Für immer Adaline

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Hingabe an eine Melancholikerin

Melodramen zehren davon, dass man sich ihnen tränenreich hingibt – genauer gesagt, ihren Damen. Viele Streifen dieses Genres wären schlicht nicht anzuschauen, würden ihnen nicht großartige Frauen die unwiderstehlich anrührende Aura von Schmerz, Verlust und Entbehren geben. Blake Lively gelingt das in der Titelrolle von Für immer Adaline so ausgezeichnet, dass man sie für eine etablierte Diva statt für eine Neuentdeckung halten möchte.
Für ihre Adaline wird zum Alptraum, wonach die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen sich sehnen dürften: nicht zu altern. Sie muss zusehen, wie ihre Tochter Flemming (Ellen Burstyn) zur Greisin wird. Vor allem aber ist ihr ein normales Leben versagt. Ständig ihren Namen ändernd, ist sie immer auf der Flucht. Denn nicht nur Verkehrspolizisten, auch das FBI beginnt sich zu interessieren, wenn man laut Geburtsurkunde im Jahre 2014 stolze 106 Jahre alt sein soll, aber das attraktive Aussehen und die Konstitution einer 29-jährigen besitzt.
1937 baute sie auf einsamer Straße einen schweren Verkehrsunfall, der ein biochemisches Wunder auslöste: Durch eine Schockreaktion ihres Körpers wurde der Alterungsprozess außer Kraft gesetzt. Wenn das von einer älteren Erzählerstimme im Fachjargon erläutert wird, riskiert Für immer Adaline den Absturz ins Lächerliche. Davor bewahrt Blake Lively.

In wirklich bedeutenden Filmen gesehen hat man sie noch nicht. Aber als Adaline ist Blake Lively einfach eine Idealbesetzung. Verschmitzt und scheu, ungläubig und überlegen, unendlich reif und ebenso traurig – mit den Facetten ihres Lächelns allein, umgeben von märchenhaft geschweiftem Haar, drückt sie das Paradox von schwermütiger Entsagung und betörend sinnlicher Existenz ihrer tief melancholischen Figur aus. Sie trägt einen Film, der sein eigentliches Konzept kaum umsetzt.

Was beabsichtigt war, verrät sich an Adalines Lektüre der Novelle Daisy Miller von Henry James. Der angloamerikanische Meister des psychologischen Romans erzählt von Menschen, die zugunsten anderer Verzicht üben. Ähnliches deutet der Film zumindest an. Als Adaline zögernd eine Beziehung zu Ellis (Michiel Huisman) eingeht, erkennt dessen Vater William (Harrison Ford) in ihr die Frau wieder, der er vor vierzig Jahren begegnete und die er nie aufgehört hat zu lieben. Wer wird jetzt sein Glück drangeben – Ellis, William oder wieder Adaline?

Dass sich aus dieser Frage keine Dramatik zum Nägelbeißen ergibt, liegt vielleicht daran, dass der gealterte Harrison Ford zwar nicht mehr richtig auftrumpfen kann, aber auch noch nicht bescheiden geworden ist. Lee Toland Krieger, Regisseur der völlig unterschätzten Entliebungsdramödie Celeste & Jesse, macht mit seiner Inszenierung natürlicher und gleichzeitig erhabener Gefühle das Beste daraus. Um zu zeigen, was der Astronom William für Adaline empfindet, lässt er die Kamera ganz nahe an Harrison Fords Gesicht rücken und im rechten Auge einen Lichtpunkt wie einen Stern an dunklem Himmel entdecken.

Für immer Adaline

Melodramen zehren davon, dass man sich ihnen tränenreich hingibt – genauer gesagt, ihren Damen. Viele Streifen dieses Genres wären schlicht nicht anzuschauen, würden ihnen nicht großartige Frauen die unwiderstehlich anrührende Aura von Schmerz, Verlust und Entbehren geben. Blake Lively gelingt das in der Titelrolle von „Für immer Adaline“ so ausgezeichnet, dass man sie für eine etablierte Diva statt für eine Neuentdeckung halten möchte.
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