Der große Kater

Eine Filmkritik von Lida Bach

Armer Schweizer Kater

Ergraut sitzt Der große Kater vor einem Tisch voller zerlegter Uhren. Die Zeit ist an dem gealterten Hauptcharakter in Wolfgang Panzers gelungenem gleichnamigem Kinofilm nicht spurlos vorüber gegangen. Auf ihre Weise hat sie den von Bruno Ganz mit kantigem Charme verkörperten Schweizer Staatsmann mitgespielt. Doch die Augen des ehemaligen Bundespräsidenten Kater funkeln. Er besitzt noch etwas von seiner alten Geschmeidigkeit. In seiner schwersten politischen Stunde hatte er sie auch bitter nötig. Mit leiser Ironie verfilmte Panzer Thomas Hürlimanns gleichnamigem Erfolgsroman über einen Politiker am Scheideweg.
„Der Mensch tut, was geschieht“, sinniert der in einer doppelten Krise gefangene Kater. Hinter seinem vermeintlichen Fatalismus steht Pragmatik. Kater tut, was er tun muss. Von seinen Widersachern in die Enge getrieben und seinem Freund und engstem Vertrauten Pfiff (Ulrich Tukur) verraten, zeigt „Der große Kater“ die Krallen. Der groß aufgezogene Staatsbesuch des spanischen Königs (Marek Kondrat) soll Katers öffentliches Image vor der anstehenden Neuwahl aufpolieren. Pfiff, Katers ehrgeizige Assistentin Dr. Bässler (Christinae Paul) und der päpstliche Nuntius (Edgar Selge) wollen ihren krebskranken Sohn den Medien preisgeben. Seine Frau Marie (Marie Bäumer) glaubt, ihr Mann habe den Besuch der spanischen Königin aus machtpolitischem Kalkül in das Kinderhospital verlegt. Im Machtpoker setzt er alles auf eine Karte. Aber kann er die politische Partie nur zum Preis eines Damenopfers gewinnen?

In den Gängen der Macht ist Thomas Hürlimann bewandert. Der Vater des Schriftstellers war selbst Schweizer Bundespräsident. Wie Schachfiguren bewegen sich die renommierte Darsteller durch die eleganten Szenenbilder, die einen eisern, die anderen biegsam. Panzer verurteilt keinen. Alle Figuren sind allzu menschlich, im Guten wie im Schlechten. Die Empfangssäle glänzen, das politische Parkett ist spiegelglatt; jeder Fehltritt kann zum Fall führen. Verkappte Gegner stellen unter dem fein gedeckten Tisch das Bein. Einen solcher Gegner ist für Kater sein alter Verbündeter Pfiff. Man brauche einen guten Freund, um nach oben zu kommen, zitiert Kater Machiavelli: „Wenn du oben bist, ist er der Erste, der weg muss.“ Weil er wider dieses Wissen gehandelt hat, droht er alles zu verlieren: Karriere, Ehre, Familie. Menschlichkeit bedeutet in den Zirkeln aus Heuchlern, Schmeichlern und Intriganten um Kater Verweichlichung. Über Staatsräson wird nicht gegrübelt: „Wir sind keine Philosophen“, sagt Pfiff, „wir sind Männer der Tat.“ Und er ist zu einer besonders Hinterhältigen bereit. Doch Kater sträubt sich. Bevor Pfiff sich versieht, muss er seine eigene Position definieren. „Pass auf, wo du stehst“, ermahnt ihn seine Gattin während des Staatsempfangs. Eines von vielen scheinbar beiläufigen Details, die im Handlungskontext des politischen Machtkampfes eine doppelte Bedeutung gewinnen.

Das satirisch angehauchte Politdrama spickt Panzer mit Anspielungen und Bildmetaphern. Der große Kater folgt für dem Hauptcharakter buchstäblich, als der sich nach einem desaströsen Festabend in einer Kneipe betrinkt. In den pointierten Dialogen schwingt stets ein sarkastischer Unterton mit. Nicht aus falscher Scham die Tränen unterdrücken, rät der päpstliche Nuntius Pfiff vor dem medienwirksamen Besuch der Kinderklinik. Der erkältete König ist über die diplomatischen Patzer während seines Besuchs bald auch persönlich verschnupft. Bei den Machtspielen vergisst Panzer die zwischenmenschlichen Töne nicht, auch, wenn er in ihnen unsicherer wirkt. Abgeschnitten von der Welt fühle er sich, klagt Kater mehrfach. Das Gefühl der Haltlosigkeit will er physisch mildern, wenn er auf der Wiese die Schuhe auszieht. Als mächtigster Schweizer Staatsmann fürchtet Kater, der Junge aus ärmlichen Verhältnissen, die Bodenhaftung zu verlieren. Die formellen Zwänge engen ihn ein. Beim Garderobenwechsel drückt im wahrsten Sinne der Schuh: „Mindestens zwei Nummern zu klein!“ In den Schuhen eines Mächtigen geht er niemals völlig sicher. Erst, wenn er sie endgültig abgestreift hat, ist er tatsächlich wieder „Kater“. Es sind die Lebensweisheiten dieses Katers, die perfekt zu Panzers doppelbödiger Schnurre zwischen menschlichem Drama und bitter-komischer Staatsaffäre passen.

Der große Kater

Ergraut sitzt „Der große Kater“ vor einem Tisch voller zerlegter Uhren. Die Zeit ist an dem gealterten Hauptcharakter in Wolfgang Panzers gelungenem gleichnamigem Kinospiel nicht spurlos vorüber gegangen. Auf ihre Weise hat sie den von Bruno Ganz mit kantigem Charme verkörperten Schweizer Staatsmann mitgespielt.
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Meinungen

Thomas Esser · 03.11.2010

kann diesen film nur wärmstens empfehlen. die schauspieler sind großartig, wunderbar.

Müller, Sabine · 02.11.2010

Bruno Ganz wie immer phantastisch!

french connect · 08.10.2010

bruno ganz ist mein lieblingsschauspieler

looker · 26.09.2010

Toller Trailer. Macht Lust auf den Film. Die Kritik liest sich auch hervorragend