Die fast perfekte Welt der Pauline

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Das Leben des Anderen

Deutsche Verleiher sind immer für Überraschungen gut. So auch im Fall der französischen Tragikomödie Die fast perfekte Welt der Pauline, deren Protagonistin hierzulande einen Namenswechsel über sich ergehen lassen muss. Aus der Perrine im Original wird plötzlich eine Pauline, was das leichtfüßig-banale Filmchen freilich keinen Deut anspruchsvoller macht. Der Grund für die Änderung bleibt letztlich nebulös. Im Gegensatz zum ganz bewusst gewählten deutschen Titel, der unverkennbar Bezug auf Jean-Pierre Jeunets poetisch-schräges Großstadtmärchen Die fabelhafte Welt der Amélie nimmt. Ein Verweis mit nettem Wortspiel – mehr aber auch nicht.
In den Mittelpunkt ihres Spielfilmdebüts als Drehbuchautorin und Regisseurin stellt Marie Belhomme mit Perrine, pardon, Pauline (Isabelle Carré) eine Frau mittleren Alters, die irgendwo zwischen Kindheit und Erwachsenendasein gefangen ist. Eine linkische Animateurin, die auf Kindergeburtstagen und bei Rentnertreffen für Stimmung sorgt, am liebsten jedoch Musikunterricht geben würde. Mit 39 Jahren hat sie bislang nur wenig erreicht. Und doch schlägt sich Pauline recht wacker durch ihren oftmals chaotischen Alltag. Als sie sich auf dem Weg zu einem neuen Job hoffnungslos verfranzt, will sie den nichtsahnenden Fabrice (Philippe Rebbot) um Hilfe bitten, erschreckt ihn – ihrem Darth-Vader-Kostüm sei Dank – allerdings so sehr, dass er kopfüber in eine Grube stürzt. Nachdem Pauline den Notarzt alarmiert hat, sucht sie panisch das Weite und ist am nächsten Tag erfreut, zu hören, dass Fabrice ‚lediglich‘ im Koma liegt. Ihr schlechtes Gewissen treibt die tollpatschige Alleinunterhalterin an sein Krankenbett. Und nur wenig später taucht sie zunächst vorsichtig, dann voller Eifer in das Leben des nach wie vor bewusstlosen Mannes ein.

Die Grundidee ist gar nicht schlecht und bietet reichlich Gelegenheit, Situationskomik und leicht verstörende Momente zu verbinden. Immerhin erscheint das Handeln der Protagonistin stets auch ein wenig pathologisch. Wer, bitte schön, lässt ein Unfallopfer einfach liegen, um kurz darauf dessen Alltag zu übernehmen, mit allen Risiken und Nebenwirkungen? In ihrem sympathisch-verhuschten Spiel federt Hauptdarstellerin Isabelle Carré die etwas unheimliche Seite ihrer Figur immer wieder ab, sodass der Film seinen beschwingten Tonfall nicht verliert. Einige herrlich absurde Szenen – Klebewand und Bärenkostüm sind treffende Stichworte – hat die Debütregisseurin im Köcher und schafft es ein ums andere Mal, Carrés liebenswert-komische Seite herauszukitzeln. Mindestens ebenso häufig setzt der Film aber auch auf simplen Klamauk, der dem Zuschauer allenfalls ein müdes Lächeln abringt.

Problematischer als die nicht immer gelungenen Humoreinlagen sind das weltfremde Verhalten vieler Figuren und die vermehrt unwahrscheinlichen Wendungen und Zufälle, mit denen Belhomme und Koautor Michel Leclerc ihre Handlung ausstaffieren. Plausibilität sollte eigentlich kein besonderes Kriterium bei einer Kinokomödie sein. Wenn die Regisseurin im Presseheft allerdings selbst betont, dass sie eine halbwegs realistische Geschichte erzählen wolle, ist es mehr als recht, das Gezeigte auf seine Glaubwürdigkeit abzuklopfen. Wie Pauline sich durch diverse Verwicklungen laviert und ohne allzu große Schwierigkeiten in Fabrices Alltag eingreifen kann, hat unter dem Strich nicht viel mit der Lebenswirklichkeit zu tun.

Uninspiriert-konventionellen Gesetzmäßigkeiten folgt schließlich der romantische Schwenk, den die Tragikomödie im hastig und unbeholfen zusammengebastelten dritten Akt nimmt. Ärgerlich ist nicht nur, dass die Gefühle etwas behauptet erscheinen. Zu allem Überfluss legt der Film auch noch nahe, dass die fast perfekte Welt der bislang alleinlebenden Pauline erst mit einem Mann an ihrer Seite wirklich fabelhaft wird. Eine fragwürdige, um nicht zu sagen reaktionäre Erkenntnis, die man zur Genüge aus zahlreichen plumpen US-Komödien kennt.

Die fast perfekte Welt der Pauline

Deutsche Verleiher sind immer für Überraschungen gut. So auch im Fall der französischen Tragikomödie „Die fast perfekte Welt der Pauline“, deren Protagonistin hierzulande einen Namenswechsel über sich ergehen lassen muss. Aus der Perrine im Original wird plötzlich eine Pauline, was das leichtfüßig-banale Filmchen freilich keinen Deut anspruchsvoller macht.
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