Die Tänzerin (2016)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Wirbel aus Bewegung, Farbe, Licht und Dunkel

Wie ungerecht doch das Leben manchmal ist: Während heute noch der Name Isadora Duncan nicht nur durch ihren bizarren Tod an der Côte d’Azur (ihr meterlanger Schal verfing sich in den Speichen des offenen Sportwagens und erdrosselte sie) allgegenwärtig in der Geschichte des modernen Tanzes ist, ist Loïe Fuller allenfalls Eingeweihten ein Begriff.

Dabei legte diese doch erst die Grundlagen, auf denen sich später die Karriere der Fuller-Schülerin begründete. Mit Die Tänzerin betreibt die französische Filmemacherin Stéphanie Di Giusto nun eine cineastische Ehrenrettung der Erneuerin des Tanztheaters und schafft damit vor allem in den atemberaubenden Tanzszenen ein sehenswertes Biopic, das allerdings nicht immer zur Gänze überzeugen kann.

Dabei böte die Biographie der Tänzerin und Choreographin durchaus Stoff für ein ganz großes lebensgeschichtliches Drama: Die Herkunft aus dem Mittleren Westen der USA, bei der so gar nichts auf den späteren Weg hinweist, dann der plötzliche Tod ihres Vaters, die Übersiedlung nach New York zu ihrer streng puritanischen Mutter, den ersten Gehversuchen als Modell für erotische Photographien, den danach folgende Engagements in Variétes, bei Burlesken und Operetten und schließlich der Weg von Nordamerika nach Europa, wo sie endlich zu ihrer Bestimmung findet, werden aber in Die Tänzerin im Stile einer chronistenhaften Aneinanderreihung abgehakt. Erst mit der Entwicklung des eigenen Tanzstils, der dem Element der Bewegung Farbe, eine ausgeklügelte Lichtdramaturgie, wallende und sehr schwere Gewänder, die mittels hölzerner Armverlängerungen in flatternde Bewegung versetzt werden, hinzufügt, kommt Die Tänzerin endlich zum Kern und findet doch noch – zumindest teilweise – zu sich selbst.

Blass bleiben hingegen die Begegnungen mit den Menschen, die Loïe Fullers intensives Leben geprägt haben: Der Vater ist schnell aus dem Leben geschieden, die Mutter wirkt wie eine strenge Zuchtmeisterin, die kaum je als Verwandte zu identifizieren ist, dazu gesellt sich später noch ein depressiver Herzog, der der schönen Tänzerin verfallen ist und ihre Unternehmungen finanziert, und zum Schluss eben die noch junge Isadora Duncan (Lily-Rose Melody Depp), mit der Fuller eine erotische aufgeladene Lehrerin-Schülerin-Beziehung unterhält, nur um dann von der elfenhaften Erscheinung schamlos ausgenutzt zu werden. All diese Begegnungen wirken, teilweise auch wegen mangelhafter darstellerischer Leistungen und schlechter Schauspielführung, episodenhaft und allenfalls angedeutet.

So bleibt am Ende vor allem zweierlei in Erinnerung: Zum einen die beiden zentralen Tanzszenen, die ein orgiastischer Rausch aus Farben, Licht und Bewegung sind. Zum anderen die Ausstrahlung der Sängerin und Schauspielerin SoKo. Ihre androgyn-sinnliche Präsenz und die Expressivität, mit der sie Fuller zu neuem Leben erweckt, schüren die Hoffnung, dass man diese Darstellerin demnächst häufiger auf der Leinwand sehen kann. Dass sie das Zeug zu einer beachtlichen Karriere hat, stellt sie in Die Tänzerin mit vollem Körpereinsatz eindrucksvoll unter Beweis.
 

Die Tänzerin (2016)

Wie ungerecht doch das Leben manchmal ist: Während heute noch der Name Isadora Duncan nicht nur durch ihren bizarren Tod an der Côte d’Azur (ihr meterlanger Schal verfing sich in den Speichen des offenen Sportwagens und erdrosselte sie) allgegenwärtig in der Geschichte des modernen Tanzes ist, ist Loïe Fuller allenfalls Eingeweihten ein Begriff.

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Meinungen

Celestine · 09.11.2016

Ich stimme in jeder Hinsicht ihrer Beschreibung zu.
...Wie ungerecht doch das Leben manchmal ist: Während heute noch der Name Isadora Duncan nicht nur durch ihren bizarren Tod an der Côte d’Azur (ihr meterlanger Schal verfing sich in den Speichen des offenen Sportwagens und erdrosselte sie) allgegenwärtig in der Geschichte des modernen Tanzes ist, ist Loïe Fuller allenfalls Eingeweihten ein Begriff.....
Und doch geschieht es genau in diesem Film wieder, den ich übrigens excellent finde. Die Darstellung der Isadora, natürlich eine Promi Besetzung, Lily-Rose Depp. Für mich die einzige Schwäche des Filmes....
Celestine