Der Vater meiner besten Freundin

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Verrückt auf Korsika

Als „Nr. 1 Komödie aus Frankreich“ wird Der Vater meiner besten Freundin beworben – und tatsächlich verfügt Jean-François Richets Werk über viele Stärken, die man mit diesem Label verbindet: souveräne Stars, eine exquisite Bildgestaltung, pointierte Dialoge sowie einen unverkrampften Umgang mit einem schwierigen Thema. Doch trotz dieser zahlreichen Qualitäten vermag der filmische Mix aus Humor und Dramatik nicht vollauf zu überzeugen – was insbesondere an der durchwachsenen Figurenzeichnung liegt.
Die Geschichte von Der Vater meiner besten Freundin wurde bereits zweimal erzählt: zum ersten Mal in Aller Anfang macht Spaß (1977) von Claude Berri (der französische Titel damals war ebenfalls wie bei dem jetzigen Remake Un moment d’égarement); zum zweiten Mal in Stanley Donens US-Remake Schuld daran ist Rio / Blame It On Rio (1984). Auch in Richets Neuverfilmung geht es um zwei befreundete Väter, die mit ihren jugendlichen Töchtern Urlaub machen – und um das Chaos, das entsteht, als einer der Männer eine Liaison mit der Tochter des anderen beginnt: Die Sommertage, die Antoine (François Cluzet) und Laurent (Vincent Cassel) mit Louna (Lola Le Lann) und Marie (Alice Isaaz) auf Korsika verbringen, werden zu einer Zerreißprobe für sämtliche Beziehungen innerhalb des Quartetts, als sich die 17-jährige Louna in den Mittvierziger Laurent verliebt und dieser sich in einer Vollmondnacht am Strand auf die Avancen der jungen Frau einlässt.

Im Gegensatz zu Donens missglückter Bearbeitung des Stoffes driftet Der Vater meiner besten Freundin an keiner Stelle in unerträglichen Klamauk mit Slapstick-Einlagen ab, sondern lässt – wie schon das Original aus den 1970er Jahren – ein Bewusstsein für die ernsten Untertöne des Geschehens erkennen. Allerdings bleibt der größte Schwachpunkt des Berri-Films bestehen: Die plötzliche, äußerst extreme Verliebtheit der Tochter ist eine Behauptung des Drehbuchs, die weder inszenatorisch noch schauspielerisch beglaubigt werden kann. Nach einem Kletterausflug zu viert (mit einem kurzen, erotischen Intermezzo zwischen Laurent und Louna) wird gezeigt, wie die Heranwachsende auf der Rückfahrt allmählich ihre Gefühle für Laurent begreift – während sie über ihre Kopfhörer mit der Pop-Ballade „Diamonds“ von Rihanna beschallt wird. Das wirkt recht banal – kann aber immerhin noch als Versuch angesehen werden, dem Publikum Lounas Innenleben mithilfe der (mehr oder weniger) aktuellen Teenager-Kultur zu vermitteln. Im weiteren Verlauf entwickelt sich die Figur jedoch zu einer derart aufdringlichen Person, dass nur noch ein kleines Quäntchen fehlt, um sie endgültig zu einer adoleszenten Version von Glenn Close aus Eine verhängnisvolle Affäre verkommen zu lassen. Lounas völlig unreflektierte Verwendung des Wortes „Liebe“ und das infantile Verhalten, das der Figur im Zuge ihrer Verführungsversuche vom Skript auferlegt wird, funktionieren nicht als witzige oder tragische Elemente der Handlung – sie sind schlichtweg ärgerlich und in keiner Weise nachvollziehbar, auch nicht als pubertäres Aufbegehren einer Tochter, die unter der Ehekrise ihrer Eltern leidet.

François Cluzets Rolle wird in der zweiten Filmhälfte ebenfalls problematisch: Der konstant besorgte Vater, der seine fast volljährige Tochter immer noch als „mein Baby“ bezeichnet und lange ahnungslos bleibt, wandelt sich allzu rasch in einen irrational agierenden Berserker, der nicht zuletzt durch seine Waffenvernarrtheit ziemlich bedrohlich anmutet. Zwar ist Cluzet wie immer charismatisch – dennoch fällt es hier zunehmend schwer, seiner Figur Sympathie entgegenzubringen. Als dankbarste Parts erweisen sich hingegen gerade die, die im ersten Moment eher undankbar erscheinen. So hätte Vincent Cassel als geschiedener Mann in der Midlife-Crisis, der dem aufreizenden Gebaren einer 17-Jährigen nicht standhalten kann, leicht zur Dirty-Old-Man-Karikatur werden können; stattdessen meistert der Charakterdarsteller sowohl Laurents komische als auch dessen emotionale Momente mit Bravour. Alice Isaaz – deren Rolle als Cassels Filmtochter wohl das größte Randfigurenpotenzial innewohnt – wird indes zur echten Szenendiebin: Die Blicke und Sprüche der cleveren Marie, die schnell durchschaut, was um sie herum vor sich geht, sorgen letztlich für die intensivsten und bissigsten Passagen von Der Vater meiner besten Freundin.

Der Vater meiner besten Freundin

Als „Nr. 1 Komödie aus Frankreich“ wird „Der Vater meiner besten Freundin“ beworben – und tatsächlich verfügt Jean-François Richets Werk über viele Stärken, die man mit diesem Label verbindet: souveräne Stars, eine exquisite Bildgestaltung, pointierte Dialoge sowie einen unverkrampften Umgang mit einem schwierigen Thema.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen