Drei Stunden

Eine Filmkritik von Lena Kettner

Für dich soll‘s rote Rosen regnen

Da sitzt Martin nun auf seinem Sofa und versinkt in Selbstmitleid. Bis ein freundlicher Herr in Weiß neben ihm Platz nimmt und ihm ein Video zeigt. Darauf zu sehen: Martin und seine beste Freundin Isabel vor drei Jahren beim verrückten Hairstyling, Martin und Isabel vor zwei Jahren am See, Martin und Isabel vor sieben Stunden eng umschlungen beim Tanz zu ihrem Lieblingslied „Feeling Good“. „Ist dir eigentlich klar, wie viele 1A-Gelegenheiten ich schon für dich arrangiert habe?“, herrscht Martins Sitznachbar – kein geringerer als Gott höchstpersönlich – ihn an. Der ist kein lieber Opa mit Rauschebart, sondern ein lässiger Typ mit offenem Hemd und Bierflasche in der Hand. Viel zu spät hat sein Schützling Martin begriffen, dass er und Isabel mehr als nur Freunde sind. Doch zu diesem Zeitpunkt ist Isabel bereits auf dem Weg nach Afrika, um sich dort drei Jahre lang im Kampf gegen die Verunreinigung von Saatgut durch die Gentechnik zu engagieren.
Einen Tag vor diesem schicksalhaften Gespräch mit Gott, der Martin immer wieder in seinen Träumen heimsucht, war er plötzlich da gewesen – der alles entscheidende, magische Moment zwischen ihm, dem verträumten Theaterregisseur, und Isabel, der engagierten Weltverbesserin. Als ihr Abschiedskuss nicht auf Martins Wange, sondern auf seinen Lippen endet, wissen beide nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Deshalb flüchtet die sonst so souveräne Isabel aus dem Saal und steht am nächsten Morgen mit gepackten Sachen und einem Gefühl der Traurigkeit am Flughafen, als Martin dort plötzlich auftaucht und ihr ein verkorkstes Liebesgeständnis macht.

An Isabels Entscheidung, Deutschland zu verlassen, ändert dieses Geständnis in dem Film Drei Stunden von Boris Kunz zunächst nichts. Dazu muss Gott den beiden Liebenden erst eine allerletzte Chance einräumen und Isabels Abflug wegen Zollschwierigkeiten um 24 Stunden verschieben. Alles könnte so einfach sein, hätte Martin sein Handy nicht verloren und hätte er den Zettel gefunden, den Isabel unter seiner Wohnungstür hindurch geschoben hatte.

Als die beiden nach einem Auffahrunfall, einer unterbrochenen Theaterprobe, einer gemeinsamen Martin-Suchaktion des Ensembles und einem Taxi-Road-Trip durch München endlich vor Martins Wohnungstür aufeinandertreffen, sind von diesem kostbaren Tag nur noch drei Stunden übrig, bis Isabel ihren Flug in eine neue Zukunft antreten wird. Ein letztes Mal gehen sie und Martin auseinander – aus Angst vor den Konsequenzen, die ihre Liebe haben könnte.

Eine ähnliche Entscheidungssituation wie sein Protagonist hat auch der Regisseur Boris Kunz, der mit Drei Stunden nicht nur seinen Debüt-, sondern auch seinen Abschlussfilm an der Hochschule für Fernsehen und Film München präsentiert, einmal selbst erlebt. Im Gegensatz zu Martin versuchte der Regisseur aber nicht, seine Isabel am Flughafen aufzuhalten. Dass es Kunz gelingt, mit seiner romantischen Komödie die ausgetretenen Pfade des Genres zu verlassen, liegt nicht nur daran, dass er die romantische Inszenierung des Films immer wieder ironisch bricht. So wird Martin von mehreren grantelnden bayerischen Polizisten aufgesucht, weil er nach seinem Auffahrunfall einfach verschwunden ist. Und Isabels Liebe zu den sie umgebenden Dingen geht so weit, dass sie jede der Pflanzen in ihrer Wohnung noch mal mit deren Namen ansprechen muss, bevor sie nach Afrika fährt.

Mit ihrer mal melancholischen, mal zärtlich-verspielten Musik hat die Münchner Band Rosalie und Wanda einen Soundtrack für Drei Stunden geschaffen, der als elementarer Bestandteil des Films die Gefühle der Protagonisten hör- und spürbar macht. Wie in seinem vielfach ausgezeichneten Kurzfilm Daniels Asche beweist Boris Kunz auch in Drei Stunden sein außergewöhnliches Gespür für witzig-pointierte Dialoge und für die Auswahl eines bis in die kleinsten Nebenrollen exzellent besetzten Ensembles, allen voran Nicholas Reinke als Martin und Claudia Eisinger als Isabel. Ihre beiden Figuren stehen stellvertretend für eine Generation Anfang 30, die lernen muss, sich ihren Ängsten und Schwächen zu stellen und Verantwortung zu übernehmen. Es läuft zwar nicht alles perfekt im Leben dieser jungen Erwachsenen. Doch sie haben Träume und Visionen, die die Welt um einiges menschlicher machen.

Am Ende dieses Films wird es endlich rote Rosen regnen. Aber nur auf der Theaterbühne. Denn Isabel und Martin ist klar geworden, dass sie nie richtig erwachsen werden, wenn sie nicht lernen, Entscheidungen fürs Leben zu treffen. Auch wenn das bedeutet, dass sie eine Zeit lang getrennt voneinander leben müssen.

Drei Stunden

Da sitzt Martin nun auf seinem Sofa und versinkt in Selbstmitleid. Bis ein freundlicher Herr in Weiß neben ihm Platz nimmt und ihm ein Video zeigt. Darauf zu sehen: Martin und seine beste Freundin Isabel vor drei Jahren beim verrückten Hairstyling, Martin und Isabel vor zwei Jahren am See, Martin und Isabel vor sieben Stunden eng umschlungen beim Tanz zu ihrem Lieblingslied „Feeling Good“.
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Meinungen

Christian Erich Rindt · 08.11.2014

Eine wunderbare Kommödie.
Gute Filme sind entweder Dramen, die schonungslos die Abgründe der menschlichen Existenz aufreissen - oder sie sind Märchen, in denen alles gut ausgeht. Was sich jeder Mensch, der guten Willens ist, sich von Herzen wünscht. Drei Stunden gehört zur zweiten Kategorie. Aber der Film ist allemal intelligent genug, dass er nicht unter Kitsch-Verdacht gerät.
Drehbuch, Regie, Darsteller alles first class.
Und die Musik hat mir auch sehr gut gefallen.
Davon sehe ich jederzeit gerne mehr!!!