Der Italiener (2006)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein Abgesang auf die Ära Berlusconis

Es war unvermeidlich, dass sich auch die Filmwelten mit der Figur des ehemaligen mehrfachen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi beschäftigen würden. Spätestens nach seinem widerwilligen, lärmenden Abtritt als Regierungschef von der großen politischen Bühne nach der knappen Niederlage bei den Parlamentswahlen von 2006 war mit filmischen Perspektiven auf diesen ebenso erfolgreichen wie heftig umstrittenen und politisch zweifelhaften Mogul zu rechnen. Zwar blieb eine Flut cineastischer Auseinandersetzungen aus, doch neben Jan Henrik Stahlbergs Bye Bye Berlusconi / Buonanotte Topolino, der im letzten Frühjahr auch noch vor den italienischen Wahlen in die Kinos kam, gibt es noch Der Italiener / Il Caimano von Nanni Moretti, der im Wettbewerb des Filmfestivals in Cannes 2006 vertreten war und nun ein wenig verspätet auf deutschen Leinwänden zu sehen sein wird.

Es steht schlimm um das Dasein des ermatteten Filmemachers Bruno Bonomo (Silvio Orlando): Sein scheinbares Familienidyll ist längst nur noch Fassade, seine Finanzen gleiten in die Katastrophe und beruflich naht die Krönung seiner Misserfolge der letzten Jahre in Form des endgültigen Bankrotts, und zudem wird er innerhalb des Filmgeschäfts auch noch offiziell als Dilettant verspottet. In diesen verflucht harten Zeiten, in denen er sich so verzweifelt wie erfolglos bemüht, das Ruder herumzureißen, wird ihm das Drehbuch „Il Caimano“ der jungen Autorin Teresa (Jasmine Trinca) geradezu aufgedrängt. Zunächst beschäftigt sich Bruno nur flüchtig mit dem Skript, denn er hat weiß Gott andere Sorgen und bemüht sich um die Finanzierung seines aktuellen Projektes „Die Rückkehr des Christoph Kolumbus“, von dem er sich eine Wende seiner desolaten Situation erhofft. Als er jedoch begreift, dass Terasa in ihrem Drehbuch eine heftige Abrechnung mit dem italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi (gespielt unter anderen von Nanni Moretti) vornimmt, setzt er all seine verbliebenen Energien daran, diesen Film gemeinsam mit der jungen Frau zu realisieren. Doch die brisante Thematik findet keineswegs sofort Interessenten, geschweige denn Förderer, und Brunos Privatleben eskaliert derweil so sehr, dass er selbst versucht ist, einfach aufzugeben…

Der Italiener / Il Caimano nähert sich der kritischen Betrachtung Berlusconis, ähnlich wie die gepfefferte Polit-Satire Stahlbergs, durch einen Film innerhalb des Films, der erst ganz am Ende seine verurteilende Haltung dem korrupten Medien- und Politikmacher, in der Presse auch gern „Il Caimano“ genannt, gegenüber deutlich entfaltet. Die Geschichte des tragischen Helden Bruno Bonomo bildet jedoch nicht etwa nur eine beiläufige Rahmenhandlung für das Anprangern der Machenschaften Berlusconis, sondern ist für sich genommen die intensive, bewegende Studie eines Mannes, der auf der ganzen Linie seines Lebensweges scheitert, eines Filmfanatikers, der sich in lauen Projekten verzettelt und erst spät erkennt, wo seine eigentlichen Qualitäten liegen und letztlich erst dann wieder Mut schöpft, als er sich beruflich wie privat von den eingefahrenen Pfaden längst vergangener Ideale lösen kann.

Mit Der Italiener / Il Caimano hat Nanni Moretti, der zuletzt 2001 als Regisseur den Film Das Zimmer meines Sohnes / La Stanza del Figlio präsentiert hat, einen höchst politischen Film inszeniert, der seinem Bedürfnis entsprang, sich filmisch mit Aspekten der Realität der Gesellschaft und Politik seiner Heimat Italien auseinander zu setzen, die beinahe phantastisch anmuten, um den Blick auf den alltäglichen Wahnsinn zu schärfen. „Ich glaube, dass unser Problem das der Gewöhnung ist: Wir haben uns an Gestalten und Vorgänge gewöhnt, die in einer Demokratie wirklich unfassbar sind“, so Moretti. In Italien, wo der Film vor den Parlamentswahlen von 2006 startete, schlug Der Italiener / Il Caimano als enormer Erfolg ein, und auch wenn das für die deutschen Kinowelten wohl nicht zu erwarten ist, zumal die Niederlage Berlusconis die aktuelle Brisanz ein wenig entschärft hat, ist diesem ebenso unterhaltsamen wie kritischem Werk doch ein interessiertes Publikum zu wünschen.
 

Der Italiener (2006)

Es war unvermeidlich, dass sich auch die Filmwelten mit der Figur des ehemaligen mehrfachen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi beschäftigen würden.

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