Die Jungfrau, die Kopten und ich

Eine Filmkritik von Paul Collmar

Wie man einen Film macht und beinahe daran scheitert...

Einen Dokumentarfilm über sich selbst und die eigene Familie zu machen, gehört vermeintlich zu den einfacheren Aufgaben eines Filmemachers. Denn schließlich sind die Portraitierten – zumindest wäre das zu hoffen – dem Regisseur allesamt freundlich gesinnt, aufgeschlossen und offen – kurzum: Ideale Kandidaten für solch ein Abenteuer. Dass natürlich trotzdem (und manchmal auch gerade deshalb) einiges schiefgehen kann bei einem Film, das illustriert der Filmemacher Namir Abdel Messeeh in Die Jungfrau, die Kopten und ich auf herrlich selbstironische Weise.
Den Ausgangspunkt der filmischen Recherche bildet eine alte Videokassette, die angeblich, so geht die Familienlegende, eine waschechte Marienerscheinung zeigen soll. Namir aber, dessen koptische Familie schon seit langem in Frankreich lebt und der sich selbst als Agnostiker bezeichnet, sieht auf dem alten Band rein gar nichts. Weil seine Mutter aber steif und fest behauptet, die Jungfrau auf der Aufnahme gesehen zu haben, nimmt Namir das zum Anlass, um sich mit der Kamera nach Ägypten aufzumachen. Dort, wo die wundergläubige Gemeinschaft der Kopten lebt, macht er sich auf die Suche nach anderen Heiligenerscheinungen, die in der koptischen Religion eine besondere Rolle spielen und angeblich besonders häufig vorkommen. Die Auskünfte aber sind äußerst widersprüchlich und verwirrend, natürlich habe man schon ganz oft die Jungfrau Maria gesehen, sagt der eine, während der andere genauso überzeugend das alles als Mumpitz und Aberglauben abtut. Was also stimmt denn nun? Und vor allem: Wäre es nicht schön, selbst eine Marienerscheinung vor die Kameralinse zu bekommen – auch wenn man vorgeblich nicht daran glaubt? Schließlich ist Reenactment längst Usus geworden in Fernsehdokumentationen und anderen Formaten.

Der Titel deutet es schon an und das aufgezeichnete Gespräch mit seinem Produzenten am Anfang des Films zielt in eine ähnliche Richtung: Namir Abdel Messeeh verändert im Laufe des Films mehrfach den Blickwinkel seiner filmischen Suchbewegung – ausgehend vom rein Privaten zeigt er aus kritischer Distanz das Leben der zumeist in bitterer Armut lebenden Kopten in Ägypten, zeichnet ein beredtes Bild des Zusammenlebens der verschiedenen Religionen und führt ganz nebenbei die Mechanismen des dokumentarischen Kinos als Illusionsmaschine vor.

Bei so vielen Interessen verwundert es kaum, dass der Film, getragen vom liebenswert-tapsigen Filmemacher selbst, mitunter etwas aus- und abschweifend geraten ist. Dank seines Witzes und seiner Selbstironie aber entsteht dennoch kein Moment der Langeweile, vielmehr folgt man Messeeh zunehmend fasziniert und amüsiert auf seiner Reise durch die fremde Welt der koptischen Christen, auch wenn man sich an manchen Stellen mehr Hintergrundinformationen – beispielsweise über das angespannte Verhältnis zwischen Kopten und Muslimen – gewünscht hätte. Stattdessen steht bei Die Jungfrau, die Kopten und ich vor allem das Private und Zwischenmenschliche im Fokus des Interesses: im Verlauf des Films wird aus dem etwas naiven Jäger der Wunder zunehmend selbst ein Gejagter, immer wieder insistieren Messeehs resolute Mutter und sein Produzent, wenn es der Regisseur wieder einmal übertreibt.

Genau so sollte ein fruchtbarer interkultureller und -religiöser Dialog aussehen: Voller Humor und Staunen und mit Respekt für das, was verbindet und das, was trennt.

Die Jungfrau, die Kopten und ich

Einen Dokumentarfilm über sich selbst und die eigene Familie zu machen, gehört vermeintlich zu den einfacheren Aufgaben eines Filmemachers. Denn schließlich sind die Portraitierten – zumindest wäre das zu hoffen – dem Regisseur allesamt freundlich gesinnt, aufgeschlossen und offen – kurzum: Ideale Kandidaten für solch ein Abenteuer.
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