Die Verführten (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Gelungene Neuinterpretation im Stile einer Southern-Gothic-Mär

Die Verführten gab es schon einmal, damals, im Jahr 1971, hieß er Betrogen (Regie: Don Siegel). Coppolas Version ist anders, sie unterscheidet sich stark von Siegels Werk. Mit dem dunklen Charme einer Southern-Gothic-Geschichte kommt sie daher und erzählt von einem Haus voller Frauen in Virginia. Um sie herum tobt der Sezessionskrieg (1861-65), im Haus selbst herrscht Ruhe und Ordnung. Es ist ein Mädcheninternat, geleitet von Martha Farnsworth (Nicole Kidman), einer resoluten Frau, die ihr Haus offenhält für Mädchen, die kein Zuhause haben oder eines, in das sie ob des Krieges nicht ohne Gefahren zurückkehren können. Die einzige verbliebene Lehrerin ist Edwina (Kirsten Dunst), eine stille, traurige Frau. Zusammen kümmern sie sich um Alicia (Elle Fanning), Jane (Angourie Rice), Amy (Oona Laurence), Emily (Emma Howard) und Marie (Eddison Riecke). Die Mädchen lernen sticken, Gartenarbeit, französisch und alles, was eine feine Südstaatendame noch wissen muss.

In diese vom Krieg abgekapselte Idylle bricht eines Tages ein Soldat ein. John McBurney (Colin Farrell) ist ein Yankee, ein Feindessoldat, doch Amy, die ihn beim Pilze sammeln findet, bringt es nicht übers Herz, ihm nicht zu helfen. Schließlich ist sie ja eine gute Christin. Sie bringt ihn ins Internat, wo die Aufregung groß ist. Was soll man mit ihm tun? Erst einmal zusammenflicken. Aus christlicher Nächstenliebe. Und so näht Martha sein zerschossenes Bein. Doch die Aufregung schlägt in Erregung um. Martha und Edwina finden ihn beide attraktiv, auch wenn sie sofort bemerken, dass er die häusliche Ordnung stört. Alicia, die am Ende der Pubertät steht, will ihn für sich haben. Die jüngeren ebenfalls, wenn auch eher als Freund. Als John erwacht, stellt er sich sogar als äußerst höflicher Mensch heraus, der allen Damen des Hauses seine Aufmerksamkeit schenkt. Langsam gewöhnt man sich an seine Präsenz, es wird beschlossen, ihn nicht zu verraten, sondern ihn auskurieren zu lassen und ihm die Freiheit zu schenken. Doch die Spannungen im Haus steigen, gefüttert von Johns Flirten mit allen drei Frauen – warum denn nicht alle warmhalten? Dann kommt der Trieb in die Quere. Die Frauen, sie sind nicht nur die Verführten, sie sind auch die Verratenen. Doch das hat Konsequenzen. Denn mit ordentlichen Südstaaten-Damen legt man sich nicht an.

Sofia Coppolas Die Verführten ist ein Film voller dunkler Sehnsüchte in einer schon fast verwunschenen Welt, die kaum mehr in der Realität verankert scheint. Das große weiße Haus ist umgeben von einem riesigen Garten, einer Hecke, einem Tor, einem Wald. Morgens liegt Nebel über der Gegend, andere Menschen sind fast nie zu sehen. Weit hinter dem Wald donnern die Kanonen, es raucht und brennt, doch im Internat scheint dies nur ein Nachhall einer Welt zu sein, die hier nicht vorhanden ist. Es ist eine Frauenwelt, in die der Soldat mit all seiner Männlichkeit, seinem eigenen Verlangen nach Freiheit, Lust und Liebe einbricht, und Coppola vermag diese ganz wunderbar darzustellen. Die wuchernden Rosen, die riesige Baumallee, das Licht und die Sonne, die zwar scheint, aber nie ganz ihre volle Kraft hat – irgendetwas ist nicht ganz richtig mit diesem Ort. Zu dunkel ist er, zu matt und zu perfekt nach außen. Die Lust hängt dick in der Sommerhitze, die unausgesprochenen Wünsche und Begierden drücken auf die Körper aller Beteiligten und lassen sie sich langsam und behaglich bewegen, fast so, als gingen sie durch Schnee.
Doch bei aller christlichen Nächstenliebe, Südstaaten-Manieren und emotionaler Verschlossenheit ist der Film keineswegs trocken. Im Gegenteil, er ist das perfekte, fleischgewordene Lamento weiblicher Lust auf Freiheit und Sexualität. Melancholisch zwar, aber dafür immer wieder gespickt mit herrlich spitzem Humor, der aus den Figuren herausbricht und ihre Intelligenz, ihren Charme kurz aufzeigt, bevor er hinter den Manierismen wieder verschwindet. Die Atmosphäre, die Coppola erschafft, ist nahezu perfekt, die Geschwindigkeit des Filmes, die genauso selbstbewusst-ruhig dahinschreitet wie die Frauen, ist ebenfalls aufs Äußerste gelungen. Zeichnet sich die erste Hälfte durch Herzhaftigkeit und Melancholie aus, so macht der Film alsbald eine wunderbare Kehrtwende in Richtung Thriller, die dem Ganzen eine ganz neue Atmosphäre gibt und den klugen Witz in Humor der schwärzesten Art verwandelt.
Jedoch erweisen sich ausgerechnet die Frauenfiguren als einziger Schwachpunkt. Coppola zeichnet sie bewusst reduziert. Doch zwischen ihnen herrschen explizite und komplizierte Beziehungen, aufgebaut durch die Jahre, die sie zusammenwohnen, und die Einsamkeit, die sie gemeinsam ertragen. Diese sind jedoch kaum nachvollziehbar, sie bleiben dem Publikum verschlossen, und man wünscht sich, mehr zu erfahren, als das bisschen, was der Film einem zeigt. Da bekommt der Soldat John doch mehr Aufmerksamkeit in der Charakterbildung. Die Verführten ist also ein wunderbarer Film, aber mit mehr Investition in seine hochspannenden weiblichen Figuren wäre er ein brillanter. Nichtsdestotrotz hat Sofia Coppola hier einen Film vorgelegt, der ihr bester seit Lost in Translation ist und Sehnsucht und Verlangen perfekt in die Bildsprache umzusetzen vermag.

Die Verführten (2017)

Sofia Coppolas neuer Film ist ein Remake von Don Siegels „Betrogen“ / „Beguilded“ aus dem Jahre 1971 — damals mit Clint Eastwood in der Hauptrolle. Der Film erzählt die Geschichte eines Soldaten während des Sezessionskrieges, der mitten im Feindesland verwundet wird und der mit knapper Not in einem Mädchenpensionat Unterschlupf findet. Doch seine Anwesenheit bringt das Gefüge der rein weiblichen Gemeinschaft durcheinander, da sich gleiche mehrere der Anwesenden in ihn verlieben.

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