Excision

Eine Filmkritik von Björn Helbig

"Wir meinen es doch nur gut mit dir..."

„Du wirst es mir später danken“ dürften so ziemlich alle Eltern dieser Welt schon einmal gesagt oder zumindest gedacht haben, wenn sie – meist in bester Absicht – etwas gegen den Willen ihrer Sprösslinge getan haben. Davon kann auch Außenseiterin Pauline (AnnaLynne McCord) ein Lied singen. Weder von ihrer dominanten Mutter Phyllis (Traci Lords) noch ihrem lethargischen Vater Bob (Roger Bart) erhält sie Unterstützung was ihren Wunsch betrifft, Medizin zu studieren. Im Gegenteil: ständig nörgelt ihre Mutter an ihr herum, schickt sie zu Benimmseminaren oder in die Kirche zu Pastor William (John Waters) zum Zwangsbeichten. Und sie macht immer wieder deutlich, dass ihr die jüngere Tochter, die lungenkranke Grace (Ariel Winter), eigentlich das liebere Kind ist. Und wenn man ehrlich ist – ein bisschen kann man Paulines Eltern, ihre Lehrer und Mitschüler verstehen. Denn das Mädchen gibt sich nicht besonders viel Mühe zu gefallen. Und wenn ihre Mitmenschen wüssten, was in Pauline vorgeht, dann würden sie sicherlich einen noch größeren Bogen um sie machen.
Der Zuschauer bekommt von Anfang an einen Einblick in Paulines Kopf und das ist genauso lustig wie bizarr. Denn Pauline träumt von Blutbädern, Sex mit Leichen und vielen unschönen Dingen mehr. Regisseur und Drehbuchautor Richard Bates Jr., der mit Excision seinen gleichnamigen Short von 2008 zu einem Langfilm ausarbeitet, findet für Paulines Fantasien schrille Bilder, die vielleicht bei manchen Zuschauern Befremden, bei den meisten aber Belustigung auslösen werden. Sogar die realen Szenen des Films sind so überzeichnet, dass man Excision lange Zeit für eine Satire hält. Alle Darsteller zeigen sich in bester Spiellaune und schaffen auch mit kurzer Screentime denkwürdige Typen, wie John Waters als schräger Pastor oder Ray Wise als George-W.-Bush-begeisterter Schuldirektor. Herausragend: Schauspielerin und Model AnnaLynne McCord (Transporter – The Mission, Day Of The Dead), die sich als hässliches Entlein Pauline als äußerst wandlungsfähig zeigt und die bisher beste Leistung ihrer noch jungen Karriere abliefert. In einem der „schönsten“ Stellen des Films schnappt sie einer Mitschülerin den Freund weg und verführt ihn in einem Hotelzimmer. Was folgt, ist wahrscheinlich eine der lustigsten, aber auf jeden fall blutigsten Sexszenen der gesamten Kinogeschichte! In solchen Momenten schafft es Bates Jr. den Zuschauer perfekt einzulullen, ihn unvorsichtig zu machen und auf Paulines Seite zu ziehen.

Excision heißt soviel wie „Herausschneiden“ und darum geht es in Bates Film gleich auch in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur, dass es in Paulines Kopf ziemlich morbide zugeht und im Titel das makabre Finale vorweggenommen wird, nein – eigentlich wird den ganzen Film über an Menschen herumgeschnippelt. Pauline soll einfach anders sein. Wie kann sie sich nur so anziehen? Und warum tut sie nicht mal etwas gegen ihre schlechte Haut? Und warum ist sie so unfreundlich gegenüber anderen!? Paulines Eltern tun beinahe so, als könnte man die unangenehmen Seiten an einem Kind einfach entfernen wie die schlechten Stellen an einem Apfel. Auch wenn das weh tut, das Kind wird es einem später schon danken.

In einer Schlüsselszene des Films, einem Rückblick, sieht man, wie der Vater Pauline beim Mund-zu-Mund-Beatmen mit dem Herpes-Virus ansteckt, an dem sie ihr Leben lang leiden wird. Excision ist eine Metapher über das Erwachsenwerden und darüber, wie Eltern ihre Fehler an ihre Kinder weitergeben. Auch die Einstellung, dass man sich, wenn man es nur gut meint, über den Willen von anderen Menschen hinwegsetzen darf, haben die Eltern an Pauline weitergegeben. Und genau das tut sie zum Schluss in dem Glauben, dass man es ihr später danken werde. Doch Pauline irrt sich. Und das ist dann auf einmal gar nicht mehr lustig, sondern richtig bitter, wie eigentlich dieser ganze großartige Film, der sich so lange geschickt als schwarze Komödie tarnt, obwohl er doch ein galliges Drama ist.

Excision

„Du wirst es mir später danken“ dürften so ziemlich alle Eltern dieser Welt schon einmal gesagt oder zumindest gedacht haben, wenn sie – meist in bester Absicht – etwas gegen den Willen ihrer Sprösslinge getan haben. Davon kann auch Außenseiterin Pauline (AnnaLynne McCord) ein Lied singen. Weder von ihrer dominanten Mutter Phyllis (Traci Lords) noch ihrem lethargischen Vater Bob (Roger Bart) erhält sie Unterstützung was ihren Wunsch betrifft, Medizin zu studieren.
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Meinungen

Waikiki · 28.11.2014

Ich weiß nicht, was an der Sexszene auch nur annähernd lustig gewesen sein soll....