Die Wunde (2017)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Mannsbilder

Vielerorts wird Homosexualität bis heute totgeschwiegen. Der Südafrikaner John Trengove verknüpft das Thema in seinem Drama Die Wunde mit einem weiteren Tabu zu einer tragischen Liebesgeschichte über Männer auf der Suche nach sich selbst.

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Xolani Radebe (Nakhane Touré) ist noch keine 30, doch er hat die Augen eines alten Mannes. Als wir ihm das erste Mal bei seiner Arbeit in einer Lagerhalle in Südafrika begegnen, sitzt ihm die Kamera beinahe auf dem Schoß, kurze Zeit später mit ihm auf der Pritsche eines Pick-ups. Xolani ist auf dem Weg in seine alte Heimat. Sein Blick ist müde. Jedes Jahr besucht er ein Camp in den Bergen, um als Betreuer an einem uralten Beschneidungsritual der Xhosa teilzunehmen, das er an der Schwelle vom Jugendlichen zum Erwachsenen selbst durchlitten hat. Ein Bekannter bittet ihn, sich seines Sohnes, dem aufmüpfigen Städter Kwanda (Niza Jay Ncoyini), anzunehmen. Was keiner weiß: Xolani kommt nur noch hier her, um seine große Liebe, den dreifachen Familienvater Vija ( Bongile Mantsai), wiederzusehen. Paul Özgürs Kamera bleibt ihm dabei dicht auf den Fersen.

Die Wunde entführt uns in eine Welt, die nur auf den ersten Blick Tausende Kilometer weit entfernt scheint. „Ukwaluka“, die im Film zwar nie explizit, aber doch in all ihrer Brutalität geschilderte Beschneidung, wirkt befremdlich. Und doch lassen sich die das Ritual begleitenden Männerbünde problemlos auf unsere Gesellschaft übertragen. Während des Initiationsritus trinken und tanzen die Jungen, wagen Kraftproben mit den Alten, provozieren sich gegenseitig, fantasieren über Frauen und darüber, was sie mit ihrer neu gewonnenen Männlichkeit alles mit ihnen anstellen werden. Verhaltensweisen, die sich auch auf jedem deutschen Schulhof oder Stadtfest finden lassen. Und selbst die hanebüchene Ansicht, Homosexualität sei ein erlernter, dekadenter Lebensstil, ist hierzulande weiter verbreitet, als einem lieb sein kann.

Regisseur und Koautor John Trengove berührt mit seinem einfühlsamen Drama gleich zwei Tabus. Die Wunde, von der im Titel die Rede ist, beschreibt nicht nur die körperliche Verletzung, sondern auch die seelischen Schrammen der drei Protagonisten. Auch Kwanda ist schwul, ein „schlechter Junge“, wie Vija es bezeichnet. Doch während Vija und Xolani nicht aus ihrer Haut können, der eine seine verdrängte Sexualität mit übersteigerter Körperlichkeit überspielt, der andere seinen Schmerz nach innen wendet, geht Kwanda in die Offensive und nimmt damit ganz bewusst die Sicht des Filmemachers ein. Trengove macht keinen Hehl daraus, dass der Städter mit seinen forschen, für viele der Traditionalisten zu liberalen Ansichten auch für ihn selbst und seine Weltsicht steht. Durch diesen Kniff erschließt sich uns nicht nur diese zunächst unvertraute Kultur, wir lernen auch etwas über unsere eigene.

Es war John Trengove ein Bedürfnis, „den klischeehaften Darstellungen von schwarzer Männlichkeit, wie sie innerhalb und außerhalb des afrikanischen Kinos existieren, etwas entgegenzusetzen“. Dass der Südafrikaner selbst weiß ist, empfand er als „hochproblematisch“. Mit Koautor Thando Mgqolozana hatte er jedoch einen erfahrenen Mann an seiner Seite. Auch dessen Debütroman handelt vom tabuisierten Ritual. Angesichts des Ergebnisses ist Trengoves Sorge unbegründet. Die Wunde bietet keine bloßen Abziehbilder, sondern vielschichtige Figuren, die uns nahegehen. Einzig die Auflösung des Konflikts trübt das Gesamtbild. Nach all den Beziehungen, die der Film minutiös und mit langem Atem aufbaut, wirkt das Ende zu drastisch. Xolanis Blick ist beinahe erloschen.
 

Die Wunde (2017)

Vielerorts wird Homosexualität bis heute totgeschwiegen. Der Südafrikaner John Trengove verknüpft das Thema in seinem Drama „Die Wunde“ mit einem weiteren Tabu zu einer tragischen Liebesgeschichte über Männer auf der Suche nach sich selbst.

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Meinungen

Ndima · 25.01.2017

Xhosa movie I think I love it