Der Große Navigator

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Unterwegs mit einem Missionar

Heiden sind Heiden, da drehen die Verantwortlichen der Liebenzeller Mission die Hand nicht herum. Und weil auch der Osten Deutschlands dringend der geistigen Erneuerung und Unterstützung bedarf, schicken sie einen der Ihren, den schwäbischen Pietisten Jakob Walter, nach Neubrandenburg, um dort für die Umkehr in der so genannten No-Go(d)-Area zu sorgen. Eine heikle Mission, die die beiden Filmemacherinnen Wiltrud Baier und Sigrun Köhler (Schotter wie Heu) mit Verwunderung und sichtlicher Freude an der Absurdität des Unternehmens begleiten. Ganz nebenbei entwerfen sie ein Bild von der Stimmungslage im Osten Deutschlands, das beinahe schon dem neugierigen Blick eines Ethnologen auf bislang unbekannte Eingeborenenstämme gleicht. Und so weit weg ist diese Assoziation gar nicht, denn zuvor missionierte Jakob Walter auf Papua-Neuguinea. Vom Pazifik nach Neubrandenburg – die mutmaßlich letzte Mission des Predigers und Menschenfischers entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Die Reise, sie wirkt beinahe inszeniert mit all ihren Fallstricken, Hindernissen und Irrwegen – wobei diese durchaus wörtlich zu nehmen sind. Ein ums andere Mal versagt das Navigationsgerät, führt den wackeren Streiter in die Irre, und wäre das Ganze ein Spielfilm, so käme man nicht umhin, die Drehbuchautoren für die Kühnheit und Verschmitztheit ihres Einfalls zu loben, ausgerechnet denjenigen fehlzuleiten, der anderen Orientierung geben soll. Doch es sind nicht nur die Wege, die Jakob Walter in Mecklenburg-Vorpommern ein Mysterium bleiben — er wirkt wie Herr Wichmann von der CDU als ein Rufer in der Wüste, fast selbst eine verlorene Seele, dem ein Chor von Punks die wenig fromme Botschaft „Unser Gott heißt Bier!“ entgegenschmettert. Angesichts von so viel Gottlosigkeit verwundert es kaum, dass Walter im Laufe des Films menschliche Schwächen zeigt und ins Grübeln gerät – er ist durchaus eine Art Don Quijote des Glaubens, ein Streiter von trauriger Gestalt für das Gute und den rechten Glauben. Ob bei einem Diavortrag, einer „Jesus-House-Party“ oder bei Missionsversuchen vor den Tempeln des Konsums – immer wieder prallen die Gegensätze zwischen den desillusionierten Menschen und der Glaubensstärke des Missionars harsch aufeinander und lassen den Mann immer wieder ernüchtert zurück. Obwohl der Tonfall des Films mal heiter-ironisch, mal deutlicher sarkastisch ist, rührt der Mensch Jakob Walter in all seiner Bescheidenheit und Unaufdringlichkeit ungemein und ist eine ungleich sympathischere, weil gebrochenere Figur als die esoterisch verklärten Neu-Evangelikalen vom Schlage eines Neale David Walsh, zu dessen Gesprächen mit Gott Wiltrud Baiers und Sigrun Köhlers bemerkenswerte Dokumentation Der Große Navigator den größtmöglichen Kontrast bildet – statt Pathos und naiven Erlösungsszenarien fragt der Film nach dem Sinn des Lebens und des Glaubens und gibt keine leichten Antworten – die muss schon jeder selbst für sich finden. Auch Jakob Walter…

Der Große Navigator

Heiden sind Heiden, da drehen die Verantwortlichen der Liebenzeller Mission die Hand nicht herum.
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Meinungen

· 06.12.2007

Jakob Walter als Person beeindruckt mich. Als gebürtigen Mecklenburger, der Anfang der Achziger in Neubrandenburg lebte, freut mich dies Projekt im Reitbahnviertel. Ich wünsche dem Film viele Vorstellungen und nachdenkliche Zuschauer. Vor allem hoffe ich, dass etliche der Menschen, denen der Kinobesucher in dieser Dokument "begegnet", im realen Leben eine gute Perspektive! Nicht zuletzt Jakob Walter und seinem Team.