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Aus einer finanziellen Notlage heraus mutiert ein Schweizer Biedermann zum Kopf einer Bande von Flitzern und sorgt damit in den Fußballstadien des Landes für Furore. Doch die Polizei ist ihm dicht auf den Fersen …

Flitzer

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Kleider machen Leute. Keine Kleider auch.

Spätestens mit Der Sommersandtraum hat Peter Luisi beweisen, dass der Schweizer Humor viel besser ist als sein Ruf. Mit seinem neuen Film Flitzer legt der Filmemacher nun noch einmal nach und zeigt aufs Vergnüglichste, dass dies keine Eintagsfliege war.
Im Mittelpunkt der neuen Komödie steht der wackere verwitwete Lehrer Baltasar Näf, genannt „Balz“ (gespielt von dem Kabarettisten Beat Schlatter, der auch am Drehbuch mitwirkte), dessen eindringlichster Wunsch es ist, den Traum seiner verstorbenen Frau von einem Museum für den Schweizer Dichter Gottfried Keller (Autor von Kleider machen Leute) zur Vollendung zu bringen. Eigentlich sieht es für dieses Vorhaben gar nicht so schlecht aus, doch das von seinem Schulleiter (Dominic Deville) versprochene Fördergeld erhält dann doch der Kollege für einen Sportplatz mit FIFA-zertifiziertem (Kunst)Rasen. Aus der Traum – oder etwa doch nicht? Denn schließlich gibt es ja noch den Friseur Kushtrim (Bendrit Bajra), der neben der Haarschneidekunst noch dem illegalen Wettgeschäft frönt. Und vielleicht, so die Idee, kann Näf es ja mit einem wagemutigen Einsatz erreichen, dass doch noch beide schulischen Projekte – der Sportplatz und das Dichter-Museum – realisiert werden können. Also setzt er das gesamte, für den Sportplatz der Schule vorgesehene Geld – insgesamt 741.000 Franken – auf ein Fußballspiel und verliert prompt. Womit sich der ganze Schlamassel also noch multipliziert hat.

Doch dann bringt ausgerechnet der Flitzer, der den Wettgewinn vermasselte, den Friseur und den verzweifelten Lehrer auf die rettende Idee: Statt auf Sieg oder Niederlage bieten die beiden künftig Wetten darauf an, ob (und wie lange) es einem Nackedei gelingt, auf den Rasen diverser Fußballstadien zu gelangen. Und um dem Glück ein wenig nachzuhelfen, errichtet Näf in einer Scheune alsbald ein Trainingslager für Flitzer und solche, die es werden wollen. Tatsächlich bringen es die Herren und Damen zu einiger Berühmtheit, was schließlich die Polizei und einen Undercover-Ermittler auf den Plan ruft …

Schweizer Biederkeit und der grassierende Fußball-Wahn mit seinem Hang zum immer spektakuläreren Event (woran ja ein anderer Schweizer namens Sepp Blatter nicht ganz unschuldig ist) bilden den Hintergrund zu einer Komödie, die genussvoll mit Klischees hantiert und diese lustvoll und mit viel Freude an Übertreibung zuspitzt und ins Absurde treibt. Dass ausgerechnet der bieder-brave Lehrer Näf, der anfangs noch die eigene, von ihrem peinlichen Vater sichtlich genervte Tochter zu mehr Züchtigkeit bei der Kleiderwahl ermahnt, später zum Chef einer Truppe mehr oder weniger professioneller Nackedeis wird, entspringt nicht allein einer herrlich absurden Phantasie der Drehbuchautoren, sondern kann zugleich durchaus als Paraphrase zu Gottfried Kellers berühmter Novelle um den Schneidergesellen Wenzel Strapinski gelesen werden – nur dass hier anders als im literarischen Vorbild erst das Ablegen der bürgerlichen Bekleidung und das Ausweichen in die fröhliche Anarchie die vorher verwehrte Anerkennung bringt. Und dass später ausgerechnet der eingeschleuste Undercover-Polizist den Namen des Helden aus Kellers Geschichte trägt, ist ein weiteres Indiz für die liebevolle Detailversessenheit, mit der Luisi und Schlatter hier zu Werke gehen.

Zwar ist nicht jede ihrer zahlreichen Drehbuchwendungen durchgehend überzeugend, allerdings geraten selbst noch so überzogene Twists niemals zum Selbstzweck, sondern stehen stets im Dienste der Dramaturgie, die ihren (Anti)Helden so immer weiter unter Druck setzt, bis der in seiner Not jegliche Zurückhaltung aufgibt und zu einer Art moderner Robin Hood der Dichtkunst Kellers mutiert. Dank des engagierten Spiels der Darsteller (vor allem die Truppe der Flitzer bildet hierbei ein Ensemble, wie man es sonst nur in den besten britischen Komödien findet) verzeiht man dem Film gerne jede, ohnehin nur kleinere Schwäche und ergötzt sich an dem hohen Tempo sowie dem Spielwitz, die aus einem kleinen Verlierer einen ganz großen Gewinner werden lassen.

Flitzer

Spätestens mit „Der Sommersandtraum“ hat Peter Luisi beweisen, dass der Schweizer Humor viel besser ist als sein Ruf. Mit seinem neuen Film „Flitzer“ legt der Filmemacher nun noch einmal nach und zeigt aufs Vergnüglichste, dass dies keine Eintagsfliege war.
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