso schwieriger für sie. Doch die Dinge verkomplizieren sich, als der Hacker, den sie sucht, ihr Informationen zuspielt, die zeigen, dass die Geschichte ihres Unfalls von Hanka Robotics frei erfunden ist.

Rupert Sanders’ Ghost in the Shell zeichnet sich vor allem durch seine visuelle Ästhetik aus, die sehr stark an die des Originals angelehnt ist und auch einige Elemente aus Klassikern wie Blade Runner übernommen hat. Dabei konzentriert er sich vor allem auf die vielen neuen Möglichkeiten, die Cybertechnik für Menschen mit sich bringt. Fast jeder Einwohner seiner großen Hochhausmetropole hat sich verbessern lassen, ist mit Implantaten ausgestattet und hat so übermenschliche Möglichkeiten. Mehr als einmal kommt die Frage auf. Bist du ein Mensch? Oder ein Roboter? Natürlich stellt sich hier vor allem die Frage, wo man denn die Grenze zieht: Ist ein Hirn mit wenigen Erinnerungen noch ein Mensch, wenn der Rest kybernetisch ist?

Sanders geht dieser Frage nur auf der Oberfläche ab und an nach. Vielmehr konzentriert er sich darauf, einen klassischen Thriller in SciFi-Kostüm zu inszenieren. Ihn interessieren vor allem die Detektivarbeit und die Verschwörungen, die Major aufdecken muss, und hier insbesondere ihre vermehrten kybernetischen Möglichkeiten. So kann sie sich in andere Roboter einhacken oder auch dank eines durchsichtigen Anzugs unsichtbar machen. Spätestens hier fällt aber auch die Faszination des Filmes mit verbesserbarer Körperlichkeit stark auf. Johanssons Körper wird kommodifiziert und immer wieder als perfektes (und jederzeit austauschbares) Ideal dargestellt, welches nicht nur ihre neuen Skills zeigen soll, sondern auch die perfekte Nacktheit dieser Frau. Überhaupt ist interessant, wie in diesem Film Männer vor allem taktische oder praktische Verbesserungen installieren lassen und Frauen solche, die sie schöner machen. An dieser Stelle muss auch auf die Whitewashing-Vorwürfe eingegangen werden, die schon vor Veröffentlichung des Filmes immer wieder auftauchten. Im Original ist Major eine japanische Frau namens Motoko Kusanagi. Dieser Fakt wird hier lange ausgespart und Major als Person ohne ethnische Identität dargestellt. Doch am Ende des Filmes wird dies zugunsten der Originalinterpretation aufgelöst. Sowohl Major als auch ihr Gegenspieler (ihr Gegner Kuze wird von Michael Pitt gespielt) werden eindeutig als JapanerInnen identifiziert. Doch trotzdem stecken beide in weißen Kybernetik-Körpern. Es ist definitiv anzunehmen, dass diese Änderung der klassischen Remake-Struktur geschuldet ist, die noch immer besagt, dass vor allem weiße und bekannte SchauspielerInnen das Publikum ins Kino locken. Doch über die Implikation muss dringend gesprochen werden. Ghost in the Shell betreibt hier nicht nur Whitewashing, sondern erklärt auch ausdrücklich, dass die besseren Körper – und damit in gewisser Hinsicht die besseren Menschen – weiß sind. Sie sind die Zukunft, sie sind die neuen Götter.

Noch schwerer wiegen viele Entscheidungen des Remakes allerdings, wenn man es im Zusammenhang mit dem Original betrachtet. Sanders’ Remake ist, das ist ganz eindeutig, hochgradig fasziniert von der Ästhetik und Bildpolitik des Originals und auch die Geschichte hat es ihm angetan. Doch weder dessen Multidimensionalität noch philosophischen Ebenen vermag das Remake annähernd zu durchdringen. Allein der Titel Ghost in the Shell hat schon mehr Facetten als Sanders’ gesamter Film. Die Hülle ist hier nicht nur Synonym für den neuen kybernetischen Körper, sondern deutet auf Verhüllungen, Versteckspiele und auch eine textbasierte Benutzerschnittstelle hin, also dem Knotenpunkt schlechthin, an dem sich Mensch und Maschine, Philosophie und Technik, Individualität und Gemeinschaft immer wieder treffen und neu verorten müssen. Der Ghost ist bei Sanders nichts weiter als das „Ich“-Bewusstsein mitsamt seinen Erinnerungen und Erfahrungen. Über die Bedeutung des Wortes Ghost gibt es im Original ganze Bücher, da dieses Konzept absichtlich offengehalten ist, aber grundsätzlich im fruchtbaren philosophischen Widerstreit mit den Ideen des ontologischen Dualismus, also eben der Idee und des Problems der Zweiteilung von Leib und Seele, steht. Das Remake macht daraus ein paar kurze Momente, die mit dem Leitspruch enden, dass man sich nicht so sehr über seine Erinnerungen definieren soll. Ansonsten wird die gesamte, das Original in jeder Minute durchziehende Basis des Filmes weggewischt. Dazu gehören die tiefen Gespräche mit Batou und auch die Vereinigung von Kusanagi und dem Puppet-Master zu einem neuen Ghost, der aus zwei Entitäten besteht und keinen Körper mehr benötigt. Kuze spielt in Sanders Version eine völlig andere, hochgradig oberflächliche Rolle, die er noch nicht einmal richtig zu erklären vermag – und dass trotz der vielen Rückblenden, die allen Figuren und allen Ambivalenzen am Ende Erklärungen hinzufügen, so dass kein Handlungsstrang und keine Frage offenbleiben. All das, was das Original zu einem der intelligentesten Filme des SciFi-Genres macht, ist im Remake vernichtet, wird zerredet oder gänzlich ignoriert.

Wer das Original kennt, wird in Sanders’ Ghost in the Shell wirklich leiden und wahrlich nur noch Shell und kaum noch Ghost erkennen. Für ZuschauerInnen, die zum ersten Mal mit dieser Geschichte konfrontiert werden, bleibt ein Film, der wunderbare Schauwerte hat und viel Action mitbringt, dessen Geschichte aber hier und da ein wenig eigenartig bleibt und letztendlich doch nur auf Thriller und Actionelemente reduziert wird, die zwar unterhalten, aber vielleicht auch etwas leer zurücklassen. Man merkt der Geschichte nämlich auch dann immer noch an, was sie für ein Potential mit sich bringt.
 

Ghost in the Shell (2017)

Mit amerikanischen Remakes bekannter internationaler Titel ist es ja oft eine zweischneidige Sache. Einerseits sind sie Hommage und Anerkennung, andererseits werden hier oft einzigartige Geschichten und Erzählformen auf die Hollywood-Formel heruntergebrochen und systematisiert. Ein Mechanismus, der oft die zuvor bewunderte Einzigartigkeit zerstört. Doch das soll nicht heißen, dass amerikanische Remakes per se schlechter sind.

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Meinungen

Martin Zopick · 22.01.2023

Wenn man sich durch den Cyber-Schnick-Schnack durchgequält hat, kann sich ein dünner Handlungsstrang herauskristallisieren. Grundlage ist ein Anime (Manga) und da liegen die Schwerpunkte nun mal auf Baller Orgien mit blitzschnellen Stunts. Und die verlaufen nach dem Glättemuster ‘Ratz – Fatz – Bumm‘ Als innerer Zusammenhalt dient ein duales Weltbild: wir und die. Die Helden sind wir und die sind die bösen Mächte, die die Welt mittels eines autoritären Systems lenken.
Die Superheldin ist Major Mira (Scarlett Johansson). Sie ist ein Modell eines Roboters, der ein Bewusstsein hat und aus echten menschlichen Teilen und Cybertechnik besteht.
Wir können den ganzen Film hindurch Scarletts makellosen Körper bekleidet nur durch eine enganliegende zweite Haut bewundern. Sie kämpft mit den Guten wie Pilou Aspaek und Michael-TheDreamers-Pit gegen die gutherzige Forscherin Ouélet (Juliette Binoche), erhält Unterstützung von Daisuke (Ausnahmetalent: Schauspieler und Regisseur von ‘Hana-Bi‘: Takeshi Kitano). Mit der Andeutung ihre leiblichen Eltern gefunden zu haben bekommt der Film sogar noch etwas emotionalen Tiefgang, was ihm gut tut. Die Cyberhülle ist nur eine Behausung für die Seele, (Titel!?) sagt hier einer. Und zu Mira fügt er hinzu ‘Dein Geist gehört dir‘. Und das ist anscheinend etwas Besonderes.
Mit dem Kommentar aus dem Off als philosophische Zugabe verabschiedet sich Mira, um im 2. Teil wieder aufzutauchen. Die Graphic Novel lässt grüßen.