Elelwani

Eine Filmkritik von Martin Gobbin

Schachmatt

Es ist nicht der König, der die Dame Schachmatt setzt – es sind zwei Bauern: Ihre Eltern. Die Dame heißt Elelwani (Florence Masebe), hat einen Uni-Abschluss und einen ebenso sympathischen wie gebildeten Verlobten. Doch in ihrem südafrikanischen Heimatdorf gelten andere Gesetze als in der urbanen, akademischen Welt, in der sie die letzten Jahre gelebt hat. Ihre Eltern wollen sie mit dem Stammeskönig verheiraten. Aber selbstbewusst und aufgeklärt, wie Elelwani dank ihres Bildungsstands ist, verweigert sie sich der Hochzeit und den erdrückenden Traditionen des Dorfes. Bis ihre verzweifelten Eltern, für die das non-konforme Verhalten ihrer Tochter den sozialen Ruin bedeutet, einen perfiden Zug wagen, nach dem der jungen Frau keine andere Wahl mehr bleibt, als ihren Verlobten zu verlassen und in die arrangierte Ehe mit dem Fremden einzuwilligen.
Das Drama Elelwani von Ntshavheni Wa Luruli stellt den Konflikt zwischen Moderne und Tradition, Stadt und Land sehr plakativ dar. Die Sorge, dass einige Zuschauer die Message des Films übersehen könnten, führt zu einer unsubtilen und recht einseitigen Sicht auf die Gegensätze. In manchen Dörfern Südafrikas mag ein Plädoyer gegen repressive Verhaltensregeln, Zwangsheirat und Geschlechterungleichheit kontrovers sein – auf einem internationalen Filmfestival rennt Wa Luruli damit jedoch offene Türen ein. So argumentiert der Film über die ersten 60 Minuten angestrengt für Positionen, denen eine überwiegende Mehrheit der Zuschauer wohl sofort uneingeschränkt zustimmt.

Wenn Frauen vor den Männern des Dorfes auf Knien rutschen müssen, sie nicht anschauen dürfen und wie käufliche Objekte gehandelt werden, dann ist die Ablehnung dieser Unterdrückung nicht eben kontrovers. Wenn Elelwani die innige Liebesbeziehung zu ihrem Verlobten aufgeben muss, weil ihre Eltern bereits einen anderen Partner für sie gefunden haben, dann dürfte es gegen die Verurteilung dieser Zwangsheirat kaum Widerspruch geben. Und wenn Heiratsvermittler später versuchen, den König mit einer Minderjährigen zu vermählen, dann wird wohl fast niemand gegen die moralische Empörung des Regisseurs protestieren.

Doch mehr noch als diese reibungsarme inhaltliche Ebene stört die inszenatorische Überdeutlichkeit, mit der Wa Luruli arbeitet. Die Protagonisten sprechen teilweise wie gedruckt, ihre Äußerungen klingen wie die wohlüberlegten Thesen eines Manifests der Moderne. Zudem blicken sie dabei häufig direkt in die Kamera und damit auf den Zuschauer, als sprächen sie nicht miteinander, sondern dozierten direkt in Richtung des Adressaten im Kinosessel. Auch die Zeichnung der Figuren ist mitunter etwas holzschnittartig: Wer gut ist, trägt ein Shirt mit der Aufschrift „Love“ – die Bösen hingegen verschlingen gierig Massen von Essen in bewusst als ekelhaft intendierten Nahaufnahmen.

Die didaktische Aufdringlichkeit der ersten 60 Minuten wirkt deshalb besonders penetrant, weil eben wohl so ziemlich jeder Zuschauer der Haltung des Regisseurs zustimmen dürfte – womit der Film quasi ins Leere argumentiert, sich mit einen abwesenden Kontrahenten duelliert. Elelwani eckt nicht an, sondern sorgt für völlige Eintracht zwischen Regisseur und Publikum. Da wäre ein reaktionärer Film, über den man sich zumindest aufregen könnte, letztlich spannender.

In der zweiten Hälfte zeigt der Film etwas mehr Komplexität, wenn er auf eine Synthese zwischen These (Moderne) und Antithese (Tradition) zusteuert. Auch gelingen ihm einige Überraschungen in der Figurenzeichnung – insbesondere beim mystisch verklärten König und einer Person, die die klassische Rolle des (Hof-)Narren übernimmt. Allerdings lässt sich ausgerechnet die Wandlung der Hauptfigur nicht immer nachvollziehen.

Und der Film hat weitere Schwächen: Angetrieben von der Message, die es zu transportieren gilt, nimmt sich Regisseur Wa Luruli viel zu wenig Zeit, um Szenen eine eigene Entwicklung zuzugestehen. Stattdessen springt er immer sofort zum entscheidenden Moment, der die entscheidende Information dann auch unmittelbar preis gibt. Zudem wirken die immer wieder eingestreuten Parallelmontagen von emotionalen zwischenmenschlichen Situationen und symbolisch damit verbundenen Naturaufnahmen mitunter arg bemüht. Auch das Ende ist von diesem unbedingten Symbolwillen geprägt und gerät mit seiner hochdramatischen Musik recht pathetisch. Das ist dann wohl der Triumphmarsch eines Regisseurs, der ein argumentatives Schachspiel klar und deutlich gewinnt. Allerdings gegen einen imaginären Gegner.

Elelwani

Es ist nicht der König, der die Dame Schachmatt setzt – es sind zwei Bauern: Ihre Eltern. Die Dame heißt Elelwani (Florence Masebe), hat einen Uni-Abschluss und einen ebenso sympathischen wie gebildeten Verlobten. Doch in ihrem südafrikanischen Heimatdorf gelten andere Gesetze als in der urbanen, akademischen Welt, in der sie die letzten Jahre gelebt hat. Ihre Eltern wollen sie mit dem Stammeskönig verheiraten.
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