Dil Leyla

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Das Leben als kurdische Bürgermeisterin

Dieser studentische, als Koproduktion der Filmakademie Baden-Württemberg entstandene Dokumentarfilm porträtiert eine ungewöhnliche Frau. Leyla Imret wurde in der kurdischen Stadt Cizre im Osten der Türkei geboren. Im Jahr 1991 verlor sie ihren Vater, einen Guerillakämpfer der kurdischen Arbeiterpartei PKK, der einem der vielen blutigen Gefechte mit dem türkischen Militär zum Opfer fiel. Als fünfjähriges Mädchen kam Leyla zur Familie der Tante nach Bremen und wuchs dort auf. 20 Jahre später beschließt die junge Frau, zurück nach Cizre zu gehen, und zwar als Politikerin. Sie wird 2014 prompt zur Bürgermeisterin der Stadt gewählt. Doch anstatt der erhofften Stabilisierung des Friedensprozesses flammen die politischen Unruhen bald wieder auf.
Die junge, in Berlin geborene Regisseurin Asli Özarslan fängt in Cizre im Jahr 2015 zunächst Momente der Hoffnung ein. In Deutschland habe ihr immer ein Teil ihrer selbst gefehlt, erzählt ihr die junge Bürgermeisterin für den Film in Voice-Over. Sie fällt im Straßenbild auf, weil sie Hosen trägt und ihr langes blondes Haar nicht unter einem Kopftuch versteckt. Umringt von Bürgern und Kommunalpolitikern inspiziert Leyla die Stadt. Ein Park soll entstehen, die Renovierung des fast 100-jährigen Basars steht an. Doch Leyla weiß, wie gefährlich ihr Leben von nun an sein wird: „Man kann erschossen werden als Politikerin hier.“ Bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 nimmt die prokurdische Partei HDP die Zehn-Prozent-Hürde und in Cizre tanzen die Menschen auf den Straßen. Aber auch dieser Erfolg ist trügerisch. Monatelang klappt es mit der Regierungsbildung nicht, dann kommt es zu Unruhen.

Aufgrund dieser Entwicklung muss das Filmteam im Herbst 2015 vorerst nach Deutschland zurückkehren. So bleibt das Porträt Leyla Imrets bruchstückhaft und knapp. Sie konnte gerade mal ein wenig über ihre starke Bindung zum Vater erzählen, der sie als sein erstgeborenes Kind immer „Dil Leyla“ nannte, „Leyla, mein Herz“. Ihre Mutter gesteht vor der Kamera, dass sie den politischen Erfolg der Tochter gar nicht begrüße, weil sie sich um ihre Zukunft sorge. Ihre Kassandrarufe sollen sich bewahrheiten. Leylas Tante und ihre Familie in Bremen halten telefonisch Verbindung mit den Verwandten in der Türkei. Leyla sei untergetaucht, sagen diese, es gebe Scharfschützen auf den Gebäuden, im Rathaus sei eine Razzia durchgeführt worden. Dann erhält Leyla eine Anklage, sie soll in einem Interview zum Bürgerkrieg aufgerufen haben. Leyla ist zuversichtlich, diesen Vorwurf widerlegen zu können.

Das Filmteam kehrt kurz darauf nach Cizre zurück. Dort erfährt es, dass Leyla ihres Bürgermeisteramts enthoben wurde. Sie will sich diesem Beschluss aus Ankara jedoch nicht beugen. Ende 2015 beginnt eine monatelange militärische Belagerung Cizres. Nach massivem Beschuss wird danach von 300 Toten die Rede sein. Leyla kommt in Haft, wird wieder freigelassen, wartet auf den nächsten Gerichtstermin.

Im März 2016 gleichen ganze Straßenzüge in Cizre einem Trümmerfeld. Die Menschen sitzen in Ruinen, riesige Löcher klaffen in den Hauswänden. Leyla Imret ließ ein geregeltes Leben in Deutschland zurück, um die Zukunft Cizres aktiv mitzugestalten. Auf ihre Rolle als Kommunalpolitikerin konnte sie sich in Deutschland allerdings nicht vorbereiten, wie aus Medienberichten im Internet zu erfahren ist: Um ihre Aufenthaltserlaubnis nicht zu verlieren, musste Leyla statt des gewünschten Politikstudiums eine Ausbildung zur Friseurin absolvieren.

In Cizre teilt Leyla nun in gewisser Weise das Los ihrer mit dem Wiederaufbau der Häuser beschäftigten Mitbürger. Denn auch sie kämpft um die Wiederherstellung ihrer Existenz, um juristische Rehabilitierung und das Recht auf politische Betätigung. So lässt der Film die Zuschauer am Beispiel dieser jungen, idealistischen Frau die traurige Realität in Cizre sehr nah miterleben. Es wird spürbar, wie schwer es für die Kurden in der Türkei sein muss, an den Frieden und den Fortschritt zu glauben, wenn sich ihre Hoffnungen immer wieder so leicht zerschlagen.

Dil Leyla

Dieser studentische, als Koproduktion der Filmakademie Baden-Württemberg entstandene Dokumentarfilm porträtiert eine ungewöhnliche Frau. Leyla Imret wurde in der kurdischen Stadt Cizre im Osten der Türkei geboren. Im Jahr 1991 verlor sie ihren Vater, einen Guerillakämpfer der kurdischen Arbeiterpartei PKK, der einem der vielen blutigen Gefechte mit dem türkischen Militär zum Opfer fiel.
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