Die irre Heldentour des Billy Lynn (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Life of Billy Lynn

In den USA wird Die irre Heldentour des Billy Lynn insbesondere für seine visuelle Brillanz gefeiert: In einem Aufnahmeverfahren mit 120 statt der üblichen 24 Bilder pro Sekunde und einer 4K-Auflösung, die die 3D-Bilder wesentlich heller und detaillierter macht, will Regisseur Ang Lee nach Life of Pi mit seinem neuen Film das 3D weiterhin revolutionieren. Es gibt nur einen Nachteil: Hierzulande gibt es kein Kino, das den Film in dieser Form vorführen kann, auch in den USA ist es nur in sehr wenigen Spielstätten möglich, ihn so abzuspielen. Damit wird er überwiegend in „normalem“ 3D oder gar 2D gezeigt und gesehen.

Der 19-jährige Soldat Billy Lynn (Joe Alwyn) wird als Held gefeiert, weil er mitten im Gefecht seinem sterbenden Vorgesetzten zu Hilfe eilte, was von einer Kamera gefilmt wurde. Nun kehrt er 2004 mit seinem Bravo Squad aus dem Irakkrieg zurück, um eine patriotisch-propagandistische Jubeltournee in Texas zu absolvieren. Der Film konzentriert sich dabei auf einen einzigen Tag, an dem die Soldaten während des Thanksgiving-Spiels der Dallas Cowboys im Halbzeitprogramm auftreten sollen. Die Vergangenheit wird indes durch Rückblenden in die Gegenwart geschoben: Zwei Stränge erzählen zum einen von dem Tag, an dem im Irak Offizier Shroom (Vin Diesel) starb, und zum anderen von Billys Rückkehr zu seiner Familie, die für seine Schwester Kathryn (Kristen Stewart) Anlass ist, ihren Bruder von einem zweiten Einsatz abzuhalten.

Es ist eine unspektakuläre, fast schon literarische Erzählweise, die Ang Lee in seiner werkgetreuen Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ben Fountain wählt, um verschiedene Themen aufeinander prallen zu lassen: Billy hat erstmals seine Heimat verlassen, um in der Fremde an einem Kampfeinsatz teilzunehmen und nun scheinen die Menschen zuhause anders zu sein, seine Erfahrungen und Erlebnisse weder zu teilen noch zu verstehen. Im Jahr 2004 ist die Begeisterung für den Irakkrieg noch groß, entsprechend gefeiert werden Billy und seine Kameraden. Fast jeder, der mit ihnen spricht, wartet gierig auf eine Sensationsgeschichte, verlangt Blut, Schweiß und Tränen, aber niemand will eine ernsthafte, wahre Antwort hören. Für Billy und die anderen Soldaten gilt es hier, eine Illusion aufrechtzuerhalten, einmal platzt es aus Billy heraus, dass er nicht verstehe, wieso er für den schlimmsten Tag seines Lebens geehrt und gefeiert werde, schließlich habe er sein Ziel nicht erreicht. In solchen Momenten wird sowohl die Grausamkeit als auch die Absurdität des Kampfeinsatzes und dessen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit deutlich. Aber auf dieser Tour muss die Show weitergehen, also werden weiterhin die Rechte an Billys Geschichte verhandelt, damit Hollywood sich ihrer annehmen kann, werden weiterhin die immer gleichen Fragen beantwortet und wird das Bild des tapferen Soldaten aufrechterhalten.

Von Anfang an ist der Film somit von satirischen Elementen durchzogen, die in der Halbzeitshow ihren Höhepunkt erreichen: Billy und seine Kameraden sollen zu einem Auftritt von Destiny’s Child als Teil der Bühnenchoreografie marschieren, auf Markierungen achten und stramm aussehen, aber offenbar hat niemand daran gedacht, dass das Knallen der Pyrotechnik bei Soldaten, die gerade aus dem Kampfeinsatz zurückgekehrt sind, traumatische Erinnerungen auslösen kann. Hier geht es um die Show, den äußeren Eindruck – und Ang Lee lässt in diesen wie vielen anderen Szenen die Bissigkeit vermissen, die in ihnen angelegt ist. Auch entlarvt er nur selten die Klischees, die in der Geschichte angelegt sind.

Als Satire ist der Film daher zu zahm, aber es sind zu viele satirische Elemente enthalten, als dass der Film als Drama bewegt. Hier hätte sich Ang Lee für eine Richtung entscheiden müssen, zumal Die irre Heldentour des Billy Lynn auch als Coming-of-Age-Film funktioniert hätte, da Billy sich im Verlauf des Tages eingestehen muss, dass er gerne Soldat ist, und er letztlich auch erkennt, dass er und seine Kamera eingespannt wurden und sich letztlich sogar die nette Cheerleaderin weniger für ihn als seine Uniform interessiert. Aber so bleibt der Eindruck, dass Ang Lee sich in Die irre Herldentour des Billy Lynn weitaus mehr auf das Technische als die Geschichte konzentriert hat. Sicherlich merkt man, dass er im Grunde seines Herzens ein Humanist ist. Aber bei diesem Stoff fehlt eine klare Hinwendung, entweder zur Satire oder dem menschlichen Kern.
 

Die irre Heldentour des Billy Lynn (2017)

In den USA wird „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ insbesondere für seine visuelle Brillanz gefeiert: In einem Aufnahmeverfahren mit 120 statt der üblichen 24 Bilder pro Sekunde und einer 4K-Auflösung, die die 3D-Bilder wesentlich heller und detaillierter macht, will Regisseur Ang Lee nach „Life of Pi“ mit seinem neuen Film das 3D weiterhin revolutionieren.

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