Fliegende Fische müssen ins Meer

Eine Filmkritik von Stefan Otto

Mutter braucht einen Mann

Roberta hat einen Job und viele Männerbekanntschaften. Drei Kinder im Alter von fünf, neun und fünfzehn Jahren hat sie aber auch. Von drei verschiedenen Männern, wie man sich bei ihr vielleicht denken kann. Nana, Robertas Älteste, meint: „Roberta Meiringer ist die Arschkarte unter den Müttern und ich habe sie gezogen.“
Einigermaßen unkonventionell ist Roberta schon. Zu sehr spricht sie dem Alkohol zu und die Männer an. Nachdem sie eines Nachts nur in eine Decke gehüllt und mit Hilfe der Polizei gerade noch so nach Hause gefunden hat, droht ihr das Jugendamt mit dem Entzug des Sorgerechts für die Kinder. Roberta, die sich bis dato von keinem Amt vorschreiben lassen wollte, wie sie zu leben hat, gelobt Besserung und dass sie sich den Männern fortan fernhalten will. Ihre Töchter aber ahnen, dass sie das nicht lange durchhalten wird. Und so folgern sie: Mutter braucht einen Mann. Und zwar einen, der bleibt. Bevor sie wieder irgendeinen Idioten ab- und anschleppt, wollen sich die Mädchen selbst nach einem guten Gatten für ihre Mutter und einem geeigneten Ersatzvater umsehen. „Wenn es unter tausend Männern den richtigen gibt, dann finden wir den“, lautet ihre Parole.

Doch das Schweizer Dorf, in dem die Meiringers leben, ist klein und die Auswahl an Kandidaten entsprechend überschaubar. Der Frauenchor „Bachforellen“, in dem Roberta nun zu singen beginnt, ist schon so eine Art Selbsthilfegruppe für alleinstehende Damen oder solche, die gerne wieder ledig wären. „Wir wären alle nicht hier, wenn Johnny Depp zuhause auf dem Sofa warten würde“, erklärt eine von ihnen.

Dann begegnet Nana (Elisa Schlott), die die ganze Geschichte altklug-witzig erzählt und die Bilder pointenreich aus dem Off kommentiert, dem so schönen wie charmanten Eduardo (Barnaby Metschurat in einer Sascha-Hehn-Rolle), einem Arzt, der sich neu im Ort niedergelassen hat. Fürwahr, ein Halbgott in Weiß. Er macht ihr Mut, er nimmt sie ernst, nimmt sich ihrer an. Es kommt, wie es kommen muss, sie verliebt sich in ihn. Nun ist es Roberta (Meret Becker, so frisch und echt, dass man den Eindruck bekommt, sie spielt gar nicht), die ahnt, dass diese Liebe ein unglückliches Ende nehmen wird.

Fliegende Fische, eine deutsch-schweizerische Coproduktion und der zweite Film von Güzin Kar, steht in der Nachfolge des verspielten französischen Kinos à la Die wunderbare Welt der Amélie. Die Story von Kar selbst knüpft an die alte, leichte und leicht seichte Vater braucht eine Frau-Tradition an, die aber durch einige Skurrilitäten verfeinert und modernisiert wurde. Wie Kars Buch sind auch die Bildgestaltung, die Ausstattung und die Kostüme liebevoll gemacht, zugleich aber immer auf Ausgefallenheit und Überspitzung bedacht. Filmischer Neo-Jugendstil, sozusagen. Aber der heitere und unterhaltsame Film Fliegende Fische lebt auch von dem Widerspruch zwischen den natürlich agierenden Schauspielern und der Künstlichkeit ihrer Umgebung — eine Mischung, die in diesem Falle bestens funktioniert.

Beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2011 wurde Fliegende Fische (noch unter dem ursprünglichen Titel Fliegende Fische müssen ins Meer) mit dem Preis des Saarländischen Ministerpräsideneten ausgezeichnet. Den erhielt übrigens exakt zehn Jahre zuvor ein Film, der beinahe den gleichen Titel trägt — Almut Gettos Fickende Fische. Es scheint, als sei Saarbrücken ein gutes Pflaster für Meereswesen und ozeanische Gefühle.

Fliegende Fische müssen ins Meer

Roberta hat einen Job und viele Männerbekanntschaften. Drei Kinder im Alter von fünf, neun und fünfzehn Jahren hat sie aber auch. Von drei verschiedenen Männern, wie man sich bei ihr vielleicht denken kann. Nana, Robertas Älteste, meint: „Roberta Meiringer ist die Arschkarte unter den Müttern und ich habe sie gezogen.“
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