Die Frau mit der Kamera - Portrait der Fotografin Abisag Tüllmann

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Ein persönliches Porträt

Bedächtig bewegt sich die Kamera von einem Raum zum nächsten, über Regale zu einem Schreibtisch, jeden Zentimeter dokumentierend, nichts auslassend. Über vier Minuten hinweg wird ein Lebensmittelpunkt illustriert, den das Leben jedoch verlassen hat. Es ist die Wohnung und der Arbeitsbereich von Abisag Tüllmann, den ihre Freundin, die Filmemacherin Claudia von Alemann, hier dokumentiert. Und das nur drei Tage, nachdem Tüllman im Jahr 1996 verstorben ist.
Von Alemann lernte die Fotografin während ihrer Studienzeit kennen. Ein Leben lang blieben sie Freundinnen, auch dadurch verbunden, dass sie sich in einer Männerwelt behauptet hatten. Es ist ein sehr persönliches Porträt, das von Alemann hier zeichnet. Von einer Frau, die die deutsche Geschichte der 1960er bis 1990er Jahre begleitet und dokumentiert hat. Immer mit dem genau richtigen Gespür, wann der Auslöser der Kamera zu drücken war. Tüllmann erwies sich als virtuose Künstlerin, die ein Auge für den einen Moment hatte, der geschichtliche Prägnanz erlangen sollte. Ihre Schwarzweißaufnahmen strahlen eine Kraft aus, derer man auch in Die Frau mit der Kamera gewahr wird. Denn von Alemann zeigt etwa 500 Fotografien, die unkommentiert gelassen werden, aber von dissonanter, wirkungsvoller Musik unterlegt sind. Es sind Bilder von Prominenten, aber auch von Obdachlosen, von Hausbesetzern und Schauspielern. Ihnen allen gemein ist, dass sich Tüllmann für die Menschen interessierte, und es schaffte, ihre Essenz mit nur einem einzigen Bild einzufangen.

Es ist ein filmischer Essay, den von Alemann hier abliefert. Sie lässt Wegbegleiter und Freunde der verstorbenen Fotografin zu Wort kommen, zeichnet deren persönlich Geschichte nach, setzt sie aber vor allem in den historischen Kontext und schafft somit das, was auch Tüllmann mit ihren Fotos gelang. Sie zeichnet das Bild eines Menschen, den man nach Sichtung des Films besser zu verstehen glaubt. Insbesondere, weil in den späteren Passagen des Dokumentarfilms auch Tüllmann selbst zu Wort kommt, die langsam und bedacht spricht. Das erfordert Geduld vom Zuhörer, so wie auch Die Frau mit der Kamera die Geduld des Zuschauers einfordert, da hier keine einfache biographische Erzählung geboten wird, sondern ein Mensch in seinem Ganzen erfasst werden soll – soweit dies durch die Augen eines Dritten überhaupt möglich ist.

Die Frau mit der Kamera ist die Geschichte einer Frau, die nicht nur deutsche Historie dokumentiert, sondern auch in anderen Ländern, darunter Rhodesien und Algerien, aktiv war und mit ihren Fotografien ein Stück Wahrhaftigkeit geboten hat, die mit dem starken Schwarzweißkontrast ungeschönt und authentisch wirkt. Aber damit wurde sie von der Zeit auch überholt, wie sie sich erinnert. Denn der Stern wollte später am liebsten nur noch Farbfotos – selbst von zeitgeschichtlichen Ereignissen, die Jahrzehnte zurücklagen. Aber Tüllmann blieb sich selbst treu und dokumentierte mit wachem Geist – und in Grautönen –, was um sie herum vorging. Claudia von Alemanns Film versteht es nun, dieser bemerkenswerten Fotografin ein Denkmal zu setzen.

Die Frau mit der Kamera - Portrait der Fotografin Abisag Tüllmann

Bedächtig bewegt sich die Kamera von einem Raum zum nächsten, über Regale zu einem Schreibtisch, jeden Zentimeter dokumentierend, nichts auslassend. Über vier Minuten hinweg wird ein Lebensmittelpunkt illustriert, den das Leben jedoch verlassen hat. Es ist die Wohnung und der Arbeitsbereich von Abisag Tüllmann, den ihre Freundin, die Filmemacherin Claudia von Alemann, hier dokumentiert. Und das nur drei Tage, nachdem Tüllman im Jahr 1996 verstorben ist.
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