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Leinwanddiva trifft Nachwuchsschauspieler und sie verlieben sich ineinander – ein perfekter Ausgangspunkt für eine Geschichte über die Liebe, das Sterben und den Film, die noch dazu auf wahren Ereignissen basiert. Doch nutzt „Film Stars Don’t Die in Liverpool“ sein Potential?

Film Stars Don't Die in Liverpool

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Das Ende eines Hollywood-Stars

Fast liebevoll umkreist die Kamera den Körper der Schauspielerin Gloria Grahame (Annette Bening), die sich für ihren Auftritt in einem Theater vorbereitet. Ihre kleinen Rituale sind zu sehen; das sorgfältige Ausbreiten wichtiger Gegenstände, der routiniert-konzentrierte Ablauf des Schminkens und Frisierens, das Eingießen eines Glases Milch, das bewusste Anzünden einer Zigarette werden eingefasst von der Kamera, die fasziniert wie wohlwollend beobachtet. Fast so, als würde sie versuchen, die Aura dieser Frau zu fassen. Doch dann kippt Gloria Grahame um – und liegt da, in ihrer Garderobe.

Gloria Grahame, so wird schnell deutlich, ist sehr krank – und weitaus kränker als sie gegenüber anderen zugeben wird. Vom Krankenhaus aus wird Peter Turner (Jamie Bell) angerufen, ein junger Mann, mit dem sie einst eine Affäre hatte. In dem Haus seiner Eltern in Liverpool möchte sie sich erholen, also holt er sie ab. Aber wie der Filmtitel verrät: Filmstars Don’t Die in Liverpool – und daher widmet sich Paul McGuigan in seinem Film zunächst dem Verhältnis von Gloria und Peter.

Basierend auf der wahren Beziehung von Gloria Grahame und Peter Turner, von der letzterer in seinem gleichnamigen Buch geschildert hat, erzählt der Film nun ihre Liebesgeschichte, die zunächst durch den Altersunterschied markiert ist: Sie hat 1953 einen Oscar gewonnen, er wurde 1952 in eine englische Arbeiterfamilie hineingeboren. Mit Gloria und Peter treffen 1979 in Liverpool zwei Welten, ja, zwei Zeiten aufeinander, die sich sehr voneinander angezogen fühlen. Beständig wechselt der Film die Zeitebenen zwischen den vergangenen Momenten des Glücks und der Gegenwart der Krankheit. Diese Übergänge sind fließend gestaltet und schaffen interessante Verbindungen zwischen dem Damals und Jetzt – und nicht zuletzt helfen Erinnerungen ein wenig wie Filme dabei, der Gegenwart für einen Moment zu entfliehen.

Gloria wird dabei zur Verkörperung dieser Sehnsucht nach Flucht und auch Glamour. Film Stars Don’t Die in Liverpool spielt in einer Zeit, in der Filmstars noch nicht einer medialen Dauerbeschau ausgesetzt und damit allgegenwärtig waren. Sie zu sehen oder gar kennenzulernen, ist ein Ereignis – insbesondere für ältere Menschen in Peters Umfeld, die Filme mit ihr wie Ein einsamer Ort oder Stadt der Illusionen noch im Kino gesehen haben. Gloria Grahame war damals ein Star – und wurde beständig verehrt.

Dieser Verehrung vermag der Film aber nur wenig hinzuzufügen. Dazu trägt schon bei, dass er stilistisch weitaus näher an den 1950er Jahren – Gloria Grahames Blütezeit – als der Gegenwart ist. Sicherlich könnte sich hierin auch eine Sehnsucht manifestieren, jedoch ist dafür zu wenig über Gloria Grahame zu erfahren. Der Film interessiert sich letztlich weitaus weniger dafür, wer Gloria Grahame war als für ihr Sterben. Er dringt nicht tiefer in sie ein, sondern belässt es dabei, dass sie einst eine Femme fatale war, die in Schwarz-Weiß-Filmen über die Leinwände flimmert. Das ist schade, denn Annette Bening legt sie sehr eigen aus; sie ahmt das historische Vorbild nicht nach, sondern tritt verspielter, weniger verführerisch auf. Damit erschafft sie die Interpretation einer Frau, der man ansieht, dass sie weiß, was die Menschen von ihr erwarten – der man aber auch abnimmt, dass sie immer noch die Julia in Shakespeares Stück spielen will.

Hinzu kommt der Gegensatz zwischen dem vergangenen Ruhm und der recht gewöhnlichen Gegenwart: Ja, sie war ein Star, eine Leinwanddiva, eine der besten Schauspielerinnen der 1950er Jahre. Aber nun spielt sie an kleinen Theatern und führt ein recht bescheidenes Leben. Dennoch spiegelt sich in jeder Bewegung, jeder Mimik ein Teil des vergangenen Ruhms, der geheimnisvollen Star-Aura wider. Damit bietet sie die perfekte Ausgangssituation, aber letztlich erzählt der Film vielmehr von Peter Turner und seiner Entwicklung. Von Jamie Bell gut gespielt, entsteht jedoch zu selten eine flirrende Chemie zwischen den Hauptfiguren, so dass hier die große Liebe oftmals mehr behauptet denn gefühlt wird.

Daher ahnt man in diesem Film beständig, was er eigentlich sein und erzählen möchte. Doch letztlich verlässt er sich dabei zu sehr auf die zugrundeliegende wundervolle und wahre Geschichte, ohne sie filmisch weiterzuentwickeln. Daher ist Film Stars Don’t Die in Liverpool ein Film über die letzten Tage eines Filmstars, der zwar die Sehnsucht und den Eskapismus von Filmen bedienen will, aber letztlich zu wenig über Filme von damals oder heute aussagt. Deshalb bleibt am Ende vor allem der Wunsch, mehr über Gloria Grahame zu erfahren – und die Erkenntnis, dass Filmstars tatsächlich nicht in Liverpool sterben.

Film Stars Don't Die in Liverpool

Ein echter Hollywood-Star findet normalerweise kaum je den Weg in die nordenglische Industriemetropole Liverpool. Und auch im Falle der Filmdiva Gloria Grahame ist es nur eine Erkrankung, die sie zu einem längeren Aufenthalt in der grauen Stadt zwingt. Was für ein Glück, dass die Familie von Peter Turner Gloria bei sich aufnimmt. Und dann entwickelt sich zwischen dem jungen Mann und der alternden Schauspielerin eine leidenschaftliche Liebesgeschichte jenseits aller Wahrscheinlichkeit.

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