Ente Gut! Mädchen allein zu Haus

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Ende gut, alles gut?

Es lebt sich, diesen Eindruck könnte man haben, eher dysfunktional in Halle-Neustadt. Pauline (Lisa Bahati Wihstutz), elf Jahre alt, wird wegen ihrer roten Haare in der Schule gehänselt – und zugleich klaut man ihre Hausaufgaben, schließlich ist sie nicht nur eine gute Schülerin, sondern auch fleißig. Aus Einsamkeit und Langeweile beobachtet sie abends mit dem Fernrohr die Familien im Hochhaus nebenan und macht sich Notizen: Die eine Frau isst schon wieder fette Ente vom Asia-Imbiss, die andere streitet mit ihrem Mann …
Als ihr auffällt, dass die Mutter von Linh (Lynn Dortschack) und Tien (Linda Phuong Anh Dang) verreist ist und die beiden Mädchen allein zuhause gelassen hat – die Großmutter der Kinder in Vietnam ist krank geworden – verlangt sie von den beiden Geld, sonst werde sie ihnen das Jugendamt auf den Hals hetzen. Aus der versuchten Erpressung wird dann aber eine Freundschaft, die einige Male auf eine harte Probe gestellt wird: Zuerst verschwindet Geld aus Linhs Wohnung, dann gibt es Ärger mit der Schule und schließlich auch mit dem Jugendamt …

Ente gut! Mädchen allein zu Haus ist aus dem Wettbewerb Der besondere Kinderfilm hervorgegangen: Die Initiative, an der zahlreiche deutsche Filmförderungseinrichtungen und öffentlich-rechtliche Sender beteiligt sind, fördert Kinderfilme, die auf originären Drehbüchern beruhen, also nicht Verfilmungen literarischer Arbeiten oder anderer bestehender Stoffe sind. Als erster Film aus dem Wettbewerb war 2015 Winnetous Sohn ins Kino gekommen, Ente gut! Mädchen allein zu Haus von Norbert Lechner hatte seine Weltpremiere auf der Berlinale 2016.

Lechner hat schon einige Erfahrungen mit Kinderfilmen; insbesondere sein bayerischer Nachkriegs-Provinzkrimi Tom und Hacke, 2012 mit dem VdFk-Preis als bester deutscher Kinderfilm ausgezeichnet, weckt Erwartungen an seinen neuesten Film. Leider kann Ente gut! sie aber nicht erfüllen.

Das liegt vor allem daran, dass der Film viel zu viel auf einmal sein will, viel zu viele Themen, Konflikte und Ideen unterbringt, die dann aber nicht wirklich ausgearbeitet werden. Der Effekt dieser Ruhelosigkeit ist, dass Ente gut! alle paar Minuten das Thema zu wechseln scheint. Erst scheint es um Paulines Erpressung zu gehen, aber die ist schnell vergessen. Dann scheint alles eine Weile gut zu sein, Pauline und Linh manipulieren Glückskekse und schubsen verschiedenen Leuten jeweils passende Sprüche zu, so dass Liebespaare sich versöhnen, die Frau aus dem Haus gegenüber Salat statt Ente wählt … ein Hauch von der „fabelhaften Welt der Amélie“ zieht da statt durch eine Pariser Brasserie durch den kleinen Imbiss.

Aber dann rebelliert Tien in der Schule, lädt wahllos andere Kinder in die eigene Wohnung ein, bis Geld gestohlen wird, das eigentlich der lokale vietnamesische Patriarch Herr Duon als Schutzgeld oder Kreditrate – so ganz klar wird das nicht – bekommen soll; auf die Selbstjustiz folgt das Gespräch in der Schule, ein Konflikt mit dem Jugendamt, die Suche nach dem Vater von Tien und Linh und … dauernd neue Personen, neue Konflikte, neue Herausforderungen. Dass die letzte Szene (kurz nachdem Ente gut! das zwingende Wortspiel seines Titels auch noch explizit gemacht hat) dann eine Auseinandersetzung überwindet, an die man schon gar nicht mehr gedacht hatte, illustriert nur noch einmal den unruhigen, fahrigen Charakter des gesamten Films.

Einer der Nebeneffekte davon ist, dass Lechner seine Figuren nie durchatmen oder zur Ruhe kommen lässt, auf dass sie sich kennenlernen oder wenigstens selbst etwas an Schärfe gewinnen können. Daher haben auch die Kinder nie die Chance, ihren Figuren mehr als die Oberfläche zu geben. Die bekannteren Mitglieder des Ensembles, insbesondere Andreas Schmidt und Steffi Kühnert, haben nur kurze Szenen, die sie immerhin nach bestem Vermögen mit Leben erfüllen.
Schließlich scheint der Film dem Autor dieser Zeilen doch recht viele Klischees und Vorurteile über vietnamesisches Leben in Ostdeutschland in das Drehbuch gepackt zu haben. Womöglich entspricht das, dafür fehlt ihm das Wissen, tatsächlich einer gewissen Lebensrealität – in ihrer filmischen Verdichtung jedoch wirken sie vor allem unangenehm und platt.

Vor allem ist das Ganze aber schade – denn viele der Ideen aus Ente gut! hätten eine ruhigere Erzählung verdient gehabt; und der Film zeigt dann doch in dem einen (Glückskekse!) oder anderen (Konfetti!) magischen Moment, zu was er imstande wäre.

Ente Gut! Mädchen allein zu Haus

Es lebt sich, diesen Eindruck könnte man haben, eher dysfunktional in Halle-Neustadt. Pauline (Lisa Bahati Wihstutz), elf Jahre alt, wird wegen ihrer roten Haare in der Schule gehänselt – und zugleich klaut man ihre Hausaufgaben, schließlich ist sie nicht nur eine gute Schülerin, sondern auch fleißig. Aus Einsamkeit und Langeweile beobachtet sie abends mit dem Fernrohr die Familien im Hochhaus nebenan und macht sich Notizen: Die eine Frau isst schon wieder fette Ente vom Asia-Imbiss, die andere streitet mit ihrem Mann …
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