Die göttliche Ordnung (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Wichtiges Thema, perfekt verpackt

Es ist das Jahr 1970 und in einem kleinen Schweizer Dorf scheint die Welt in Ordnung zu sein. Nora Ruckstuhl (Marie Leuenberger) lebt mit ihrem Mann Hans (Max Simonischek) und ihren zwei Söhnen in dem beschaulichen Ort, in dem von den gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der 1968er kaum etwas zu spüren ist. Einzig ihre Nichte rebelliert gegen die Eltern und wird als „Dorfmatratze“ beschimpft, weil sie angeblich „jeden ran lassen würde“. Aber ansonsten läuft alles glatt: Hans absolviert demnächst den Wehrdienst und soll dann befördert werden, der Schwiegervater ist zwar anstrengend, aber Nora ist eine nette Frau, die dessen Lauen erträgt und Socken wäscht, von allen gemocht wird und ihre Aufgaben brav erfüllt.

Doch dann bemerkt sie, dass sie gerne wieder Teilzeit arbeiten würde. Dafür braucht sie die Erlaubnis ihres Mannes, aber er will das nicht. Schließlich könnten die Leute im Dorf sonst glauben, er könne die Familie nicht versorgen. Dass seiner Frau hingegen Haushalt und Kinder nicht reichen, dass sie etwas für sich selbst machen will, versteht er nicht. Und falls ihr langweilig sei, könnten sie ja noch ein Kind bekommen. Aber Nora gibt nicht auf, sie kann dieses Bedürfnis nicht ignorieren. Und als sie dann miterleben muss, wie ihre Nichte erst in ein Erziehungsheim und dann ins Gefängnis kommt, nur weil sie sich in den „falschen“ Mann verliebt hat, erkennt sie mehr und mehr Ungerechtigkeiten im Leben von Frauen. Sie sind dem Mann ausgeliefert, er verfügt über das Vermögen, er trifft alle Entscheidungen. Und während Hans seinen Wehrdienst ableistet, beginnt sie, aktiv für das Frauenwahlrecht zu kämpfen. Denn das dürfen die Frauen in der Schweiz im Jahr 1970 nicht. Vielmehr läuft dort gerade mal wieder eine Kampagne, die den Frauen das Stimm- und Wahlrecht zugestehen soll. Allerdings betrifft diese Entscheidung die Verfassung und deshalb entscheidet darüber das stimmberechtigte Volk – und das sind in diesem Fall die Männer, die den Wehrdienst abgeleistet haben. Außerdem muss eine Mehrheit der Kantone zustimmen. Im Jahr 1959 ist eine erste Volksabstimmung bereits gescheitert, aber nun folgt ein weiterer Anlauf.

Es ist ein wichtiges Thema, das Petra Volpe in Die göttliche Ordnung behandelt – und es ist perfekt verpackt. Nora ist eine sympathische Heldin, die eigentlich ganz zufrieden ist mit ihrem Leben als Hausfrau und Mutter, aber da ist eben auch noch mehr. Und das zeigt sich jeden Abend, wenn sie ihre Söhne ins Bett bringt. Dann hält ihr einer der Jungs die Augen zu, während der andere den Globus dreht und Nora mit dem Finger auf die Kugel tippt. Von dieser Gegend erzählt sie dann ihren Kindern, sie denkt sich Geschichten von blinden Tiefseefischen aus, die nicht wissen, was es in der Welt noch so gibt. Doch Nora ahnt, dass es in der Welt noch mehr gibt – und sie will davon etwas sehen. Es sind diese Kleinigkeiten in den Szenen, die viele Einblicke in das Leben erlauben, ohne dass es erklärt oder gesagt werden müsste. Dazu durchmisst die Kamera von Judith Kaufmann, mit der Petra Volpe schon bei Traumland zusammengearbeitet hat, die Enge dieses Lebens – und deutet die Sehnsucht an, die es durchzieht.

Aber die Geschichte bleibt nicht bei Nora und Hans, sondern es entfalten sich in diesem Dorf komplexe Beziehungen: Hans’ Bruder ist nicht nur überfordert mit der rebellischen Tochter, sondern offensichtlich auch unglücklich mit dem Leben als Bauer auf dem elterlichen Hof, den sein ständig motzender Vater ihm zögernd überlassen hat. Hans’ Schwägerin hat sich fürs Erste gefügt in dieses unglückliche Leben, aber kann die Augen vor dem Schicksal der Tochter nicht verschließen. Hans ist eigentlich einer von den Guten, beliebt bei Kollegen, aber zugleich auch verankert in den Traditionen und gesellschaftlichen Erwartungen. Deshalb behält er lieber für sich, dass er für das Frauenstimmrecht ist und spendet brav für die Kampagne gegen die Einführung des Frauenstimmrechts, die von seiner Chefin angeführt wird. Und hier macht Petra Volpe zugleich klar, dass nicht nur die Männer dagegen waren, sondern es auch Frauen gab, die der Meinung waren, der Platz der Frau sei nicht neben, sondern hinter dem Mann, der alle Entscheidungen zu treffen habe.

Hier trifft Familien- auf Dorfdrama, zugleich ziehen auch immer wieder komödiantische Töne und bei einem Hippie-Seminar zur Entdeckung der Vulva, geleitet natürlich von einer Schwedin (Sofia Helin), sogar satirische Züge ein. Mühelos vollziehen sich diese nuancenreichen Wechsel, zugleich vergisst der Film aber nicht, dass er zu unterhalten vermag. Deshalb ist Die göttliche Ordnung der perfekte Film, um zu zeigen, dass radikale Änderungen in kurzer Zeit möglich sind. Und dass Gleichberechtigung noch lange nicht so selbstverständlich ist, wie manche gerne tun. Denn eines sollte man auch nicht vergessen: Erst seit 1977 darf eine Frau in Deutschland ohne Einverständnis ihres Mannes erwerbstätig sein. Zwar wurde das Recht des Mannes, ein Dienstverhältnis seiner Frau zu kündigen, 1958 aufgehoben, aber erst das 1976 beschlossene und ein Jahr später in Kraft getretene Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts etablierte das Partnerschaftsprinzip, nach dem es keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenverteilung in der Ehe mehr gibt.

Die göttliche Ordnung (2017)

Es ist das Jahr 1970 und in einem kleinen Schweizer Dorf scheint die Welt in Ordnung zu sein. Nora Ruckstuhl (Marie Leuenberger) lebt mit ihrem Mann Hans (Max Simonischek) und ihren zwei Söhnen in dem beschaulichen Ort, in dem von den gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der 1968er kaum etwas zu spüren ist. Einzig ihre Nichte rebelliert gegen die Eltern und wird als „Dorfmatratze“ beschimpft, weil sie angeblich „jeden ran lassen würde“.

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Meinungen

Heinrich Knepper · 25.08.2017

Die Originalfassung auf Schweizerdeutsch hat einen Witz und Charme, der in der synchronisierten Fassung völlig verloren geht. Für wie dumm und taub halten die Filmverleihen eigentlich das deutschsprachige Publikum ?

Karin · 03.08.2017

Ich habe den Film im März in der Schweiz gesehen, Sprache " Dialekt". Der Film ist wunderbar auf Schwyzerisch, verliert aber durch die deutsche Synchronisation viel von seinem Charme und der Originalität. Original mit deutschen Untertiteln wäre meiner Meinung nach viel besser gewesen!

kino-zeit · 15.03.2017

@Beatrice Marasco: Beim 09. März 2017 handelt es sich um den Schweizer Kinostarttermin; wir geben hier auf der Seite immer den deutschen Kinostarttermin an - und müssen uns hierzulande tatsächlich noch bis zum 03. August gedulden.

Beatrice Marasco · 14.03.2017

Der Kinostart ist nicht der 3.8.2017, sondern der 9. März 2017.
Ich weiss es so genau, weil ich ihn schon gesehen habe ;o)