Die zweigeteilte Frau

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Amour fou à la Chabrol

Eine Frau zwischen zwei Männern – das ist der Stoff, aus dem Claude Chabrol in seinem neuen Film Die zweigeteilte Frau / La fille coupée en deux – es ist insgesamt sein 69. – seine Geschichte entwickelt. Und wie bereits in zahlreichen Filmen zuvor, so geht es dem Regie-Altmeister aus Frankreich auch in seinem neuen Werk nicht allein um die verhängnisvollen Auswirkungen der Liebe, sondern auch um die Abgründe der gutbürgerlichen Gesellschaft, in der er seine Versuchsanordnung angesiedelt hat.
Gabrielle Deneige (Ludivine Sagnier) ist jung, blond, gut aussehend und erfolgreich in ihrem Job als Fernsehmoderatorin, die Welt steht ihr offen und ihre zahlreichen Verehrer hält sie mit Raffinesse auf Distanz, um sie je nach Bedarf zu reaktivieren. Doch als sie dem wesentlich älteren, verheirateten Star-Literaten Charles Saint-Denis (François Berléand) begegnet, ist es um sie geschehen. Ohne zu zögern lässt sie sich auf eine Affäre mit dem notorischen Verführer ein – mehr noch: sie verliebt sich in ihn, obwohl dieser nicht im Geringsten gewillt ist, wegen ihr seine Ehe mit Dona (Valéria Cavalli) aufzugeben. Für ihn ist Gabrielle nur eine weitere willfährige Gespielin, an der er seine sexuellen Obsessionen ausleben kann. Und als er davon genug hat, lässt er die junge Frau ohne zu zögern einfach fallen. Nach einer Phase tiefster Depression und Verzweiflung gibt Gabrielle schließlich dem andauernden Drängen des exzentrischen reichen Paul (Benoît Magimel), eines jungen Mannes aus bestem Hause nach und willigt in eine glamouröse Heirat ein, um die Geschichte mit Charles zu vergessen. Dieser allerdings fühlt sich durch das scheinbare Glück seiner abgelegten Geliebten in seiner Eitelkeit gekränkt und drängt mit Macht wieder in deren Leben. Es kommt zur Eskalation zwischen den beiden Konkurrenten Charles und Paul…

Kaum ein etablierter Regisseur – vielleicht mit Ausnahme von Woody Allen – dreht mit solcher Beständigkeit einen Film nach dem anderen und bleibt sich und seinen selbst gewählten Themen so treu wie Claude Chabrol. Während sein New Yorker Kollege aber in den letzten Jahren durch unerwartete Wendungen von sich reden machte und sich –zumindest teilweise – als Filmemacher neu erfand, sucht man bei Chabrol so viel Wagemut vergeblich. Stattdessen widmet er sich in gewohnter Weise den zwischenmenschlichen Abgründen und lässt sich dabei von einem berühmten Verbrechen aus Leidenschaft inspirieren, dem Mord an Stanford White, dem Architekten des Madison Square Garden, im Jahre 1906, der vom Ehemann seiner früheren Geliebten umgebracht wurde. Da sich manche Dinge, und zwar vor allem die mannigfaltigen Formen der Liebe, niemals ändern, hat Chabrol die Ereignisse in die Gegenwart und nach Frankreich verlegt. Und tatsächlich funktioniert die Geschichte – nicht zuletzt dank guter Schauspieler – auch heute noch; wenngleich nicht ganz ohne Probleme. Und das liegt vor allem an der mangelnden psychologischen Schlüssigkeit der Charaktere. So ist es vor allem Gabrielle, eine selbst- und karrierebewusste Frau, deren Wandlung vom elfenhaften, aber eiskalt kalkulierenden Karriere-Girl zum devoten Mäuschen niemals wirklich begründet wird und somit nur schwer nachzuvollziehen ist. Dass Gabrielle nun auch noch bei der Wahl des Ersatzpartners eine Niete zieht und einem gefährlichen Psychopathen auf den Leim geht, tut zwar dem Fortgang der Geschichte gut, untermauert aber nicht gerade deren Glaubwürdigkeit. So ist Die zweigeteilte Frau / La fille coupée en deux dann auch eher als grelle Farce denn als realistisches Gesellschaftsporträt zu verstehen. Aber darauf versteht sich der Meister sowieso am besten. Eine sabbernde „Altmänner-Phantasie“, wie manche Kritiker vermeinen, ist der Film aber mitnichten.

Nach wie vor beherrscht Chabrol das feine Spiel mit der gediegenen Oberfläche, versteht er sich aufs Beste darauf, die Leidenschaften der Bourgeoisie gnadenlos ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren, und es ist immer noch eine Freude, ihm bei seinen cineastischen Ränkespielen zuzuschauen. Zumal dann, wenn er sie mit einem einfachen Trick aufzulösen weiß wie in diesem Film.


Die zweigeteilte Frau

Eine Frau zwischen zwei Männern – das ist der Stoff, aus dem Claude Chabrol in seinem neuen Film Die zweigeteilte Frau / La fille coupée en deux – es ist insgesamt sein 69. – seine Geschichte entwickelt.
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Meinungen

erpko · 22.02.2008

Wann hat chabrol den letzten guten film gedreht? Das dürfte schon mindestens 10 Jahre her sein.