Esteros

Eine Filmkritik von Falk Straub

Verspätete Liebe

Zwei Männer (Ignacio Rogers, Esteban Masturini), die erst zehn Jahre nach ihrem sexuellen Erwachen zueinander finden – davon erzählt Regisseur Papu Curotto in seinem Langfilmdebüt Esteros erfrischend klischeefrei und unsentimental.
Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind auch im 21. Jahrhundert keine Selbstverständlichkeit. Narrative darüber sind es meist ebenso wenig. Statt zwei Frauen oder zwei Männer einfach ungeniert ins Zentrum einer Romanze zu rücken, erzählen diese Geschichten die Widerstände der Gesellschaft gegen die Liebenden meist mit. Auch Esteros ist eine solche Liebesgeschichte voller Hindernisse und Umwege, die viele der ausgetretenen Pfade eines Coming-outs jedoch getrost links liegen lässt. Warum das Paar hier zunächst nicht zusammenfindet, hat einen ganz banalen Grund, der auch heterosexuelle Paare treffen kann: die räumliche Distanz.

Wie ihre Eltern sind auch Jéronimo (Blas Finardi Niz) und Matías (Joaquín Parada) beste Freunde. Anstatt mit anderen Gleichaltrigen beim argentinischen Karneval das Spektakel der Sambatänzerinnen zu bewundern, sind sich die beiden selbst genug. Erst necken sie sich im Badezimmer, später auf der Farm von Jéronimos Eltern. Ganz behutsam wird aus den Späßen Ernst, erkunden die Jugendlichen plötzlich den Körper ihres Gegenüber, der bislang nur zum Kräftemessen diente. Wie so vieles in Esteros bedarf es dafür keiner Worte. Ein Blick genügt – ob der der Zuschauer, von Jéronimos Mutter Marilu (María Merlino) oder zwischen den beiden Protagonisten –, um die erste große Liebe zu erkennen. Ein berufliches Engagement von Matías Vater in Brasilien macht diese prompt zunichte.

Für sein Regiedebüt hat Papu Curotto seinen Kurzfilm Matías y Jéronimo (2015) weiter in die Zukunft gedacht. Nach zehn Jahren kehrt Matías (Ignacio Rogers) für einen Besuch nach Argentinien zurück. Erneut ist Karneval. Doch während Jéronimo (Esteban Masturini) offen homosexuell lebt, verkleidet nur noch Matías mit seiner brasilianischen Freundin Rochi (Renata Calmon) an seiner Seite sein wahres Selbst.

Ebenso unaufgeregt wie Drehbuchautor Andi Nachon die zwei Zeitebenen ineinander verschränkt, fängt Kameramann Eric Elizondo die Protagonisten ein. Obwohl Curotto seine Geschichte rund um die Esteros del Ibéra angesiedelt hat, jenes 13.000 Quadratkilometer große Sumpfgebiet, das dem Film seinen Namen gibt, verzichtet er auf übertriebene Schauwerte. Sein Blick auf die Liebenden ist mitfühlend, aber unaufdringlich, wie sich auch die Umwelt den zwei Jugendlichen zu keiner Zeit aufdrängt. Der erwartbare große Krach mit den Eltern, den Mitschülern, der Kirche oder sonstigen (moralischen) Instanzen bleibt aus.

Statt großer Gesten und dramatischer Worte sind es die kleinen Wiederholungen, die das Paar wieder zueinander führen: das Raufen und anschließende gemeinsame Bad in den Ausläufern des Marschlands – das ist auch ein Wiedererleben der Vergangenheit, die in der Gegenwart erneut zu scheitern droht. Wer Matías zu seinem Glück letztlich im Weg steht, ist er selbst. Zu seinem Glück stoßen ihn die Frauen dieses Films in die richtige Richtung.

Esteros

Zwei Männer (Ignacio Rogers, Esteban Masturini), die erst zehn Jahre nach ihrem sexuellen Erwachen zueinander finden – davon erzählt Regisseur Papu Curotto in seinem Langfilmdebüt „Esteros“ erfrischend klischeefrei und unsentimental.
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