Die Hochstapler

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Nepper, Schlepper, Bauernfänger

Jeder Mensch, so will es die Wissenschaft herausgefunden haben, lügt während eines ganz normalen Tages bis zu zweihundert Mal. Das beginnt bei der Frage nach dem eigenen Wohlbefinden und setzt sich nahtlos fort. Lügen, so lernen es bereits kleine Kinder, sind ein integraler Bestandteil unseres Lebens, denn wer dann und wann an strategisch richtigen Stellen die Unwahrheit sagt, kommt damit oft weiter als mit der Wahrheit.
Was in unser aller Leben vollkommen normal und alltäglich erscheint, wird dann problematisch und vor allem kriminell, wenn planmäßig und im großen Stil zu anderer Menschen Schaden gelogen wird. Hochstapelei und Betrug nennt sich dieses Verhalten, und die notorische Lüge zur eigenen Vorteilsverschaffung gehört seit jeher zu den beliebtesten Themen in Literatur, Philosophie und Film. Ob Till Eulenspiegel oder Felix Krull, Leonardo DiCaprio in Catch me if you can oder Paul Newman und Robert Redford in Der Clou, die Liste ausgekochter Schlitzohren ist beinahe endlos und sorgt immer wieder in den Kinosälen für beste Unterhaltung. Bislang gab es neben zahlreichen Spielfilmen allerdings keine einzige Dokumentation über Gaunereien dieser Art. Mit Die Hochstapler von Alexander Adolph ändert sich dies nun, denn erstmals erzählen vier verurteilte Hochstapler und Betrüger aus ihrem Leben mit der Lüge.

Mark Z. beispielsweise ist 35 Jahre alt und hatte das, was man wohl eine behütete Kindheit nennen kann. Doch als sein von ihm bewunderter großer Bruder starb, driftete der bis dahin strebsame Textilkaufmann ab und führte ein Doppelleben: Neben seinem normalen Beruf arbeitete er gleichzeitig als Vermögensberater und trieb seine Klienten mit falschen Versprechungen und dubiosen Immobilien bedenkenlos in den Ruin. Nicht gerade ein Sympathieträger. Auch Torsten S. besitzt die Mischung aus Unverschämtheit und Überzeugungskraft, die es benötigt, um Andere übers Ohr zu hauen. Er gab sich als enger Freund Joschka Fischers und als Diplomat aus und organisierte als angeblicher Funktionsträger der NATO gar eine Sicherheitskonferenz, was eine gesamte Stadt in Aufruhr versetzte. Peter G. hingegen wuchs als Zeuge Jehovas in asketischer Umgebung auf und war später von den Wunsch getrieben, mehr als das zu besitzen, was ihm als Kind und Jugendlicher vergönnt gewesen war. Nach etlichen Straftaten wurde er von der Justiz mit einer Sicherheitsverwahrung belegt, was sonst nur bei besonders schweren Kapitalverbrechen verhängt wird. Der bekannteste der vier Hochstapler ist Jürgen H., der mittlerweile über seine Beutezüge und Betrügereien, auf die auch prominente Deutsche wie etwa Dieter Bohlen und andere Angehörige der selbst ernannten oder tatsächlichen Eliten hereinfielen, ein Buch geschrieben hat. Seine kriminelle Karriere begann, als er – aus einfachen Verhältnissen kommend – eine Frau aus den besseren Kreisen beeindrucken wollte. Als er merkte, mit welch einfachen Geschichten anderen Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen war, konnte H. nicht mehr mit seinen Betrügereien aufhören, was zum Teil dazu führte, dass der Hochstapler teilweise seine eigenen Lügen zu glauben begann. Ein Teufelskreis der Lüge begann – ein Phänomen, dass sich bei allen interviewten Hochstapler beobachten lässt und dass wohl auch der eine oder andere Zuschauer aus eigener Anschauung kennen mag.

Obwohl Die Hochstapler über weite Passagen als klassischer Interviewfilm daher kommt, hat der Film kaum nennenswerte Längen, was vor allem an der Offenheit liegt, mit der die vier professionellen Lügner ihr dreistes Vorgehen schildern. Auch die psychologischen Hintergründe, die die Motive der vier Betrüger erklären, aber niemals rechtfertigen, bestätigen den insgesamt positiven Eindruck, den Die Hochstapler hinterlässt. Natürlich spielen die Hochstapler auch in der Interviewsituation ihre Rollen, die ihre Betrügereien überhaupt erst möglich gemacht haben, aus, denn das Schauspiel, der virtuose Umgang mit verschiedenen Identitäten macht ja erst ihre Überzeugungskraft aus. Ein spannender Film über Wahrheit, Lüge, Gier und Manipulation und ein guter Grund, sich einmal auf das Experiment einzulassen, den eigenen Umgang mit Wahrheit und Lüge noch einmal grundlegend zu überdenken.

Die Hochstapler

Jeder Mensch, so will es die Wissenschaft herausgefunden haben, lügt während eines ganz normalen Tages bis zu zweihundert Mal. Das beginnt bei der Frage nach dem eigenen Wohlbefinden und setzt sich nahtlos fort.
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Meinungen

Nik Schyra · 11.07.2007

Dieser Film ist schlichtweg gesagt einfach genial. Zeigt er doch genau diese Typen die uns Tag für Tag betrügen, daß letzte Geld aus der Tasche ziehen und uns gegebenenfalls in den Selbstmord treiben können. Wer bei diesem Panoptikum noch gefehlt hätte, wären unsere gewählten Berufspolitiker die immer hinterher (leider) straffrei ausgehen. Den kleinen Mann hängt man, den großen läßt man laufen...oder verleiht ihm das Bundesverdienstkreuz.
Nikolaus Schyra

Pawlik Christoph · 24.04.2007

ich meine, es ist ein Film, wie es das reale Leben zeigt und außerdem von einem ausgezeichneten Flimemacher. Ich bin neugierig geworde.