Der große Tag

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Von Leistungsträgern und Mutmachern

Albert (11) strebt mit einem großen Kampf nach einem Platz in der Boxakademie von Havanna. Deegii (11) aus der Mongolei möchte Akrobatik-Künstlerin werden. Tom (19) bereitet sich in Uganda auf eine Laufbahn als Ranger vor, weil er eine Arbeit braucht, die Tiere schützen und die Schimpansen studieren will. Alle drei sind jung, Degli sogar sehr jung, und gehen an ihre Prüfungen doch schon mit der Abgeklärtheit und Konzentration von Erwachsenen heran. Nicht weniger ehrgeizig ist Nidhi (15) aus Indien, die den Sprung auf die Technologie-Hochschule schaffen will. Regisseur Pascal Plisson beobachtet die Kids – und rührt dabei in seinem Dokumentarfilm eine Mischung aus ‚realer‘ und ‚inszenierter‘ Realität an, die manchmal sehr spannend, dann aber auch recht sentimental wirkt.
Natürlich beginnt der Film nicht mit dem ‚großen Tag‘ der Entscheidung. Er taucht ein in die Lebensbedingungen der Kinder. Armut und Kargheit herrschen vor. Aber über ihnen stülpt sich ein weiter Himmel, im Falle der ugandischen Naturschutzparks breitet sich längs des Viktoriasees eine grüne Gras- und Baumlandschaft aus. Elend gibt es nicht zu sehen. Die weichen Streicher-, Bläser- und Klaviereinsätze lassen den Gedanken daran auch gar nicht zu. Sie sind akustische Streicheleinheiten für die kleinen Helden. Die Erwachsenen verhalten sich derweil, wie man es sich wünscht. Egal ob Väter, Mütter oder Trainer: Sie unterstützen tatkräftig und sprechen Mut zu, sie fordern, sind aber auch immer ein wenig besorgt, ob ihre Spröß- und Zöglinge das schaffen.

Zeigt Der große Tag auf Kosten der sozialen Wirklichkeit ein Stück allzu heiler Welt in der ‚Dritten Welt‘? Bestimmt ist das so. Aber das Kino darf sich größere Freiheiten nehmen als Soziologie und Journalismus. Dieser Film verfolgt mindestens zwei sehr ehrenwerte Absichten. Erstens vermittelt er über die hochambitionierten und gleichzeitig sympathischen juvenilen Protagonisten ein positives Bild von Ländern, die häufig nur mit Problemen in Verbindung gebracht werden. Zweitens nötigt das, was diese Heranwachsenden auf sich nehmen, um ihre Ziele zu erreichen, Respekt ab. Handelt es sich nun darum, wie Albert Gewichte zu stemmen, um athletischer zu werden, wie Deegli auf ein Mundstück zu beißen und den Körper in die Höhe zu strecken, wie Tom Naturschutz und die politische Geschichte Afrikas zu pauken oder wie Nidhi sich die analytische Geometrie anzueignen.

Ambivalent ist indes die Wahl der Mittel. Plisson, der mit Der große Tag die Thematik von Auf dem Weg zur Schule fortsetzt, lässt bisweilen Angehörige in die Kamera sprechen. Doch er selbst bleibt still, will alles durch die Prüfungskadidaten selbst erzählen lassen. Weil Albert in seinem Freund Roberto einen großen kleinen Trainer („Achte auf Deine Beinarbeit!“) und begnadeten Sidekick hat, klappt das in seinem Fall sehr gut. Doch Nidhis Gespräche mit ihrem Vater erscheinen geradezu peinlich gestellt. Dem großen Tag selbst gewinnt er vielleicht etwas wenig Dramatik ab. Aber dafür ist der Film umso berührender.

Der große Tag

Albert (11) strebt mit einem großen Kampf nach einem Platz in der Boxakademie von Havanna. Deegii (11) aus der Mongolei möchte Akrobatik-Künstlerin werden. Tom (19) bereitet sich in Uganda auf eine Laufbahn als Ranger vor, weil er eine Arbeit braucht, die Tiere schützen und die Schimpansen studieren will. Alle drei sind jung, Degli sogar sehr jung, und gehen an ihre Prüfungen doch schon mit der Abgeklärtheit und Konzentration von Erwachsenen heran.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen