Dieses obskure Objekt der Begierde (1977)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Als Arthaus Premium Edition bestehend aus zwei DVDs mit reichlich attraktivem Begleitmaterial versehen erscheint der letzte Film, den der großartige spanisch-mexikanische Filmemacher Luis Buñuel (1900-1983) inszenierte. Dieses obskure Objekt der Begierde, zu dem der surrealistisch orientierte Regisseur auch das Drehbuch mit verfasste, wurde von dem berühmten Roman La femme et le pantin / Das Weib und der Hampelmann des Franzosen Pierre Louÿs (1870-1925) inspiriert, dessen gleichnamige Verfilmung von Jacques de Baroncelli aus dem Jahre 1928 ebenfalls unter den Extras der DVDs zu finden ist.

Der vermögende Geschäftsmann Mathieu (Fernando Rey), ein älterer, allein stehender Mann, schickt sich an, mit seinem Diener von Sevilla zurück ins heimische Paris zu reisen. Auf dem Bahnhof ereignet sich eine Begebenheit, die die illustre Reisegesellschaft im Abteil von Mathieu in Erstaunen versetzt: Der angesehene Gentleman schüttet einer jungen Schönheit mit demoliertem Gesicht, die ihm aufgeregt flehend auf den Bahnsteig gefolgt ist, ungnädig einen Eimer Wasser über den Kopf, den er sich extra vom Schaffner hat bringen lassen. Im Verlauf der Reise erzählt Mathieu seinen Mitreisenden – ein Richter (Julien Bertheau), ein Psychologe (Piéral) und eine Dame (Milena Vukotic) mit ihrer Tochter – dann freimütig von den dramatischen Geschehnissen, die ihn mit der begossenen Schönen verbinden.

In diese Rahmenhandlung eingewoben entspinnt sich die Geschichte von Mathieu und Conchita (doppelt besetzt mit Carole Bouquet und Ángela Molina), die in der Pariser Wohnung des Geschäftsmannes beginnt. Dort taucht Conchita als neues Dienstmädchen auf, für das Mathieu so hoffnungslos wie unrettbar entflammt. Die blutjunge Frau verwehrt sich jedoch den allzu offensichtlichen und rasanten Zudringlichkeiten des älteren Herren und schmeißt den Job hin. Doch Mathieu spürt Conchita auf, die daraufhin das obszöne und einträgliche Spiel von verführerischer Annäherung und strategischem Rückzug mit dem verliebten Narren inszeniert, bis dieser ihr rundherum verfallen ist. Davon angespornt treibt Conchita die Demütigungen immer stärker auf eine unerträgliche Spitze zu, so dass Mathieu eines Tages die Kraft aufbringt, diesen Stachel abzustumpfen …

Von wehmütig-wilden Sevillana-Klängen begleitet, die von Schmerz und Tragik eines unerfüllten Begehrens künden, entwickelt sich die Beziehung zwischen dem gehörnten Verehrer und der berechnenden jungen Grazie zu einem selbstironischen Stück um Liebe und Abhängigkeit, Faszination und Verachtung. Die innere Dramaturgie wird von allerlei reflektorischen Ebenen und vor allem immer wieder von terroristischen Anschlägen flankiert, die sich im Umfeld der Protagonisten ereignen, bis diese zynische sozialpolitische Metapher in einer finalen Explosion gipfelt. Die Figur der Conchita wurde im Verlauf der Dreharbeiten vom Regisseur mit zwei unterschiedlichen Schauspielerinnen besetzt – ein damals innovativer Kunstgriff, der dieser Rolle einmal mehr eine provokante Vielschichtigkeit verleiht.

Dieses obskure Objekt der Begierde war zweifach für den Oscar und den César sowie für einen Golden Globe nominiert, wurde mit einigen Preisen ausgezeichnet und auch von Kritik und Publikum sehr positiv und als überaus würdiger Schlusspunkt des Regie-Werkes von Luis Buñuel aufgenommen. Diese filmisch ganz eigen inszenierte berühmte Geschichte des klassischen Motivs eines Liebeswahns gibt ihre Intimitäten unverfroren der Gesellschaft im Zugabteil preis, die der Zuschauer in Bildern erfährt, und es ist diese soziale Komponente, das Diskutieren der Begebenheiten aus der Perspektive Mathieus, die den Fokus der Handlung bestimmt und aus der schützenden wie gefangenen Privatheit hervorhebt. Aus feministischer Sicht ist Dieses obskure Objekt der Begierde deutlich ein von gängigen männlichen Vorstellungen dominierter Film, der allerdings durch seine starke Verortung im gesellschaftlichen Raum eine ambivalente Moral installiert. Und es ist sicherlich eine Qualität dieses reifen Werkes, dass sich die Mechanismen seiner Faszination eher unterschwellig erschließen.
 

Dieses obskure Objekt der Begierde (1977)

Als Arthaus Premium Edition bestehend aus zwei DVDs mit reichlich attraktivem Begleitmaterial versehen erscheint der letzte Film, den der großartige spanisch-mexikanische Filmemacher Luis Buñuel (1900-1983) inszenierte.

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