Die Schlümpfe - Das verlorene Dorf (2017)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Wer bin ich und was zeichnet mich aus?

Nach zwei uninspirierten Mischproduktionen aus Real- und Trickfilm verpasst Studiogigant Sony den Schlümpfen einen Neustart, der als reine Animationsarbeit daherkommt und die Geschehnisse der vorangegangenen Werke außen vor lässt. Bemüht sind die Macher allerdings darum, die im Zusammenhang mit den blauen Wichten mehrfach diskutierte Frauenfeindlichkeit zu entkräften, die auch 2013 bei Die Schlümpfe 2 thematisiert wurde. Geprägt ist die Gemeinschaft der kleinen Zipfelmützenträger unverkennbar patriarchalisch. An der Spitze steht der weise, gutmütige, mit Zauberkräften ausgestattete Papa Schlumpf, dessen Wort Gewicht hat. Unter all den männlichen Schlümpfen befindet sich mit Schlumpfine lediglich eine Frau, die einst vom bösen Hexenmeister Gargamel aus einem Klumpen Lehm erschaffen wurde, um die friedfertigen Winzlinge ins Verderben zu führen. Papa Schlumpfs magische Fähigkeiten konnten den Plan vereiteln und die Gesandte in ein stets gut gelauntes Schlumpf-Mädchen verwandeln.

So weit der Hintergrund, den Regisseur Kelly Asbury (Gnomeo und Julia) gemeinsam mit den Drehbuchautorinnen Stacey Harmon und Pamela Ribon um eine Selbstfindungsgeschichte bereichern will: Während sich alle anderen Bewohner von Schlumpfhausen durch eine besondere Eigenschaft oder einen speziellen Charakterzug definieren und damit einen festen Platz im Gefüge haben, hadert Schlumpfine (Originalstimme: Demi Lovato/deutsche Stimme: Nora Tschirner) zunehmend mit ihrem unbestimmten Dasein. Was zeichnet sie aus? Und welche Rolle könnte sie übernehmen? Weder die Schlumpf-Dame noch ihre Freunde wissen darauf eine Antwort. Als die Zweifelnde eines Tages am Rande des ‚Verbotenen Waldes‘ ein fremdartiges Wesen entdeckt, das eine geheimnisvolle Karte zurücklässt, nimmt sich Schlumpfine ein Herz und erkundet ohne Erlaubnis von Papa Schlumpf (Mandy Patinkin/Heiner Lauterbach) den sagenumwobenen Forst. Ihr zur Seite steht das Trio Schlaubi (Danny Pudi/Axel Stein), Hefti (Joe Manganiello/Rick Kavanian) und Clumsy (Jack McBrayer/Tim Oliver Schultz), mit dem sie schon bald eine erstaunliche Entdeckung macht. Den Schlümpfen auf den Fersen ist, wie immer, der durchtriebene Gargamel (Rainn Wilson/Christoph Maria Herbst), der die blauen Winzlinge einfangen und seine Zauberfertigkeiten vergrößern will.

Gute Absichten allein garantieren noch keine originelle Geschichte. Das bestätigt Die Schlümpfe – Das verlorene Dorf recht einprägsam. So erfreulich es auch sein mag, dass Schlumpfine hier ihre Rolle innerhalb der Gruppe hinterfragen und die vom Patriarchen gesteckten Grenzen übertreten darf, wirkt ihre Identitätssuche rückblickend leider wie ein billiger Aufhänger für einen temporeichen, aber weitestgehend formelhaften Abenteuerplot. Asbury und Co treten der chronischen weiblichen Unterrepräsentation in der Welt der zwergartigen Mützenträger entgegen, wissen mit ihren Handlungsoffenbarungen aber herzlich wenig anzufangen und landen schließlich bei ärgerlichen Vereinfachungen. Was bringt es, möchte man die Verantwortlichen fragen, wenn sie anfangs ein Bewusstsein für das fragwürdige Frauenbild an den Tag legen, nur um auf den letzten Metern mit einer vollkommen banalen Erkenntnis um die Ecke zu kommen?

Ein ähnliches Desinteresse bringt der Film auch dem Erzschurken der Schlümpfe entgegen, dessen Pläne keine Variation zu kennen scheinen. Gargamel ist die Verkörperung des Bösen. Ein Antagonist ohne Ecken und Kanten, der in der deutschen Synchronfassung dank Christoph Maria Herbst immerhin stimmlich prägnante Akzente setzen kann. Die alles andere als komplexe Geschichte und die schematische Figurenzeichnung dürften vor allem der Tatsache geschuldet sein, dass sich Asburys neue Schlumpf-Interpretation in erster Linie an ein Kinderpublikum richtet. Die Sorge, kleine Zuschauer zu überfordern, ist offenbar größer als der Glaube an erzählerische Kreativität, die beispielsweise den charmanten Selbsterkundungstrip Findet Dorie auszeichnet.

Humortechnisch bewegt sich Die Schlümpfe – Das verlorene Dorf vor allem im Bereich des Slapsticks und der Situationskomik, was bei kleinen Kinogängern durchaus auf Gegenliebe stößt, wie während der von Kindergruppen besuchten Pressevorführung zu beobachten war. Pointierte Anspielungen auf andere Filme und Phänomene unserer Zeit finden sich dafür nur spärlich. Eine gar nicht mal so schlechte Entscheidung, wenn man bedenkt, dass manche Animationsstreifen mittlerweile mit Zitaten und Verweisen zugekleistert sind. Optisch erstrahlt das Schlumpf-Abenteuer in knallbunten Farben und erzeugt nach dem Betreten des ‚Verbotenen Waldes‘ dank netter kleiner Einfälle – Stichwort: schwereloser Fluss – zumindest in Ansätzen so etwas wie eine magische Stimmung. Diese Eigenschaft und einige dynamische Actionszenen, die ordentliche 3D-Effekte zu bieten haben, machen die Drehbuchunzulänglichkeiten aber keineswegs vergessen.
 

Die Schlümpfe - Das verlorene Dorf (2017)

Nach zwei uninspirierten Mischproduktionen aus Real- und Trickfilm verpasst Studiogigant Sony den Schlümpfen einen Neustart, der als reine Animationsarbeit daherkommt und die Geschehnisse der vorangegangenen Werke außen vor lässt. Bemüht sind die Macher allerdings darum, die im Zusammenhang mit den blauen Wichten mehrfach diskutierte Frauenfeindlichkeit zu entkräften, die auch 2013 bei „Die Schlümpfe 2“ thematisiert wurde.

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