Ein Kuss von Beatrice (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Ein Wiedersehen nach drei Jahrzehnten

„Sage femme“ (so der französische Originaltitel von Ein Kuss von Beatrice) ist französisch und bedeutet Hebamme. Übersetzt man die Wendung wortwörtlich, heißt es aber „weise Frau“. Claire (Catherine Frot) ist Hebamme, aber ob sie damit automatisch auch eine weise Frau ist, ist zumindest fraglich. Sie lebt für die Arbeit und für ihren kleinen Schrebergarten. Und natürlich für ihren Sohn Simon, doch der ist schon erwachsen und kurz davor endgültig auszuziehen. Also alles sehr gediegen, ein bisschen langweilig manchmal, aber das macht der harte Job ja wieder wett. Doch dann meldet sich Béatrice (Catherine Deneuve). Und die Ruhe ist dahin.

Béatrice ist die Exfrau von Claires Vater und eine Lebefrau, wie sie im Buche steht. Eine Frau, die nicht aufzuhalten ist und das Leben genießen will, nein muss! Deshalb verließ sie auch einst den Vater, ein ehemaliger Olympia-Schwimmer, der nach dem Ende seiner Karriere nicht mehr viel zu bieten hatte. Und diesen sucht sie nun, 30 Jahre später, wieder. Doch sie findet nur Claire, die Béatrice erklären muss, dass sie am Tod des Vaters Schuld hat, denn nach ihrem Verschwinden brachte er sich um. Kein guter Start für die zwei unterschiedlichen Frauen. Erschwerend kommt hinzu, dass Béatrice einen Hirntumor hat und bald sterben wird. Und Claire, ganz Hebamme und Mutter die sie ist, sich dann doch um Béatrice kümmert. Weil sie nicht anders kann, sagt sie. Aber weil es auch irgendwie plötzlich wieder spannend wird im Leben. Und unberechenbar.

Das klingt nach einer guten Kombination und in der Tat, Catherine Deneuve ist wunderbar als neurotische Frau im Kunstpelz, die ihr Geld mit Poker verdient und ihr Morphium am liebsten mit einem Whisky runterspült. Das Problem ist allerdings, dass Catherine Frots Figur, Claire, so unendlich gediegen, ordentlich und normal ist, dass Ein Kuss von Beatrice nicht als Film über ein ungleiches Duo funktionieren mag. Denn Claire lässt alles geschehen, kümmert sich um alles und macht jeden Scheiß mit. Allerdings nicht aus Rebellion, sondern weil sie so eine ordentliche Person ist. Dabei scheint ihre Figur eigentlich angelegt als eine Frau in der Midlife-Krise, die so langsam auf ein bestimmtes Alter und Einsamkeit zusteuert. Das zeichnet sich hier und da immer wieder in kleinen Momenten ab, wird dann aber abgelegt und vergessen, denn es gibt ein Hemd zu falten und ein neues Handtuch hinzulegen. Das kann leider auch der LKW-Fahrer und Weinliebhaber Paul (unterfordert: Olivier Gourmet) nicht ändern, der ebenfalls in ihr Leben tritt.

Und so wabert der Film dann auch vor sich hin und mag einfach keine richtige Fahrt aufnehmen. Weil es eben doch keinen richtigen Konflikt gibt, denn Claire schluckt alles, was zu wahrlicher Reibung und damit Spannung führen könnte. Einzig zwei Dinge in Ein Kuss von Beatrice sind tatsächlich spannend: Da ist zum einen Catherine Deneuve, eine der ganz großen Schauspielerinnen des europäischen Kinos, die Zeit ihrer Karriere immer dafür gesorgt hat, dass ihr der Glamour und die Würde niemals abhanden kommen. Stets war sie die mondäne, die Aufgeräumte, die, die immer aussah, als käme sie gerade frisch vom Frisör. Dies gibt sie nun auf. Ihre Béatrice hat noch den Glamour von damals und bemüht sich redlich alles aufrecht zu halten, auch wenn kein Geld mehr da ist und die Krankheit sie von innen auffrisst. Doch sie schafft es nicht. Je länger ihre Krankheit in ihr wütet, desto mehr zerfällt sie und Deneuve lässt dies nicht nur zu, sie umarmt diese Herausforderung und lässt sich zerfallen. Das ist in der Tat ein ungewohntes Bild aber auch eines mit viel Kraft.

Das zweite interessante Detail des Filmes entspringt den Szenen, in denen Claire bei der Arbeit gezeigt wird. Hier wird der Film fast neorealistisch und bietet einen genauen und nicht geschönten Einblick in einen Beruf, der nicht nur in Deutschland unter heftigem Beschuss steht. Claire ist Hebamme aus Leidenschaft und weigert sich einen neuen Vertrag zu unterschreiben, der sie und ihre Kolleginnen in eine Art Geburtsmaschinerie einbindet, in der die Patientinnen und die Babys gar nicht mehr als Menschen wahrgenommen werden. Ein Kuss von Beatrice unterlässt es hier auch, Gott sei Dank, den Beruf zu romantisieren und die schlimmen Momente auszusparen. Menschen sterben, Babys werden tot geboren. Auch das kommt vor, auch das wird gezeigt. Kein Wunder also, dass Claire recht verstört ist, als ihr Sohn ihr eröffnet, er wolle ebenfalls ihren Beruf ergreifen. Doch leider bleiben diese Momente recht rar gesät und nur ein Seitenstrang der Erzählung, die ansonsten nicht viel mehr zu bieten hat.
 

Ein Kuss von Beatrice (2017)

„Sage femme“ (so der französische Originaltitel von „Ein Kuss von Beatrice“) ist französisch und bedeutet Hebamme. Übersetzt man die Wendung wortwörtlich, heißt es aber „weise Frau“. Claire (Catherine Frot) ist Hebamme, aber ob sie damit automatisch auch eine weise Frau ist, ist zumindest fraglich.

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