Der Hund begraben

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Das nächste Unglück wartet schon

Die Finnen haben die Papierfabrik übernommen. Deshalb muss Hans gehen. Hans liebt Papier, er arbeitet hier aus Berufung. Die Freistellung muss er erstmal verarbeiten. Und dann versuchen, sie zuhause zu kommunizieren. Aber die 15jährige Tochter hat einen Freund, ihren ersten, und ist deshalb unansprechbar. Die Frau verrückt den Tisch nach Feng Shui und hört auch nicht zu. Und in der Nacht steht ein Hund vor der Terrassentür. Ein Mischling, der alle Aufmerksamkeit an sich bindet. Hans kommt nicht durch. Der Hund begraben — diese schwarze Komödie von Sebastian Stern (Die Hummel) — folgt der Krise von Hans bis in die ganz tiefen, dunklen Abgründe.

Wo der Hund begraben ist, das müsste man wissen, wenn man Probleme hat. Ist aber gar nicht so leicht auszumachen, die Wurzel des Übels. Hans ist verloren in seinem Leben, und Justus von Dohnányi bringt mit seinem traurigen Hundeblick die Misere auf den Punkt. Juliane Köhler spielt Ehefrau Yvonne, die sich auf den ersten Blick in den zugelaufenen Hund verliebt. Der Hund als Gattenersatz — Hans ist überflüssig. Ein bizarrer Selbsthilferatgeber kann auch nicht helfen, „Sei der Hund, nicht der Schwanz“ heißt das esoterische Wünschdirwas-Buch, einmal faselt der Autor was von Pluto, der astrologisch für verdrängte Leidenschaften steht und doch zum Zwergplaneten heruntergestuft wurde — ob Pluto sich diese Aberkennung seines Status gefallen lässt? Wird Pluto blutige Rache üben?

Blutig wird es, so oder so. Von seiner Abfindung kauft sich Hans, sonst die Vernunft in Person, ein Cabrio. Saust fröhlich nach Hause, bis es Rums macht. Und Yvonne mit der ganzen Nachbarschaft Hundchen Kurt sucht, Kurt wie Cobain. Gewissenskonflikte. Wie kann Hans das gestehen, zumal er noch nichts von Jobverlust und Cabrio gesagt hat? Auftritt Georg Friedrich. Dessen Mike fühlt sich ebenfalls vom Universum betrogen, aber Hans ist ihm sympathisch. Wahrscheinlich für ein paar Karmapunkte mehr bietet er sich an: Er will den toten Hund auf seine Kappe nehmen. Dann ist Yvonne auf ihn sauer, aber Hans entlastet. Nur: Auch Mike bringt die Wahrheit nicht übers Herz. Und nistet sich bei Hans ein. Weil er sich an Yvonne ranmachen will, schließlich ist sein Herzenswunsch eine Frau, die das Universum ihm schuldet …

Hund als Gattenersatz, Mike als Hundeersatz: Eine einfache Konstellation, aber perfekt ausgespielt, dramaturgisch wie handlungstechnisch. Die Dialoge sitzen. Die Darstellung bringt pointiert die Tragik im Komischen und die Komik im Tragischen zum Tragen. Die Regie ist absolut souverän, was die Stimmung des Films angeht: Ein immer schneller werdendes Rutschen ins Absurde, das eigentlich nur der langweilige Alltag ist, in dem Hans Zuschauer seines eigenen Lebens ist.

Eine tolle Komödie, konsequent durchgespielt, mit klug eingesetzten überraschenden Wendungen, denen der Zuschauer gerne folgt — unvorhersehbar, was geschehen wird, und man folgt dem Film gerne in seinen Windungen. Einfach, weil er sehr lustig ist. Das Unglück, ach, es lauert an jeder Ecke, sagt Hans; aber manchmal kann man das Unglück vom Glück gar nicht so recht unterscheiden.
 

Der Hund begraben

Die Finnen haben die Papierfabrik übernommen. Deshalb muss Hans gehen. Hans liebt Papier, er arbeitet hier aus Berufung. Die Freistellung muss er erstmal verarbeiten. Und dann versuchen, sie zuhause zu kommunizieren. Aber die 15jährige Tochter hat einen Freund, ihren ersten, und ist deshalb unansprechbar. Die Frau verrückt den Tisch nach Feng Shui und hört auch nicht zu.

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